GRIP 40

5/1/2009

„Raus aus dem Kinosaal – rein in die Stadt“:

Unter diesem Motto präsentiert die Frankfurter Kinowoche zum 15. Mal Filme an ungewöhnlichen Orten

Von Johanna Ruhl

Die Faszination des Projekts „Kino an ungewöhnlichen Orten“ ist auch nach fünfzehn Jahren ungebrochen: alljährlich im Juli heißt es für das Team der Frankfurter Kinowoche, sieben Tage lang mit 35mm-Projektor, Leinwand und einer Wagenladung Bierbänke von einem außergewöhnlichen „Schau“-Platz zum nächsten zu ziehen und dem filmbegeisterten Publikum einen Stadtrundgang der besonderen Art zu bescheren. Dieses Jahr lädt die vom Deutschen Filminstitut – DIF e.V. veranstaltete Kinowoche vom 19. bis 16. Juli zur cineastischen Entdeckungsreise durch Frankfurt ein.

Die Idee, die Stadt zum Kinosaal zu erklären und Filme nicht bloß Open Air sondern an „filmreifen“ Orten aufzuführen, wurde 1995 zum 100. Geburtstag des Kinos geboren. So war die erste Frankfurter Kinowoche Teil eines hessenweiten Jubiläumsprogramms, das von der Projektgruppe „100 Jahre Kino – Das Jubiläum in Hessen“, unter der Leitung des Deutschen Filmmuseums – seit 2006 in der Trägerschaft des Deutschen Filminstituts –, koordiniert wurde. Anliegen der Kinowoche war und ist bis heute, einen abwechslungsreichen Querschnitt aus über 100 Jahren Filmgeschichte zu präsentieren und bei der Auswahl von Ort und Film darauf zu achten, dass eine interessante Korrespondenz zwischen Leinwandgeschehen und Spielort besteht.

Gerade bei den besonders ungewöhnlichen Orten gilt es mitunter, die Bedenken der jeweiligen Hausherren im Vorfeld zu zerstreuen und die technische Machbarkeit des Projektes zu prüfen, wenn beispielsweise solche ausgefallenen Schauplätze wieder Hof des alten Polizeigefängnisses, dieKesselhalle des Heizkraftwerks West oder ein Container-Terminal am Osthafen in Erwägung gezogen werden.

Zum besonderen Charme der Kinowoche gehört zudem der Verzicht auf den üblichen Komfort eines klassischen Kinobesuches. Statt im bequemen Kinosessel muss man schon mal auf dem Boden (Brunswick Bowling) oder auf Holzbänken Platz nehmen, nicht immer ist die Akustik wie gewohnt und mitunter von Nebengeräuschen begleitet, wenn beispielsweise der "Kinoabend" im Hauptbahnhof erfolgt. Gelegentlich muss aus Sicherheitsgründen selbst auf den Genuss von Speisen und Getränken verzichtet werden, wie beim zweimaligen Gastspiel auf dem Dach des Trianon-Hochhauses, wo sich selbst Getränkedosen – durch den heftigen Wind von der Dachterrasse im 45. Stock geweht – als tödliche Wurfgeschosse entpuppen würden.

Um einen ungewöhnlichen Ort in ein Kino für einen Abend zu verwandeln, scheuen die Organisatoren der Kinowoche bisweilen weder Kosten noch Mühen: So fand sich das Kinowochenteam 1997 auf dem Dach des Trianon-Hochhauses auf einem Fensterputzer-Gerüst in schwindelnder Höhe wieder, um die Fugen und Ritzen zwischen den Betonplatten der Wand, die als Projektionsfläche für "Hudsucker, der grosse Sprung" dienen sollte, mit Klebeband abzudecken. Denn aufgrund der hohen Windstärke war das Aufstellen einer Leinwand nicht möglich. Für das Gastspiel auf dem Frachtkahn ‚Friedrich Götz’ hingegen, in dessen extra für diesen Anlass von Sand und Kies gereinigtem Frachtraum 1998 an die 600 Zuschauer Kirk Douglas als "Der rote Korsar" bewundern konnten, musste ein Gerüstbauer herangezogen werden, um überhaupt den Einstieg in den Frachtraum zu ermöglichen.

Zu den weiteren Highlights der vergangenen Jahre gehörten Woody Allens "Manhatten" auf dem Oberdeck des Parkhauses Börse (1995),, "Der dritte Mann" in der Historischen Kläranlage Niederrad (1998),Fassbinders "Der Händler der vier Jahreszeiten" in der Großmarkthalle (2001), sowie - neben zahlreichen weiteren Beispielen – „Das Boot“ im Kühlkeller der Familienkelterei Possmann (2005).

Dass sich der Aufwand Jahr für Jahr lohnt, davon zeugen unter anderem ein stetig wachsendes Stammpublikum, der alljährliche Ansturm auf die Karten zu Beginn des Vorverkaufs – 2008 waren die Tickets für "" im 31. Stockwerk der Dresdner Bank innerhalb weniger Stunden ausverkauft – sowie die ungebrochen große Resonanz bei den Medien. Auch die Tatsache, dass die Frankfurter Kinowoche regelmäßig mit Fördergeldern von der Hessischen Filmförderung bedacht wird und seit einigen Jahren eine erfolgreiche Kooperation mit der Frankfurter Nahverkehrsgesellschaft traffiQ sowie dem lokalen Wasser- und Energieversorger Mainova unterhält, ist ein Zeichen dafür, dass sich die in dieser Form einmalige Veranstaltungsreihe auch in ihrem 15. Jahr bewährt und ein kaum noch wegzudenkender Bestandteil des Frankfurter Kulturkalenders ist.

*Johanna Ruhl ist Koordinatorin der Frankfurter Kinowoche

Kategorie: Gastbeitrag (ehemals Selbstdarstellungen von institutioneneigenen Mitarbeitern / ab GRIP 63)

Schlagworte: Festival, Filmkultur, Institution

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