GRIP 40

5/1/2009

Eine vielfältige Szene

Ein Überblick über Filmhäuser und Filmwerkstätten in Deutschland

Von Reinhard Kleber

Gerade erst hat Kulturstaatsminister Bernd Neumann das neugebaute Filmhaus in Wiesbaden als neue Heimat für das deutsche Filmerbe eröffnet. In dem 7,5 Millionen Euro teuren Neubau in der hessischen Landeshauptstadt ist nicht nur die Murnau-Stiftung mit ihrem Archiv eingezogen, das 6.000 Filme umfasst. Auch andere Film-Einrichtungen wie der Dachverband der Filmwirtschaft (SPIO) und die Freiwillige Selbstkontrolle Film (FSK) sowie das ZDF-Landesstudio Hessen sind dort untergebracht. Kein Wunder, wenn die hessische Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann betonte, das Filmhaus sei ein “wichtiges Signal für die Filmpolitik in Hessen”.

Doch was ist eigentlich ein Filmhaus? Der Begriff ist nicht geschützt und kann viele Bedeutungen haben. Filmhäuser wie in Wiesbaden gibt es auch in Berlin und Stuttgart. Das Filmhaus an der Potsdamer Straße in Berlin beherbergt unter anderem die Deutsche Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen, das Arsenal Kino, die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin, Arbeitsbereiche der Berlinale und so weiter. Im Filmhaus Stuttgart haben sich viele Unternehmen und Institutionen aus dem Filmbereich wie das Kommunale Kino, das Filmbüro Baden-Württemberg und der Filmkulturverein “Wand 5” angesiedelt, es versteht sich als “Veranstaltungsort und Kontaktbörse”.

Filmhaus - hinter diesem Stichwort können sich auch kommerzielle Unternehmen verbergen. So die Filmhaus Wiesbaden FHW Group, ein Filmverlag mit Schwerpunkt auf dem Special-Interest-Sektor. Oder das Filmhaus Wien, eine Produktionsfirma, die neben Spielfilmen (“Before Sunrise”) auch Werbespots und Industriefilme herstellt. Oder auch das Deutsche Filmhaus, eine private Website, die Fotos von Künstlern ins Netz stellt. Erste Filmhäuser wurden übrigens schon kurz nach Erfindung des Mediums Film eingerichtet, meistens als Gastlokale mit Leinwand, aber noch nicht als ständiges Kino.

Filmhäuser im engeren Sinn lassen sich definieren als Einrichtungen, die sich der Förderung der Kunstform Film und der regionalen Filmkultur sowie der Weiterbildung von Filmschaffenden widmen. Sie dienen als Treffpunkte für professionelle und semiprofessionelle Filmemacher und verfügen oft über ein angeschlossenes Kino. Sie finanzieren sich in erster Linie aus öffentlichen Fördergeldern, Spenden, Mitgliedsbeiträgen und Gebühren für Bildungsmaßnahmen.

Derartige Filmhäuser gibt es außer in Frankfurt am Main beispielsweise in Köln und Bielefeld sowie in Münster und Düsseldorf, wo sie sich Filmwerkstätten nennen. Diese vier ‚Filmhäuser‘ in Nordrhein-Westfalen haben ihre Interessen schon vor 15 Jahren in der AG Filmwerkstätten und Filmhäuser in NRW gebündelt, haben sich aber vor einiger Zeit mit den größeren Filmfestivals des Landes, dem Filmbüro NW und der Dokfilminitiative zum “Netzwerk NRW-Filmkultur” zusammengeschlossen.

Zu den Gründungsmitgliedern beider Initiativen gehört das Filmhaus Bielefeld, das 1982 von unabhängigen Film- und Videomachern der Region gegründet wurde und vom Verein zur Förderung der Film- und Medienkultur in Ostwestfalen-Lippe getragen wird. Der Verein hat rund 190 Mitglieder, die die Geräte und Einrichtungen des Filmhauses zur Produktion nutzen können. Die Mitgliedschaft kostet sechs Euro im Monat. Mitglieder können nur natürliche Personen werden. Die Geschäftsstelle unterrichtet die Mitglieder über Aktivitäten und Termine mit einem monatlichen Newsletter und betreut die Website, die 2008 von 26.500 Interessenten besucht wurde.

Seit 1985 betreibt das Filmhaus Bielefeld ein hauseigenes Kino, das “Lichtwerk im Ravensburger Park” mit drei Sälen, das auch die Filme der örtlichen Filmschaffenden zeigt. Dort wird jährlich ein Kinderfilmfest organisiert, inzwischen bereits zum 20. Mal, in unregelmäßiger Folge zudem ein Experimentalfilm-Festival sowie schwule Filmtage. Als Glanzstück im Angebot darf der Film- und Videowettbewerb gelten, der in diesem Jahr zum 20jährigen Jubiläum einlädt und thematisch gebunden ist. Im vorigen Jahr wurden 51 Filmbeiträge zum Thema “Scham” präsentiert, die aus 80 bundesweiten Einsendungen ausgewählt wurden. Als “schönen Anreiz”, so Vorstandsmitglied Ronald Herzog, finanziert der WDR Preisgelder von insgesamt 1.500 Euro.

Die Filmwerkstatt wird von der Stadt Bielefeld und dem NRW-Kultusministerium finanziert: Das Land erhöhte den Zuschuss 2008 auf fast 32.000 Euro, die Stadt gab einen Betriebskostenzuschuss von rund 43.000 Euro. Dank einer Gewinnausschüttung der Sparkassen PS-Lotterie konnte man 2008 zudem diverse filmtechnischen Geräte anschaffen. Jährlich werden rund 250 Mal Geräte ausgeliehen – mit steigender Tendenz. Insgesamt erziele das Filmhaus einen jährlichen Umsatz zwischen 360.000 und 390.000 Euro, berichtet Herzog.

Das Filmhaus Bielefeld bietet ein vielfältiges Seminarangebot, das laut Rechenschaftsbericht 2008 “recht gut besucht” war. Spitzenreiter in der Nachfrage war ein Regieseminar mit Sven Taddicken (“Emmas Glück”). “Insgesamt haben wir in zurückliegenden Jahr 13 Seminare und acht medienpädagogische Projekte organisiert”, sagt Herzog, eines von drei Vorstandsmitgliedern. Das Filmhaus hat übrigens vier Angestellte, davon zwei ABM-Kräfte.

Im medienpädagogischen Bereich ist vor allem die Kooperation mit BINGO, der Berufsinitiative IngenieurInnen in Ostwestfalen-Lippe, hervorzuheben. Bereits zum fünften Mal konnten im Rahmen des außergewöhnlichen Projekts acht Schülerteams unter Anleitung erfahrener Filmhaus-Videoteamer, die Arbeitsfelder von Ingenieuren in Reportagen oder anderen Erfahrungsberichten per Video vorstellen. Dabei arbeitet die Initiative eng mit Unternehmen aus der Region zusammen, in der der Maschinenbau stark vertreten ist.

Ein wichtiges Standbein des Filmhauses Bielefeld ist das “Mondschein Kino”. Es umfasst zwei mobile, professionell ausgestattete Anlagen, die bundesweit Freiluftfilmvorführungen ermöglicht. 2008 wurden sie bei mehr als 50 Veranstaltungen eingesetzt. Kooperationspartner sind Kulturbüros, Museen, Vereine, Touristenbüros, Firmen, Weiterbildungseinrichtungen und Kinos. Seit 1998 ist das Filmhaus mit dem Mondschein Kino auch beteiligt an der Reihe “Filmschauplätze” der Filmstiftung NRW.

Die Mieteinnahmen aus dem Geräteverleih tragen wesentlich zur wirtschaftlichen Konsolidierung des Vereins bei. Allerdings schwanken die Einnahmen erheblich. So ging der Ertrag 2008 im Vergleich zur Vorsaison etwas zurück: “Es gab weniger Auftritte und diese fielen zum Teil nicht so lukrativ aus.” Für das Filmhaus seien diese Einnahmen aber allein schon deshalb wichtig, weil sie das Auf und Ab in den Zuwendungen des Landes zum Teil ausgleichen könnten, so Herzog.

Ein deutlich breiteres Angebot kann der 1981 gegründete Kölner Filmhaus e. V. bieten, der mehr als 450 Mitglieder umfaßt. Folgerichtig bezeichnet sich das Filmhaus als größte Initiative von Filmemachern und –interessierten in Deutschland. Es fördert den professionellen Umgang mit bewegten Bildern, verleiht Filmgeräte, unterstützt unabhängige Filmproduktionen, organisiert Filmreihen und –festivals und ein vielseitiges Kinoprogramm. Als Besonderheit im umfassenden Seminarprogramm für Profis, Quereinsteiger und Nachwuchskräfte sind die IHK-zertifizierten Weiterbildungen zum Producer und Aufnahmeleiter hervorzuheben.

Das Filmhaus hat 30 Mitarbeiter, davon fast 90 Prozent "feste" Kräfte, wie der geschäftsführende Vorstand, Peter Klas, mitteilt. Das Team kann etwa 2.500 Quadratmeter in einem denkmalgeschützten Gebäude nutzen. In zentraler Lage am Mediapark stehen 20 Verwaltungsräume, 12 Technikräume, drei größere Seminarräume und zwei Kinosäle mit Foyers zur Verfügung. Im zweiten Kinosaal im Keller, der noch ausgebaut werden soll, ist derzeit nur eine digitale Projektion möglich.

Angegliedert ans Filmhaus ist ein Gastronomiebetrieb mit Restaurant und Biergarten. Die Mieteinnahmen daraus dienen zur Finanzierung des filmkulturellen Angebots. “Sie tragen zudem dazu bei, dass wir mit dem Kinoprogramm keine Verluste schreiben”, so Klas. Ohne die ‚gastronomischen‘ Einnahmen liegt der Etat des Filmhauses bei 1,5 Millionen Euro im Jahr. Wie bei den Kollegen in Bielefeld unterstützt auch in Köln das Land NRW den “Produktionsarbeitskreis” finanziell, in dem Mitglieder gemeinsam Filmprojekte planen, diskutieren und herstellen. Weitere Unterstützung erhält das Filmhaus von der Stadt Köln. Anders als in Bielefeld können in Köln auch Firmen Mitglieder im Trägerverein werden.

Nach Angaben von Klas setzt das Filmhaus zwei klare Schwerpunkte: Aus- und Weiterbildung sowie Kinoprogramm und Festivals. “Gerade der erste Bereich ist 2008 massiv gewachsen und umfasst inzwischen sechs Vollzeitlehrgänge und berufsbegleitende Lehrgänge”, sagt Klas. Insgesamt sei die Zahl der Seminare und Workshop binnen Jahresfrist um zehn auf etwa 60 pro Jahr angewachsen, auch dank des “hochwertigen Dozentenstammes”.

Das Kölner Filmhaus befindet sich derzeit auf Expansionskurs: Im Herbst schlägt es eine Brücke zum Großraum Berlin. Im Oktober laufen im Babelsberger Filmhaus, einer neugegründeten Niederlassung, zwei Weiterbildungslehrgänge an. Dabei handelt es sich um den Lehrgang zum Fiction-Producer und zum Produktionsleiter. Mit dem neuen Angebot für Medienprofis reagiere Köln auf die verstärkte Nachfrage aus der Region Berlin-Brandenburg, sagt Klas.

Kategorie: Hintergrundbericht (GRIP FORUM)

Schlagworte: Filmhaus Frankfurt, Kulturförderung, Ausbildung/Weiterbildung/Studium, Filmkultur

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