GRIP 37

11/1/2007

Zutrauen in den Standort entwickeln

10 Jahre hr-Filmförderung – ein Interview mit der Leiterin der hr-Filmförderung Verena Metze-Mangold

Von Dieter Brockmeyer

GRIP: Frau Metze-Mangold, in diesem Sommer konnten Sie das 10-jährige Bestehen der hr-Filmförderung feiern. Welches Resümee würden Sie ziehen?

Verena Metze-Mangold: Ich meine, die Bilanz kann sich sehen lassen. Der Hessische Rundfunk hat in diesen zehn Jahren 27 Animations- und Experimentalfilme gefördert, 25 Kurzspielfilme, 107 Dokumentarfilme und 29 Spielfilme plus Drehbücher und Produktionsvorbereitungen. Über 50 Prozent der alles in allem 200 geförderten Filme wurden im Fernsehen ausgestrahlt, etliche mit ARD und arte weit über Hessen hinaus. Schon 1999 schrieb der hr stolz: „Der Hessische Filmpreis ging allein in den letzten beiden Jahren sechsmal an hr-geförderte Spiel- und Dokumentarfilme." Mein Resümee wäre also: Was der Gesetzgeber dem Hessischen Rundfunk vor zehn Jahren als Verpflichtung auferlegt und 2001 mit der Novelle des Privatfunkgesetzes noch einmal präzisiert hat, hat der Sender als Chance begriffen, und die Branche hat es als Chance zu nutzen gewußt.

GRIP: Das heißt, der hr betätigt sich als Koproduktionspartner?

Verena Metze-Mangold: Auch. Erinnern Sie sich an den sensationellen Erfolg von „Black Box BRD" von Andres Veiel, Preisträger des Hessischen Filmpreises 2001. Diese große Dokumentation wurde gefördert von Land und hr und entstand in Koproduktion mit dem hr. In der ARD lief sie dann zur besten Sendezeit im Block mit der hr-Produktion „Die innere Sicherheit". Das sind Sternstunden des fernsehens. Black Box war übrigens ein Erfolg im Kino wie im Fernsehen, so viel zur derzeitigen Diskussion.

Insofern legen wir wert darauf, daß in der Jury der hr-Filmförderung im Wechsel immer ein Mitarbeiter der Fernsehspielredaktion beziehungsweise der Feature- und Dokumentarfilmredaktion vertreten ist. Die Neugierde auf die neuen Projekte ist groß. Übrigens auch in den aktuellen Redaktionen, die das laufende Geschehen in der Filmlandschaft inzwischen wieder viel stärker begleiten.

GRIP: Wobei man die Budgetgröße sehen muss, die nicht gerade am oberen Ende anzusiedeln ist. Wie viel investiert der hr im Jahr?

Verena Metze-Mangold: Das ist der gesetzlich festgelegte Mindestförderbetrag von 750.000 Euro. Dieser Betrag ist im Hessischen Privatfunkgesetz festgeschrieben. Filmförderung wurde Mitte der neunziger Jahre als Verwendungszweck der Zwei-Prozent-Mittel erstmals erwähnt, also jenes Anteils der aus Rundfunkgebühren bestrittenen Finanzierung der Landesmedienanstalt, der an den Hessischen Rundfunk für kulturelle Sonderaufgaben zurückfließt. Natürlich könnte der hr von den Zwei-Prozent-Mitteln mehr in die Filmförderung stecken. Das wird der Intendant im Hinblick auf die anderen Engagements des Senders in der Repräsentanz der großen und vielfältigen Kulturlandschaft Hessens aber sehr genau abwägen müssen.

GRIP: Kann die Förderung mit diesem Budget überhaupt so etwas wie Durchschlagskraft entwickeln?

Verena Metze-Mangold: Es kommt sehr darauf an, welche Leute welche Projekte einreichen. Man muss das im Grund systemisch begreifen. In unseren Statuten steht, dass wir zur Aufgabe haben, die hessische Filmkultur und die hessische Filmwirtschaft zu entwickeln. Dahinter steht natürlich die Erwartung, dass die Produzenten und Drehbuchschreiber interessante Projekte bei uns einreichen. Denn nur dann funktioniert das. Und in der Tat können wir unter diesem Aspekt eine außergewöhnliche Leistungsbilanz vorweisen. Nehmen Sie beispielsweise „Full Metal Village": Die Autorin Sung-Hyung Cho war 2006 im Drehbuch Camp, im Kino haben den Film, der nicht nur den Hessischen Filmpreis, sondern auch als Dokumentarfilm den Max-Ophüls-Preis erhalten hat, über 180 000 Menschen gesehen. Aber unsere Liste weist noch viele Festivalerfolge und Preisträger mehr aus, die allesamt in der jetzt erschienen Jubiläumsbroschüre „10 Jahre Hessische Rundfunk Filmförderung" auf‘s Schönste dokumentiert sind. Also: Wir sind sicherlich eine der kleineren Förderungen, aber eine mit einer beachtlichen Leistungsbilanz, wie ich finde.

GRIP: Welche Deckungsbeiträge kann denn ein Produzent von Ihrer Filmförderung de facto erwarten?

Verena Metze-Mangold: Das ist von Genre zu Genre verschieden. Aber auf eines muß ich an der Stelle noch mal hinweisen: Es handelt sich bei beiden kulturellen Fördersystemen – bei der hr- wie bei der Landesförderung - um Zuschüsse und nicht um Darlehen, auch nicht um bedingt rückzahlbare Darlehen. Da sind wir großzügiger als die meisten Fördersysteme in unserer Republik. Dabei variiert die Höhe der Zuschüsse, die der Hessische Rundfunk gewährt, je nach Projekttyp sehr weit zwischen 500 Euro und 100.000 Euro. Davon abgesehen hat der Produzent oder Autor, in unserem doppelten System, noch den Vorteil, dass er sein Projekt zugleich bei zwei Förderungen einreichen kann. Im Bewilligungsfalle bekäme er dann eben von zwei Seiten Förderung. Das kann sich dann durchaus zu einem erklecklichen sechsstelligen Betrag kumulieren.

GRIP: Auf die Förderung welcher Filme in den zehn Jahren sind Sie denn besonders stolz?

Verena Metze-Mangold: Der bereits erwähnte "Blackbox BRD" ist für mich ein absolutes Highlight. Aber auch Filme wie "Full Metal Village" sind schöne Überraschungserfolge desselben Genres mit umwerfender Komik durch einen anderen Blick. Sehr gefallen hat mir zudem „Quest", der den Kurzfilm-Oscar 1997 gewann, oder der eigenwillige Animationsfilm „Fass". Beeindruckt hat mich im übrigen auch das dramaturgische Können von Martin Repkas „Das letzte Mal", seinem ersten Kurzspielfilm. Das sind meines Erachtens alles sehr beachtliche Arbeiten.

GRIP: Wie muss man sich die Aufgabenverteilung zwischen hr Filmförderung und Hessischer Filmförderung vorstellen? Was ist die Aufgabenstellung für die hr-Seite

Verena Metze-Mangold: Nach der Geschäftsordnung, die ganz eindeutig ist, soll sich die hr-Filmförderung, neben der Projektförderung und –begleitung, vor allem um die Öffentlichkeitsarbeit kümmern, also wie jüngst die Herausgabe der Jubiläumsschrift. Damit soll die Präsenz der Hessischen Filmförderung gestärkt werden und man zeigt, was es braucht, um ein sehr verspätetes Filmland zu einem Filmland zu machen. Und ich glaube, wir sind auf diesem Wege schon ein ganzes Stück vorangekommen – allerdings: angekommen sind wir meines Erachtens noch nicht.

GRIP: Das führt mich zu meiner Abschlussfrage: Wie soll, wie muss es weitergehen?

Verena Metze-Mangold: Es hängt viel davon ab, dass wir weiter sehr gute Filmprojekte fördern und begleiten können. Auch wenn wir innerhalb des hr nicht immer koproduzieren, können wir doch zumindest Verbindungen herstellen und auf dem freien Markt Koproduzenten finden. Das passiert zunehmend. Heute kommen Münchner Produzenten mit Projektvorschlägen zu uns und Salzburger Filmproduzenten siedeln sich in Frankfurt an. Übrigens dank auch einer unermüdlichen Location-Arbeit, die inzwischen die Filmförderung ergänzt.

Der zweite Punkt ist, dass wir gegenüber der Politik klarmachen, dass wir auf Dauer eine wirtschaftliche Filmförderung brauchen – mit einer zweiprozentigen Verzinsung, meinetwegen -, eine Förderung aber, die kein reines Bankenprodukt ist, sondern den wirtschaftlichen Fördermodellen anderer Bundesländer entspricht.

Zudem haben wir eine exzellente Hochschullandschaft. Wir merken allmählich, dass sich wieder Zutrauen in diesen Standort entwickelt. Und dass neben wunderbaren Arthouse-Produktionen plötzlich auch Publikumsfilme hier entstehen. Im nächsten Schritt sollte die zergliederte Struktur, wie sie die Standort-Medienförderung hier hat, als eine Kraft gebündelt werden, etwa in Form einer Film- und Medien GmbH, wie sie der Produzentenszene vorschwebt. Dann wäre Hessen anschlussfähig und nicht in Gefahr, auf Bundesebene abgekoppelt zu werden. Hessen könnte endlich auch in „Focus Germany" eine Rolle spielen, die seinem gesamten Fördervolumen angemessen wäre.

Kategorie: Interview

Schlagworte: Filmförderung, TV/Rundfunk, Filmproduktion, Filmpolitik, Wirtschaftsförderung

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