GRIP 40

5/1/2009

Tradition und Moderne

Das Frankfurter Kino Orfeo’s Erben feiert sein zehnjähriges Bestehen

Von Antje Witte

Das Traditionskino Orfeo, zuletzt betrieben vom Frankfurter Pandora Filmverleih, wurde im Februar 1997 nach 12jährigem Bestehen geschlossen. Doch die Idee, Kino und Restaurant wiederzubeleben, entstand fast direkt nach der Schließung. Harry Dehnhardt und Andreas Lucas, die in der Hamburger Allee 45 bereits die FunDeMental Tonstudios betrieben, wollten den Neuanfang wagen. Dabei waren für die neuen Kinomacher folgende Überlegungen ausschlaggebend: Wie stellen wir uns unser Lieblingskino vor? In welcher Atmosphäre halten wir selbst uns gerne auf und möchten wir unseren Gästen einen angenehmen Abend bereiten? Wie können wir erfolgreich Kino- und Restaurantkonzept miteinander verbinden, ohne als banale „Erlebnisgastronomie“ wahrgenommen zu werden?

Um den eigenen hohen Ansprüchen zu genügen, aber auch das abenteuerliche Vorhaben, in Frankfurt ein weiteres Programmkino zu eröffnen, für die kommenden Jahre gesichert zu sehen, wurden schließlich fast 1,5 Millionen Mark in den Umbau von Kino, Restaurant und Barbereich investiert. Das ehemals 134 Personen fassende Kino wurde, zugunsten der Bequemlichkeit, auf 79 Sitzplätze reduziert, darunter 24 ausrangierte Lufthansa First Class Sitze. Eine mikroperforierte Leinwand wurde speziell für das Kino angefertigt und eine Dolby Digital (-EX) Anlage für beste Klangqualität installiert. Seit Anfang Februar 2000 hat das Kino ein THX-Zertifikat von Lucas Film und ist damit Deutschlands kleinstes THX-Kino!

Schließlich, nach fast zweijähriger Umbauzeit, konnten Orfeo’s Erben am 8. Januar 1999 eröffnen. Die ersten drei Jahre nach der Wiedereröffnung waren atemberaubend: Es war wahnsinnig voll, ob im Kino oder im Restaurant, man saß auf den Treppen, stand in Dreierreihen an der Bar Schlange, abends war es verqualmt, und trotzdem – oder gerade deshalb - wollte keiner nach Hause gehen.

Im Jahr 2005 dann die Überraschung: Trotz rückgängiger Besucherzahlen in den deutschen Kinos trotzte Orfeo’s Erben, ähnlich dem bekannten unbeugsamen gallischen Dorf, dem Trend. Über 30.000 Besucher in einem Jahr. Ein Zuwachs von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zudem war es das beste Auslastungs-Ergebnis in einem Kino überhaupt - und das sogar europaweit.

Bis hierhin erfolgsverwöhnt, folgte 2006 eine kleine Durststrecke. Das verflixte siebte Jahr – man kennt das ja. Was auch immer die Gründe gewesen sein mögen, Orfeo’s Erben hielt dagegen. Erprobt wurden neue Ideen für die Verbindung von Restaurant und Kino und für das Open-Air-Kino im Brentanobad. Das Open-Air-Kino auf dem Lohrberg erfuhr, in Zusammenarbeit mit dem Mal Seh’n Kino, dem Filmtheater Valentin, dem Filmforum Höchst und dem Kino im Deutschen Filmmuseum eine Neuauflage.

Seit 2008 läuft nun wieder alles wie am Schnürchen. Und so konnte das 10jährige Jubiläum erfolgreich gefeiert werden. Geboten wurde ein „Best of 3-Gänge Menü“, anschließend Kurzfilmprogramme und Live Acts, die teilweise spontan entstanden.

Die Zukunft jedenfalls kann kommen. Sollten dann tatsächlich alle Kinos digital ausgestattet werden, zeichnen wir im Orfeo's Erben vor dem Umbau das Arbeits-Geräusch des 35mm Projektors auf. Während der digitalen Projektion spielen wir dann das Knattern und Rattern im Vorführraum ab, das wir schon von Kindesbeinen an kennen und das uns allen so vertraut ist.

*Antje Witte ist Kinoleiterin von Orfeos Erben

Kategorie: Gastbeitrag (ehemals Selbstdarstellungen von institutioneneigenen Mitarbeitern / ab GRIP 63)

Schlagworte: Kino, Filmkultur

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