GRIP 50
5/1/2014
Pandora trauert um Karl "Baumi" Baumgartner
Von Pandora Film
Baumi war die Seele unserer Firma, der spiritus rector, der Querdenker und der Besessene, „Der Mann, der das Weltkino liebt“ (Der Tagesspiegel). Seine Leidenschaft galt dem Film, den Geschichten, die die Leute weinen und lachen lassen. Den Geschichten mit den großen Gefühlen. Ob es ein junger, unbekannter Regisseur aus den USA war oder ein Dokumentarfilmer aus Kasachstan, wenn ihm etwas gefiel, hat er es gemacht. Sein einziges Kriterium war, dass er darin etwas außergewöhnliches sah und spürte.
Als junger Mann hat er seine Südtiroler Heimat, in politisch aufregenden Zeiten, Richtung Rom verlassen um dort als Filmkritiker, Tonmann und Regieassistent erste Berührung mit dem Medium zu bekommen. Er hat sich damit beruflich gegen seine andere große Liebe, den Fußball, entschieden. Die politisch aufregenden Zeiten veranlassten ihn dann auch, Rom wieder zu verlassen. Sein Weg führte ihn nach Frankfurt, dort wurde, wie damals üblich im Kollektiv, ein Kino betrieben – die „Harmonie“. Hier wurde Filmgeschichte, Filmkunst aber auch Trash vorgeführt, die Menschen kamen, der Laden brummte.
Mit Reinhard Brundig wurde der erste Film für den zu gründenden Verleih erworben. Der Name für die Firma wurde einem Deutschen Filmklassiker entlehnt, die Pandora Film war geboren. Ab 1982 wurden Filme für die Kinoauswertung besorgt, türkische, chinesische, finnische, Weltkino eben. Filme, die heute mit dem Begriff Arthouse immer unzureichender umschrieben sind, Filme, die Neues zeigten, das Publikum forderten. Der Film einer jungen Regisseurin aus Neuseeland bescherte der Firma einen enormen Erfolg, „Das Piano“ ist der bis dato besucherstärkste Film.
Zur gleichen Zeit entwickelten sich bis heute existierende, von Freundschaft geprägte, dauerhafte Beziehungen zu namentlich zwei Regisseuren: Aki Kaurismäki und Jim Jarmusch. Hier wurde schon sehr früh der Boden für die spätere Produktionstätigkeit bereitet. Formal wurde dieser Schritt dann mit der Koproduktion „Underground“ von Emir Kusturica vollzogen. Der Film gewann die „Goldene Palme“. Die roten Teppiche der bedeutenden Festivals wurden nun häufiger besucht. Die Produktion ging nach Köln, neue Kollegen kamen an Bord, zusammen mit den Produzenten Christoph Friedel, Raimond Goebel, Claudia Steffen und dem Geschäftsführer Rainer Teusner wurden nun ca. sechs Filme pro Jahr hergestellt. Ob im Himalaya, in den Steppen Asiens oder im südlichen Südamerika, wo gute Geschichten zuhause waren, haben wir versucht sie zu bergen und auf die Leinwand zu bringen, selbst in Deutschland wurden wir fündig. Mehr als einhundert Filme sind heute in unserer Bibliothek. Den Verleih führen heute Thomas Matlok und Björn Hoffmann.
Baumis Visionen wurden mehrfach ausgezeichnet. So erhielt er u.a. in Locarno den „Raimundo Rezzonico“-Leoparden und jetzt zuletzt noch auf der Berlinale die „Ehrenkamera“ des Festivals. Wer erlebt hat, wie seine Liebe zu den Filmschaffenden von all den Menschen dort erwidert wurde, bekommt eine Ahnung davon, was uns durch seinen Tod abhanden gekommen ist.
Kategorie: Nachruf
Schlagworte: Filmproduktion, Filmemacher*in, Verleih, Auszeichnung
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