GRIP 40

5/1/2009

Aller Anfang ist schwer

Jubläumsgrüße an das Filmhaus Frankfurt

Von Martin Loew

Einen Film herzustellen, ist ein sehr komplexes und vielschichtiges Unter­fangen. Es bedarf der Kreativität ebenso wie der Routine, es braucht Sachver­stand in vielen Bereichen, Menschen­kenntnis, Integrationsfähigkeit, manch­mal klare Worte und sicherlich Improvi­sationstalent. Nicht alle diese Fähigkei­ten sind lernbar. Nicht jeder, der in der Filmbranche arbeiten möchte, weiß, welche der zahllosen Tätigkeiten ihm oder ihr am besten entspricht.

Das Seminarprogramm im Filmhaus Frankfurt versucht, verschiedene Bereiche abzudecken: es will ebenso Einsteigern Orientierung geben, wie schon Erfahrenen neue Horizonte aufzeigen. Eine Berufsausbildung kann und will unser Fortbildungsangebot nicht sein. Aber die Seminare und Informationsveranstaltungen haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer festen Größe in der Filmszene Frankfurts, des Rhein-Main-Gebiets und manchmal weit darüber hinaus entwickelt. Das verdanken wir dem Engagement unserer Referenten und der Unterstützung einiger Firmen.

Anlässlich der Jubiläumsausgabe von GRIP haben es sich einige unserer Referenten angelegen sein lassen, uns Grußworte zu schicken – Erinnerungen, Anekdoten, Skurriles oder Ernstes. Allen dafür herzlichen Dank – und unseren Lesern viel Vergnügen.


Drehbuchautoren sind Lügner
Von Gabriel Bornstein

Der Arzt hat eine schlechte Nachricht für seinen Patienten, dem Drehbuchautor. Sie haben nur noch drei Monate zu leben. Schön, sagt der Autor, und wovon bitteschön?

Die Geschichte ist natürlich gelogen. Kein Mensch wird glauben, dass Arzt und Patient tatsächlich so reden. Aber jemand hat sich diese Geschichte ausgedacht, wahrscheinlich ein Autor.

Autoren sind nicht die einzigen, die beruflich Lügen erzählen. Politiker, Finanzmenschen, Diplomaten, Fachleute aus der Werbung und so fort. Alle lügen beruflich, und die Welt lebt damit. Nicht immer glücklich, aber mit einer gewissen Akzeptanz. So wie man mit dem schlechten Wetter oder mit dem bösen Nachbarn lebt.

Für Drehbuchautoren aber sind Lügen etwas anderes. Nur wenn sie falsche Geschichten erzählen, kommen sie bei dem Publikum an. Sie benötigen großes Erfindungsreichtum, je übertriebener, umso besser. Und wenn sie es besonders geschickt machen, werden sie noch von Publikum und Kritik gelobt.

Im Grunde arbeitet der Drehbuchautor wie ein Betrüger. Er denkt sich ein System aus, das dem Leser bzw. Zuschauer als echt erscheint und verführt ihn, daran zu glauben. Dafür sind ihm alle Mittel Recht. Der Autor kennt die Psychologie seines Kunden und füllt seine Erzählung mit einer Unzahl von Dateien und produziert dabei eine vollständige neue Welt. Eine perfekte Täuschung. Ein Unterschied zum Betrüger: In der Regel verdient der Autor weniger. Aber er nimmt auch nicht das zusätzliche Risiko auf sich.

Es gibt aber einen weiteren Unterschied. Die Geschichte mit dem Arzt ist natürlich erfunden. Aber er bringt eine Wahrheit ans Licht und beleuchtet sie mit neuen Aspekten, oft als Unterhaltung. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Aber manchmal ist die Wahrheit versteckt, so dass man sie in ihrer ursprünglichen Form nicht erkennen kann. Durch Transformation in ein anderes Medium kann man sie in einem neuen Licht sehen. Aber die Wahrheit will nicht immer ans Licht kommen. Es ist dann die Aufgabe des Drehbuchautors, sie zu verführen und aus ihrem Versteck herauszulocken, damit alle sie im Tageslicht sehen können.

Die Geschichte mit dem Arzt ist wie gesagt gelogen. Die Wahrheit dahinter erzählt, dass dieser Drehbuchautor nicht gut im Geschäft ist. Hier wird die Geschichte durch Komik erzählt. Der Mann hat Pech, er hat nur noch drei Monate zu leben. Aber aus seiner Perspektive ist es schlimm, weil er nicht weiß, wie er sich in den nächsten drei Monaten ernährt. Das ist die ironische Wendung. Wenn man sie abstrahiert, besagt die Geschichte, dass Drehbuchautor oft ein brotloser Beruf ist.

Geld ist also nicht der naheliegendste Grund, warum Menschen Autoren werden wollen. Sie beschäftigen sich mit Strukturen von Menschen, also auch mit sich selbst und lernen dabei, sich und die Welt besser zu verstehen. Aus meiner Erfahrung macht das Leben so viel mehr Spaß. Und das Geld? Wenn es klappt, hat man sogar beides.


Ort für den Neuanfang
Von Erika Surat Andersen

Das Filmhaus hat mir einen Ort für meinen Neuanfang in Frankfurt gegeben. Ich war gerade von den USA nach Deutschland gezogen und kannte hier keine Seele in der Film-Welt. So öffnete ich das Telefonbuch und schaute bei den Einträgen unter „Film“ nach. Dabei stieß ich auf „Filmhaus Frankfurt“ und rief die Nummer an. Ein Mann meldete sich und ich stellte mich vor: „Ich bin eine Filmemacherin und Professorin für Film aus Los Angeles und gerade hier nach Frankfurt gezogen. Ich kenne niemanden hier, deshalb dachte ich, ich rufe einfach mal an. Der Mann antwortete: „Warum kommst Du nicht auf einen Kaffee rüber ?“ Ein paar Tage später ging ich hin. Es ergab sich, dass der Mann am Telefon der Geschäftsführer des Filmhauses, Ralph Förg, war und aus der Tasse Kaffee eine dreistündige Unterhaltung über Film, das Leben an sich und andere wichtige Dinge wurde. Ich war Ralph Förg unglaublich dankbar dafür, dass er mir das Gefühl vermittelte, hier in Frankfurt willkommen zu sein, und war erleichtert, zu erfahren, dass Frankfurt nicht nur eine Stadt von Bankern und Rechtsanwälten war. Seitdem habe ich verschiedene Seminare im Filmhaus unterrichtet. Die Größe der Gruppen ist im Verhältnis zu den Universitäten, an denen ich vorher in den USA unterrichtete, angenehm klein und die Vielfalt der Teilnehmer ist fantastisch – alle Altersgruppen und viele verschiedene soziale wie berufliche Hintergründe sind vertreten. Es macht mir Spaß, für das Filmhaus Seminare zu geben und Teil einer neuen Film-Community zu sein.
Herzlichen Glückwunsch, Filmhaus, zu Euerm zwanzigjährigen Jubiläum und vielen Dank für all die Unterstützung von Filmemachern in der Rhein-Main-Region.


Nachwuchsförderung
Von Sung Hyung Cho

Etwas finde ich wirklich ganz phantastisch am Filmhaus: wenn man Filme machen will in Hessen, übernimmt das Filmhaus die Funktion, den Nachwuchs zu fördern. Gerade Leute, die von der Schule kommen und noch nicht wissen, was sie in der Medienbranche machen wollen, bekommen vom Filmhaus wertvolle Orientierungshilfe. Man fühlt sich dann nicht ganz so allein. Da Hessen kein großes Filmland ist, ist diese Unterstützung sehr wichtig.


Schöne Veranstaltungen
Von Thomas Schneider-Trumpp

Die Zusammenarbeit in den letzten Jahren hat immer sehr viel Spaß bereitet.
Workshops bedeuten uns und unserer Arbeit mit dem Film-Nachwuchs aber auch den Interessierten sehr viel.
Es kamen ein paar sehr schöne Veranstaltungen dabei heraus. Auf das Filmhaus und vor allem Martin Loew war in der Planung und Auswahl der Themen sehr viel Verlass.
Die Seminare waren stets gut besucht und den Teilnehmern hat es auch immer viel Spaß gemacht.
Ich freue mich auf eine weitere, fruchtbare Zusammenarbeit!
Alles Gute für die nächsten 20 Jahre!


Langjährige Begleitung
Von Jörg Lemmer

Das Filmhaus hat mich in meiner beruflichen Laufbahn begleitet. Als ich noch Schnittassistent war, wirkte ich in den Filmhausseminaren über Kameraführung mit: aus dem gedrehten Material wurde am Ende des Tages eine kleine Filmsequenz geschnitten.
Heute, 12 Jahre später, gebe ich eigene Seminare für digitalen Filmschnitt, im eigenen Schnittstudio in Mainz.
Doch die Anfänge verdanke ich dem Filmhaus Frankfurt.


Folgen eines Drehbuchseminars
Von Nicole Mosleh

Winter 1992 im Filmhaus Frankfurt. Ein Info-Abend, an dem ein Teilnehmer von einem Drehbuchseminar berichtet, das er besucht hat. Unter den Zuhörern fünf blutige Anfänger, die darauf brennen, Drehbücher zu schreiben und nur noch nicht genau wissen, wie. David Ungureit, Annette Ernst, Birgit Lehmann, Sabine von Bebenburg, Reinhard Oswalt und ich beschliessen, uns zusammenzutun und uns alle 14 Tage im Filmhaus zu treffen, um gemeinsam an unseren Geschichten zu feilen: die "script factory" war geboren. Heute machen wir alle Filme und drei von uns unterrichten im Filmhaus. Ob sich anschliessend auch Teilnehmer unserer Kurse zusammentun und Drehbuchgruppen bilden? Ich würd es mir wünschen!

Kategorie: Hintergrundbericht (GRIP FORUM)

Schlagworte: Filmhaus Frankfurt, Institution, Ausbildung/Weiterbildung/Studium

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