GRIP 50
5/1/2014
Ein Ökothriller fürs Kino - frei finanziert
„Look 4 them“ von Otmar Hitzelberger und Tom Dokoupil ist abseits gängiger Förderstrukturen entstanden
Von Nora Bluhme
Wackelige Handkamera, erregte Stimmen. Im Bild: ein Geschäftsmann im Anzug, offensichtlich in Todesangst. Gestalten in grotesker Verkleidung drängen auf ihn ein, legen ihm eine Schlinge um den Hals, es kommt zum Handgemenge. Eine live gefilmte Exekution.
So die erschreckende Eingangssequenz von "Look 4 them", dem neuen Film von Otmar Hitzelberger (Open Lens) und Tom Dokoupil (Whitehouse Studios). Mal rasant und actionreich, mal komisch bis skurril erzählt der Ökothriller die Geschichte von vier jungen Umweltaktivisten, die, von Idealismus getrieben, den Kampf gegen die Atommüllmafia aufnehmen. Sie wissen: Vor der Küste der Normandie tickt eine Zeitbombe. Hier ruhen nukleare Abfälle in maroden Fässern an Bord eines versenkten Frachters auf dem Meeresgrund. Um eine ökologische Katastrophe zu verhindern brauchen sie die Koordinaten des gesunkenen Schiffs. Und Geld.
Der etwas sperrige Filmtitel ist dem Namen einer Online-Such-Plattform entlehnt, die sich mit vermissten Personen befasst. In "Look 4 them" geht es just um Entführungen, um Gewaltanwendung im Dienste der Gerechtigkeit und um die moralische Frage, nach der Grenze zwischen Zivilcourage, Aktivismus und Terrorismus angesichts skrupelloser Machenschaften in Wirtschaft und organisiertem Verbrechen.
Die Story hat einen durchaus ernsten Realitätsbezug: 2009 wurde vor der Küste Süditaliens tatsächlich ein versenkter Frachter mit nuklearen Abfällen entdeckt, den Umweltschützer schon lange dort vermutet hatten. Es handelte sich um das Werk der lokalen Mafia, die hier ein systematisches Geschäft mit der illegalen Giftmüllentsorgung betreibt. Und immer neue Enthüllungen von Umweltverbrechen lassen das Thema in einem Strom anhaltender Aktualität erscheinen.
So ist der Film auch gedacht „als eine Hommage an diejenigen, die hinschauen und nachfragen“. Hitzelberger macht politische Filme. Seine Wurzeln hat er in der Frankfurter Sponti-Szene der 70er Jahre und seine Arbeiten rücken oftmals Konflikte in den Fokus, die die Gesellschaft gerne verdrängt. Dokumentationen über Jugendstraftäter, über Lanzeitarbeitslose, Neonazis, auch über migrantisches Theater sind Ausdruck seines filmischen Selbstverständnisses.
Vier Jahre haben Hitzelberger und Dokoupil an "Look 4 Them" gearbeitet, haben sämtliche Produktionsschritte vom Drehbuch bis hin zum Sounddesign konsequent in Eigenregie bewältigt. Entstanden ist der aufwendige Kinofilm dabei komplett aus Eigenmitteln, ohne jegliche Zuwendung öffentlicher Hand oder etwaiger Förderer. „Wir haben die Filmförderung außen vor gelassen und uns gesagt: das können wir selbst.“ Sogar Hypotheken wurden für die Verwirklichung des Vorhabens aufgenommen. Unterstützung erhielten sie lediglich vom Filmtechnikverleih MBF und von der Postproduktionsfirma Acht Frankfurt, die die 3D-Effekte ermöglichte.
Von vornherein als europäisches Projekt angelegt, wurde mit internationaler Besetzung auf Englisch gedreht. Mit insgesamt 42 Drehtagen an Drehorten in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden stellte die Umsetzung auch eine immense logistische Herausforderung dar.
Drei der vier jungen Hauptdarsteller kannte Otmar Hitzelberger schon vor den Dreharbeiten, von seiner Lehrtätigkeit an der film acting school cologne. Für die Besetzung der Icherzählerin Inés wurde er bei einer Agentur fündig: Bettina Burchard gab in der Rolle der jungen Mutter ihr Langfilmdebüt und erwies sich als Glücksgriff.
Inzwischen ist das Kinoprojekt fertig gestellt. Einen Verleih konnte man bislang noch nicht finden. Um so mehr konzentriert sich die Produktion auf die Teilnahme an Festivals. Bewerbungen bei großen Veranstaltungen wie in San Franciso, Edinburgh oder Sidney sind unterwegs. Selbst in Cannes zu den Filmfestspielen ist der Titel eingereicht worden. Es wird sich zeigen, ob Hitzelberger und Dokoupil mit ihrem vollständig eigenfinanzieren Politthriller die Juroren überzeugen können.
Kritisch allerdings sieht Hitzelberger die Praxis der Filmförderung. Denn Anträge auf selbst kleine Summe an Unterstützung zur Postproduktion beziehungsweise an Vertriebshilfen sind mehrfach abgelehnt worden. Es scheint Hitzelberger, als hätten Filme, die nicht zuvor schon zigfach durch die Kanäle der Produktionsförderung geschleust worden sind, später keine Chance auf Zuwendung mehr. Als traue sich keiner aus der Deckung, wenn es darum geht, einen frei finanzierten Film zumindest im Vertrieb anzustoßen. Doch entmutigen lassen will sich das Produzentenduo in keinem Fall. "Wir warten jetzt erst mal die Entscheidungen der Festivals ab."
Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)
Schlagworte: Filmförderung, Filmemacher*in, Spielfilm