GRIP 66

12/20/2022

Der Hessische Filmpreis ging auf Tour

Weil die Alte Oper, der traditionelle Austragungsort des Hessischen Film- und Kinopreises, aufgrund von Vertragsschwierigkeiten der Veranstaltungsagentur nicht in Frage kam, hat die Landesregierung aus der Not eine Tugend gemacht und sich für die Verleihung ein alternatives Konzept ausgedacht. Die Preise wurden in drei verschiedenen Kinos in Bad Nauheim, Kassel und Frankfurt vergeben.

Von Dieter Brockmeyer

„Wir feiern keine glamouröse Gala, sondern gehen dahin, wohin der Film hingehört: ins Kino“, erklärte die Gastgeberin der Preise, die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn, bereits im Vorfeld. Im Frankfurter Eldorado Programmkino wurden die Preise für das beste Schauspiel und der Spielfilm-Preis verliehen. Bereits an den beiden Vorabenden war der Hessische Film- und Kinopreis in Kassel und Bad Nauheim zu Gast. Angesichts der aktuellen Krisensituation sind die Preisgelder für die Kinos in diesem Jahr verdoppelt worden. Dies sei erst mal nur eine Geste, räumte die Ministerin bei ihrer Rede ein, und stellte eine breitere Hilfe auch für die Kinos in Aussicht. Eine Milliarde als Hilfe für die Kultur seien inzwischen vom Bund genehmigt, jetzt ginge es noch darum, den Landesanteil und die Kriterien zu klären. „Ich bin zuversichtlich, dass wir dies hinbekommen“, so Dorn, und auch dass die Kinos, die durch ihre besondere Situation sehr energieintensiv seien, ihren Anteil von den Hilfen abbekämen.

Internationales Flair durch „Spencer“
Die eigentliche Verleihung an diesem Abend ging sehr kurzweilig über die Bühne. Lea Drinda wurde für ihre eindrückliche Performance in „Becoming Charlie“ mit dem Schauspielpreis des hr gekürt; der Spielfilmpreis ging an den internationalen Spielfilm „Spencer“ von Pablo Larrain, der mit seinem 16 Millionen Budget eine Episode im Leben von Lady Di beleuchtet und in wesentlichen Teilen im Schlosshotel Kronberg gedreht wurde. Danach wurde der Film in voller Länge gezeigt. Das anschließende Get-together im Frankfurter Club „Le Panther“, fünf Gehminuten vom Kino entfernt, gab dem Abend dann doch etwas von der Atmosphäre einer Filmpreisverleihung. Gefühlt war die gesamte hessische Branche wieder vor Ort, oder doch zumindest der aus dem Rhein-Main- Gebiet stammende Teil.
Bereits zuvor war der Filmpreis in der Filmbühne Bad Nauheim zu Gast, wo unter anderem der Newcomerpreis an die Unternehmer* innen der GbR jip film & verleih vergeben wurde. Als bester Kurzfilm wurde zudem „The Sunset Special“ ausgezeichnet. Mit der Filmbühne in Bad Nauheim wurde ein Filmtheater für diese Preisverleihung ausgesucht, das erst im Mai neu eröffnet wurde – allen widrigen Umständen zum Trotz. Das gilt übrigens auch für das Eldorado in Frankfurt. Das Frankfurter Traditionskino ist nach seiner temporären Schließung und einem Besitzerwechsel glanzvoll in neuem Gewand wieder eröffnet worden.

Kinopreise gehören in die Kinos
Im BALi Kino in Kassel wurde der Dokumentarfilmpreis und die dotierten Auszeichnungen für die gewerblichen Kinos verliehen. Diese Zeremonie der Urkundenvergabe wurde recht rasch über die Bühne gezogen, bedauert BALi-Geschäftsführer Gerhard Wissner. Er erinnert, dass die Idee, die Kinos stärker einzubeziehen schon 20 Jahre alt ist. Wissner fände es gut, diese Tourneeidee alleine für die Kinopreise umzusetzen und beizubehalten. Bilanzierend lässt sich festhalten: Das diesjährige Konzept ist der Not geschuldet und sicher auch ein interessantes Experiment, aber es ist wenig tauglich, ein echtes Schlaglicht auf die hessische Film- und Kinobranche zu werfen. Zu begrüßen ist, dass auch zukünftig die Preisträgerfilme in ausgewählten Kinos zu sehen sein sollen.

Die Preise und Veranstaltungsorte im Überblick:
Bad Nauheim: Newcomer: jip film & verleih; Kurzfilm: „The Sunset Special“; nicht kommerzielle Kinos: Murnau Filmtheater in Wiesbaden; Filmforum Höchst in Frankfurt; Filmkreis-Unikino in Darmstadt; Pupille - Kino in der Uni Frankfurt; Kommunales Kino Weiterstadt, naxos.Kino in Frankfurt, Kino des DFF in Frankfurt; Caligari Film- Bühne in Wiesbaden
Kassel: Dokumentarfilm: „Mutter“; Drehbuch: „Vor Marie“ von Agnieszka Piwowarska; gewerbliche Kinos: Casablanca Art House (ehemals Kult Kinobar) in Bad Soden; Mal seh’n in Frankfurt; Filmladen in Kassel; BALi-Kinos in Kassel; Harmonie Kinos in Frankfurt; Kino Traumstern in Lich; Programmkino Rex in Darmstadt; Capitol Filmkunstcenter (ehemals Kammer-Palette-Atelier) in Marburg; Lichtspielhaus in Lauterbach; Capitol Kino in Witzenhausen; Cinema in Frankfurt; Kronberger Lichtspiele
Frankfurt: „Spencer” von Pablo Larrain; Schauspielpreis des hr: Lea Drinda in „Becoming Charlie”

Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)

Schlagworte: Auszeichnung, Filmförderung, Kino

Artikel im PDF aufrufen