GRIP 66

12/20/2022

Kultur im Freien

Nur ein „Kinoraum“ in Hessen – und nicht nur dort – hatte dieses Jahr keinen Besucherrückgang zu verzeichnen: Das Open-Air-Kino. Da stellt sich die Frage, wie es in der Nach- Covid-Zeit weitergehen wird. Werden die Open-Air-Veranstaltungen eine ernsthafte Konkurrenz für die Arthouse-Kinos? Lassen die Leute nur noch für ein Open-Air Event an einem warmen Sommerabend Streamingplattformen und Mediatheken links liegen?

Von Claus Wecker

Christopher Bausch, der neben dem Casino in Aschaffenburg die drei Arthouse-Kinos Cinéma, Eldorado und Harmonie mit insgesamt sechs Sälen in Frankfurt betreibt, glaubt weiterhin an die Attraktivität eines gut geführten Hauses. „Die Menschen kommen gerne in Kinos, die interessante Filme anbieten und in denen sie sich wohlfühlen“, sagt er. Der Eventcharakter von Open-Air-Vorführungen würde bei täglich spielenden Open-Air-Kinos ohnehin nicht von Dauer sein. Aber das von ihm organisierte Campus-Kino in Aschaffenburg brachte es in zwei Wochen immerhin auf acht Vorstellungen mit publikumswirksamen Filmen.
Überhaupt tendiert das Open-Air-Kino zum mainstreamigen Film. Eine halbleere Wiese oder einen Marktplatz mit einem Häufchen Interessierter will niemand riskieren. Sabine Imhof, die das von der VHS betriebene Filmforum Höchst leitet, sucht bei ihren Open-Air- Projekten Kooperationspartner. Sie arbeitete mit der AWO bei einem Projekt für Jugendliche mit Migrationshintergrund im Höchster Brüningpark zusammen und im Frankfurter Stadtteil Bergen mit der dortigen Nachbarschaftsinitiative. Sie sieht dabei Chancen für „leichteres Arthouse“ und Repertoire.

SommerWanderKino Hessen
In beiden Fällen war das Film- und Kinobüro Hessen e.V. mit von der Partie. Es organisiert seit 2002 den kinoSommer hessen. Um neben den Mitteln von HessenFilm auch solche aus dem hessischen Corona- Sonderförderungsprogramm „Ins Freie“ zu bekommen, wurde die Aktion in den letzten beiden Jahren in SommerWanderKino Hessen umbenannt. In über 70 Kommunen gab es dieses Jahr rund 200 Vorführungen, zu denen circa 30.000 Personen kamen, finanziell unterstützt mit insgesamt 300.000 Euro. Vor allem sollte „Kultur im Freien“ auch dorthin kommen, wo kein Kino (mehr) existiert. Denn nur noch an 71 Orten in Hessen gibt es mindestens ein Lichtspieltheater. Das Filmbüro bringt die Veranstaltungspartner zusammen, in der Regel sind es die Kommunen und Kinos in einem nahegelegenen Haus. Das Büro vermittelt bei Bedarf hessische Kinotechniker für die zumeist ein bis zwei Vorführungen pro Ort. Geschäftsführer Erwin Heberling erklärt zum Thema Filmauswahl, dass vor allem europäische Produktionen in den geförderten Programmen einen Platz finden sollten. Er geht davon aus, dass auch im nächsten Jahr von HessenFilm Mittel zur Verfügung gestellt werden, dann komme allerdings vermutlich kein Corona-Sonderhilfsprogramm mehr hinzu.

High Rise Cinema auf dem Hochhausdach
Ohne die Unterstützung von HessenFilm, aber 2021 mit Beihilfen aus dem Corona-Programm, organisiert das Team des LICHTER Filmfest Frankfurt International seit neun Jahren das Freiluftkino Frankfurt. An jährlich wechselnden Orten, zuletzt im Hof des ehemaligen Polizeipräsidiums mit 350 zumeist ausverkauften Plätzen, laufen ironischerweise unter dem deutschen Namen alle fremdsprachigen Filme in der untertitelten Originalfassung. Gregor Maria Schubert, der mit Johanna Süß die Veranstaltung leitet, hält es für ein Mythos, dass die Pandemie einen Run ausgelöst habe: „Open-Air-Kino war vor 20 Jahren genauso populär wie heute.“ Wenn das Wetter mitgespielt hat, was in manchen Jahren nicht der Fall war. Mit Unterstützung der Frankfurter Tourismus und Kongress GmbH und mit großem Publikumszuspruch hat LICHTER in diesem Jahr zusätzlich das High Rise Cinema auf drei Hochhausdächern (je 200 Plätze) und der Skyline Plaza Dachterrasse (400 Plätze) veranstaltet.
In Bad Soden schließlich führte Open-Air sogar zur Kinorettung. Der Verein Kinokultur Bad Soden hat mit Vorführungen im Hof der damaligen Kult Kinobar, die im Corona-Lockdown geschlossen war, den anschließenden Weiterbetrieb des Hauses als CasaBlanca befördert. Im letzten Jahr wurden 30 Filme gezeigt, darunter 17 Dokumentarfilme und mehr als die Hälfte von allen in OmU. „Es gibt ein Bedürfnis nach Kino“, resümiert der an der Aktion beteiligte Alf Mayer. Sein optimistisches Statement muss nun im Winter ein in die Kinos zurückkehrendes Publikum bestätigen

Kategorie: Hintergrundbericht (GRIP FORUM)

Schlagworte: Filmkultur, Kino, Filmförderung, Kulturförderung, Institution

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