GRIP 57
11/1/2017
Wenn es Nacht wird in Frankfurt
Die Frankfurter E-Kinos werden 65 Jahre alt
Von Daniel Güthert
Mit einem Sonder- und Festprogramm, das am 1. Oktober zu Ende gegangen ist, haben die Jaeger Filmbetriebe das 65jährige Jubiläum ihrer E-Kinos an der Hauptwache begangen. Sechs Wochen lang wurden Klassiker der Filmgeschichte präsentiert, ausgewählt vom Publikum. Darunter neuere Leinwandepen wie "Avatar", "E.T.", aber auch frühe Meisterwerke wie "Frühstück bei Tiffany" oder Hitchcocks Thriller "Das Fenster zum Hof", Filme, die einst in dem Traditionskino ihre Frankfurter Uraufführung feierten.
Zur Eröffnung 1952 war das Haus noch nicht in die vielen Schachtelkinos zerstückelt, sondern trumpfte in der kinoverrückten Ära der 50er Jahre als imposantes Uraufführungstheater auf. Über 1.100 Plätze umfasste der Europa-Palast damals und bot vielen Premieren und Starauftritten eine glanzvolle Bühne. Leinwandgrößen wie Curd Jürgens, Hildegard Knef, Liselotte Pulver oder die italienische Diva Sophia Loren gaben sich die Ehre. Im legendären Künstlerzimmer hinter der Bühne sind die Namen mit Autogrammen und Widmungen der Stars verewigt. Zum Jubiläum konnten die Besucher einen Blick auch in diese Schatzkammer werfen – auf Spurensuche in die Filmhistorie.
Errichtet wurde das Gebäude vom Firmengründer Ludwig Reichard. Er hatte 1926 umgesattelt – vom Einzelhändler zum Kinobesitzer und hatte mit seinem ersten Kino, dem kleinen Eden-Theater, nahe Allerheiligentor, den Grundstein für das Familienunternehmen gelegt. Den Niedergang des Kinobooms Mitte der 60er Jahre erlebte Reichard indes nicht mehr. Er war 1954 verstorben. Die Geschäfte führte fortan seine Tochter Liselotte Jaeger, fast 50 Jahre lang, und machte die Kinos zu einer Institution der Stadt. Sehr früh erkannte sie den Zug der Zeit. Sie veranlasste in den 70er Jahren den Umbau des Hauses in die heutige Form des Kinocenters mit acht Spielstätten, den E-Kinos. Anders wäre das Ende wohl nicht zu verhindern gewesen.
Neben dem Stammsitz an der Hauptwache betreibt die Kinogruppe noch das gehobene Arthouse-Theater "Eldorado" sowie ein Multiplex mit sieben Sälen in Neckarsulm, das 2001 eingeweiht wurde. Seit 2002 liegt die Geschäftsführung in den Händen von Gabriele Jaeger. Wie aus heiterem Himmel war ihr die Aufgabe zugefallen. Denn an Aufhören hatte Schwiegermutter, Liselotte Jaeger, die Grande Dame der Branche, partout nicht gedacht. Als sie 2002 plötzlich starb, war keine Nachfolgeregelung getroffen. So sprang Gabriele Jaeger in die Bresche, obwohl sie mit dem Kinogeschäft zuvor nie zu tun hatte. Seither nun managt sie das Haus, und wie man sieht: mit deutlichem Erfolg.
Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)
Schlagworte: Kino, Filmkultur
