GRIP 66
12/20/2022
Verwerter müssen Auskunft geben
Mit der Urheberrechtsreform im Juni 2021 ist in Deutschland fristgemäß die EU-Urheberrechtsrichtlinie umgesetzt worden. Ziel ist, die Vergütungssituation für kreative und journalistische Inhalte zu verbessern, insbesondere auch in den digitalen Medien. Neu für die Film- und Medienindustrie ist die proaktive Auskunftspflicht, die Verwerter verpflichtet, von sich aus einmal im Jahr Urhebern und ausübenden Künstlern über die Werknutzung und Einkünfte zu informieren.
Von Bernd Jetschin
Bisher konnten Urheber*innen diese Auskunft auf Anfrage lediglich einfordern. Berühmt ist der Fall des Kameramanns Jost Vacano, der auf dieser Grundlage in jahrelangen Prozessen eine angemessene Vergütung für seine Leistung an dem Erfolgsfilm „Das Boot“ von Wolfang Petersen erstritten hatte, sich die Informationen aber selbst erst besorgen musste. Dies soll nun einfacher werden. Die Verwerter von Werken sind gegenüber ihren Vertragspartnern, also Urhebern und ausübenden Künstlern, verpflichtet, von sich aus jährlich Auskunft zu geben und Transparenz herzustellen. Die proaktive Auskunftspflicht kann entfallen, wenn der urheberrechtliche Anteil nachrangig ist oder bei Unverhältnismäßigkeit, wenn der Aufwand für den Verwerter nicht in einem vertretbaren Verhältnis zu den erzielten Einnahmen steht. Wann das der Fall ist, müsste im Zweifelsfall erstritten werden. Einige Verbände und auch die Gewerkschaft ver.di haben diese Einschränkungsmöglichkeiten als Verwässerung kritisiert.
Die Transparenzpflicht dient dazu, Urheber*innen über die Werknutzung und damit erzielte Erlöse zu informieren. „Der Gesetzgeber will mit der Auskunftspflicht die Durchsetzung von Nachvergütungsansprüchen aus § 32 a UrhG erleichtern“, erläutert Medienanwalt Guido Hettinger aus Frankfurt. Ziel des Paragraphen 32a ist die angemessene wirtschaftliche Beteiligung bei der mehrstufigen Verwertung. Insbesondere Buyout-Verträge gilt es zu hinterfragen, inwieweit eine vielleicht ursprünglich angemessene Vergütung bei den heutigen mehrstufigen Lizenzauswertungen auch noch angemessen ist. Hettinger: „Die Gretchenfrage ist, wenn ein Drehbuchautor für die Verfilmung eine feste Summe erhält, ist dann alles abgegolten, oder muss er noch beteiligt werden, wenn der Film erfolgreich mehrfach ausgestrahlt, ins Ausland verkauft und in VoD-Plattformen gestreamt wird?“
Verwerter müssen sich gläsern machen
Im neu hinzu gefügten Absatz 32d müssen sich die Verwerter gegenüber ihren Vertragspartnern gläsern machen, damit Urheber ihren Anspruch auf angemessene Beteiligung im Zweifelsfall auch durchsetzen können. Trotz dieses umfassenden Auskunftsanspruchs können Produktionsfirmen etwa bei einer TV-Auftragsproduktion nur die Informationen herausgeben, über die sie verfügen, also auf den Sender verweisen, der das Werk verwertet. Bei Koproduktionen mit internationalen Partnern oder bei einem Verkauf der Produktion auf den internationalen Markt, kennt das Produktionsunternehmen nur die Erlöse und Nutzung in seinem Rechte-Territorium. Es kann in diesem Fall nur auf die Partner verweisen, an die es die Rechte abgetreten hat, schuldet aber dem Vertragspartner nach Gesetz die Auskunft über die gesamte Verwertung des Werks. Diesem Dilemma könne die auskunftspflichtige Seite letztlich dadurch entgehen, indem Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) im Sinne des § 36 UrhG vereinbart werden, woraus der Urheber zu beteiligen ist. „Auf was sich die Auskunftspflicht der Verwerter beschränken kann, muss in diesen GVRs geregelt sein“, erklärt Hettinger.
Jüngste GVR-Vereinbarungen zwischen den Verbänden und Sendern streben hierzu Regelungen an. So informierte etwa die AG DOK ihre Mitglieder, dass man sich mit der ARD geeinigt habe, die Filmemacher am Erfolg ihrer Filme zu beteiligen und bei Mehrfachnutzung in Mediatheken von der pauschalen Vereinbarung zu einem nutzungsbasierten Vergütungsmodell überzugehen.
Automatisierte Lösung per Plattform
Damit nun nicht jedes Produktionsunternehmen einmal im Jahr alle ihre Vertragspartner einzeln anschreiben muss, entwickelt der Produzentenverband mit einem englischen Unternehmen und Betreiber eine Plattformlösung, die nicht nur den Mitgliedsfirmen zur Verfügung stehen soll. Diese soll demnächst startklar sein, um die Nutzungsdaten bestehender Werke zu erfassen und sie Vertragspartnern zur Verfügung zu stellen zu können.
Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)
Schlagworte: Sozialversicherung, TV/Rundfunk, Filmwirtschaft, Filmproduktion, Drehbuch, Dokumentarfilm
