GRIP 40

5/1/2009

Quicklebendig - Filmhaus Frankfurt

Im Dezember jährt sich die Gründungsversammlung des Vereins Filmhaus Frankfurt zum zwanzigsten Mal. Eine vorausschauende Nachbetrachtung

Von Ralph Förg

Die große Frage, die sich stellt, wenn man von der hiesigen Filmlandschaft spricht: Wie können Filmschaffende aus Frankfurt, aus der Region, aus Hessen ihre jeweilig einzigartigen Werke denken, finanzieren, drehen, montieren, vertreiben, zeigen? Welche Chance hat ein Film heimischer Produktion sich durchzuseten, zu bestehen? Die Wirklichkeit der Filmproduktion unter den speziellen Bedingungen in Hessen sah und sieht angesichts der schieren Masse, angesichts auch der zum Teil sehr hochwertigen gezeigten Filmqualitäten des internationalen Bilderstroms, nicht einfach aus. Die Propheten haben es schwerer denn je im eigenen Lande.

Um auf derlei Fragen Antworten zu finden, war die Idee des Filmhauses. Vor fast zwanzig Jahren wurde die Einrichtung von einer Gruppe enthusiastischer Filmemacher gegründet, um Unterstützung zu bieten und zu erhalten, den großen, wichtigen Kinofilm zu erfinden, zu produzieren und auf die Leinwand zu bringen. Ob Autoren, Regisseure, Kameraleute, Cutter, Produzenten – sie alle traten an, um auf jede erdenkliche Weise die Filmproduktion hierorts zu verbessern. Oder gar erst zu ermöglichen.

Da war es zwar schmerzlich, dass die von allen ins Auge gefasste Produktionsstätte, die man sich erwünscht hätte, die Bosch-Fabrik, angesichts mangelnder Fördermittel, nicht eingerichtet werden konnte. Trotzdem nahm man als über hundert Köpfe zählender Verein die Arbeit auf. Organisierte Fachtreffen. Rief Seminare und Workshops ins Leben. Beschaffte eine minimale technische Ausstattung, die für günstige Drehs und Ausbildungszwecke zur Verfügung stand. Brachte sich ein in den Ausbau einer verbesserten Filmförderung des Landes. Man schuf sich ein eigenes Publikationsorgan, das sich im Lauf der Jahre zur Chronik hessischen Filmschaffens entwickelte – davon kündet die hier vorliegende nunmehr vierzigste Ausgabe der GRIP.

Es begegnet uns zu oft, dass von der Stadt Frankfurt als filmkultureller Diaspora geredet wird. Diese Meinung kann den schieren Tatsachen jedoch kaum standhalten. Das hat unsere beschauliche, mittelgroße, internationale und kunstsinnige Stadt wahrlich nicht verdient. Wer Filmkultur und Filmkunst erleben will, findet in Frankfurt ein sehr reichhaltiges Angebot, im Mainstream und Arthouse-Film ebenso wie in Darbietungen des filmkulturellen Erbes wie der Filmkultur anderer Länder und Kontinente. Dafür sorgen vor allem die beiden Kommunalen Kinos, im Deutschen Filmmuseum und im Filmforum Höchst, sympathische Programmkinos wie das Orfeo`s Erben, das Filmtheater Valentin und das Mal Seh`n Kino; aber auch Stadtteilkinos in Sachsenhausen und Bornheim.

Selbst der in Frankfurt führende Kinobetreiber, die CineStar-Kette mit dem Metropolis als Flaggschiff, bietet ein fremdsprachliches, vielerlei gefächertes, diversifiziertes Programm. Dann: die Filmreihen und Festivals, die sich in diesen Kinos und weiteren Spielorten – Museen, Galerien, Theatern, Plätze, Parks – übers Jahr entfalten sind Legion. So dass selbst die Eingeweihten, die Liebhaber, Cineasten und Freaks nur mehr einen Teil dieses Angebots erfassen und wahrnehmen können. Dafür kann man die Stadt - und dann vor allem die hier wirkenden hochkompetenten Programmmacher der Kinos und Festivals – nur loben, loben, und nochmal loben.

Und wer wollte bestreiten, daß die Filmkunst und das Filmgeschäft in den beiden letzten Dekaden einem rasanten Wandel unterworfen waren. Die Digitalisierung hat es zwar auf ihrem Siegeszug bis heute nicht geschafft, den Film – und seine Kopie - im Kino auf der großen Leinwand zu ersetzen. Doch hat neben der Veränderung der Kino- und Produktionslandschaft die Mediatisierung die Gesellschaft und der Wirtschaft grundlegend verändert; man denke dabei neben der neuen TV-Wirklichkeit nur an das Internet, an bildnutzende Telekommunikation und den jüngsten Erfolgszweig der digitalen Spieleindustrie. Vielerorts wurde dem durch die Einrichtung neuer Ausbildungsgänge, durch neue Filmhochschulen, Hochschulen, Fachhochschulen Rechnung getragen, so auch in Hessen, wenngleich später als andernorts. Das Filmschaffen – zumal und speziell in Hessen – wurde zumindest ausbildungstechnisch ins allgemeine Medienschaffen integriert.

Das Medienschaffen aber zielt, zumindest in seiner Breite, tendenziell auf wirtschaftlichen Erfolg; das Kunststück für die Filmemacher heute besteht aber darin, die künstlerische Ambition und die kommunikative Wirkung eines Films, seine gesellschaftliche Ausstrahlung und Gestaltungskraft nicht aus den Augen zu verlieren. Effekte schaffen noch keinen Sinn. Technische Möglichkeiten keine Orientierung. Neue Verbreitungs- und Präsentationswege keine Kunst.

Auch angesichts dieser geschilderten rasanten Entwicklungen wird der Traum von großem Kino noch weiter geträumt – natürlich auch in Frankfurt. Die neue Wirklichkeit jedoch hat die Perspektiven von Filmemachern gravierend verändert, die junger, hoffnungsvoll antretender Leute zumal. Diesem Wandel mußte und wollte sich auch das Filmhaus anpassen, den Veränderungen der Zeit Tribut zollen. So ist das Filmhaus zum einen umgezogen in ein neues Domizil in der Ostendstraße, das, eingebunden in das Ensemble einer Hausgemeinschaft mit dem Medienzentrum, der Medienwerkstattinitiative, dem Film- und Kinobüro Hessen und dem Bundesverband Jugend und Film, ein Netzwerk bildet mit andern Einrichtungen des Film- und Mediensektors.

Und zum anderen geht das Filmhaus als Verein nach wie vor seinen mittlerweile klassischen Aufgaben nach: er organisiert Seminare und Fachveranstaltungen, leistet technische Unterstützung, fungiert als Kommunikator und beratende Instanz in den Lebens- und Arbeitslagen, die der Filmemacher vorfindet. Filmhaus-Leute beteiligen sich an der Ausrichtung von Festivals, das Filmhaus selbst bietet am neuen Ort Räume für Drehbuchgruppen, Ausrichter von Festivals und Filmreihen und natürlich auch den ein oder anderen Dreh und Schnitt. Kooperation ist, auf dem schwierigen Pflaster Frankfurts ganz speziell, unumgänglich; Netzwerken, sei es mit Schulen, Hochschulen, Ämtern, Behörden oder neuen Initiativen alltäglich.

Der noch immer oder schon wieder mehr als hundert Köpfe zählende Verein aus alten wie neuen Kreativschaffenden und Unternehmen namens Filmhaus Frankfurt e.V. zeigt sich anno 2009 quicklebendig. Ehrenamtliche Helfer reichlich, Unterstützung aus Szene und Branche herzlich, zwei Festangestellte, zwei Honorarkräfte, zu viel Arbeit. In perfektem Unterstatement einer ureigenen Alt-Frankfurter Kategorie ließe sich sagen: schon nicht schlecht. Aber was fehlt? Mehr gute Filme!

Kategorie: Hintergrundbericht (GRIP FORUM)

Schlagworte: Filmhaus Frankfurt, Filmproduktion, Ausbildung/Weiterbildung/Studium, Filmkultur, Institution

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