GRIP 66
12/20/2022
Rettungsschirm für Energiekosten
Drohende Produktionsausfälle durch Corona, Inflation und die akute Energiekrise bringen Produktionsfirmen in arge Bedrängnis, zudem die Personalkosten aufgrund des Fachkräftemangels ebenfalls klettern. Vielfach können bestehende Budgets diese Mehrkosten nicht mehr decken. Die Produzentenallianz schlägt Alarm.
Von Bernd Jetschin
In einem gemeinsamen Brief der Produzentenallianz und des VTFF, Verband technischer Betriebe für Film und Fernsehen an die Minister Claudia Roth für Kultur und Robert Habeck für Wirtschaft beklagten die Verbände bereits im September Kostensteigerungen für die Produktionswirtschaft über das allgemeine Maß hinaus. Erwartet werden ein Anstieg von 30 Prozent für Bau, Material und Strom sowie Kraftstoffe. Die angekündigten Energieentlastungspakete seitens der Regierung müssten auch für die Filmhersteller geöffnet werden: möglichst in Form eines Energiekosten-Rettungsschirms nach dem Vorbild der Corona-Ausfallfonds. Die sollten eigentlich im September auslaufen, doch die Ausfallfonds I und II für Kino- und Fernsehproduktionen sind seitens des Bundes und einiger Länder bis Ende des Jahres verlängert worden, teils auch bis in den Frühjahr 2023. Doch was kommt danach?
Budgets decken nicht den Preisanstieg
Für Uli Aselmann, Vorstand Produzentenallianz, ist die derzeitige Lage für viele mittelständische Betriebe noch schlimmer als zu Beginn des Coronaausbruchs. Die pandemische Situation mit ihren Folgen für die Filmproduktion bestehe weiter. Die erhöhten Arbeitskosten und nun die Energiepreisexplosion kämen noch hinzu. Aselmann sieht gerade kleine mittelständische Produktionsfirmen in ihrer Existenz bedroht, denn die bestehenden Budgets für Kino- und Fernsehproduktionen entsprechen nicht mehr diesem Preisanstieg. Rund 13,5 Prozent können Produzenten bei einer durchschnittlichen Fernsehproduktion an eigenen Kosten für Miete, Rechnungen und Personal veranschlagen. Werden die Budgets nicht erhöht, sind die so genannten Handlungsunkosten nicht mehr gedeckt.
Es laufen Gespräche sowohl mit der Politik als auch mit den Sendern, so Aselmann, der die Bereitschaft der Sender bestätigt, bei Produktionsausfällen durch Corona anteilig 50% der Kosten zu übernehmen, wenn die Ausfallfonds auslaufen sollten. Auch hinsichtlich der Preisentwicklung seien sie gesprächsbereit. Doch Aselmann weiß, dass gerade bei den öffentlich-rechtlichen Sendern angesichts des Spardrucks und der öffentlichen Diskussion wenig Spielraum zu erwarten ist, um die Produktionsbudgets zu erhöhen. Zu beobachten sei, dass sie die Aufträge zunehmend an finanzstarke Unternehmen und Sendertöchter vergeben, die das Risiko eines Produktionsausfalls durch ihren Output besser verteilen können, als es kleinen mittelständischen Firmen mit zwei bis drei Produktionen im Jahr möglich ist. „Da reicht bereits ein Produktionsausfall, um ein Unternehmen in Schieflage zu bringen, selbst wenn die Sender 50 Prozent der Kosten übernehmen. Kein Sender will in den Ruf kommen, dass eine unabhängige Firma wegen einer Auftragsproduktion Insolvenz anmelden musste.“ Doch wenn unabhängige Firmen weniger Aufträge erhalten, sei dies nicht weniger gravierend.
„Wir haben grundsätzlich sowohl bei Film- wie bei Auftragsproduktionen für die TV-Sender das Problem, die Budgets entsprechend der derzeitigen Kostensteigerungen anzupassen“, bestätigt der Franfurter Filmproduzent Tonio Kellner von Neopol Film. Nächsten Sommer ist der Kinofilm „Max und die Wilde 7 – Die Geisteroma“ geplant: „Wir bereiten es so vor, dass wir keine Generatoren nehmen müssen, sondern mit Feststromanschluss arbeiten, LED-Leuchten und Reflektoren nutzen, um die Energiekosten zu senken“, erklärt er. Doch werde derzeit darüber nachgedacht, wie das Budget aufzustocken ist, um die möglichen Mehrkosten aufzufangen.“
Die Versicherer sind gefragt
Seit Ende November ist in der ARD-Mediathek die fünfteilige Doku- Serie „Neonstaub - Die Straßen von St. Pauli“ zu sehen, eine Sittengeschichte der BRD von den 1950er Jahren bis in die 1990er Jahre, die von den Subkulturen rund um die sündige Meile erzählt. Diese Produktion von Neopol Film sei mit einem kleinen Team gedreht worden, wodurch die Energiekosten nicht so stark ins Gewicht gefallen sind, berichtet Kellner. Die Ausfallfonds seien grundsätzlich existentiell für die Produktionsbranche. Doch sieht er langfristig angesichts der epidemischen Lage vor allem die Versicherungswirtschaft in der Pflicht und drängt auf eine Lösung. Die Produzentenallianz verhandelt mit den Versicherungsunternehmen. Ein Ergebnis ist Stand Mitte November noch nicht in Sicht.
Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)
Schlagworte: Filmproduktion, TV/Rundfunk, Filmpolitik, Institution, Filmwirtschaft
