GRIP 37
11/1/2007
Mit Phantasie sichtbar machen
Zum Tod des Produzenten und Gründungsgeschäftsführers der Hessischen Filmförderung Jürgen Karg
Von Eva Heldmann
An meine erste Begegnung mit Jürgen Karg erinnere ich mich wie gestern. Es war im Sommer 1983. Ich hatte das Glück, als "best girl" bei Udo Serkes erstem Spielfilm mitarbeiten zu können: "Mainglück", den Jürgen Karg mit seiner Elefant-Film GmbH produzierte. Es war, wie ich schon bald erfuhr, einer dieser typisch eigenwilligen Filme in der Filmographie Kargs. Und so erlebte ich ihn von Anfang an: als einen Produzenten, der sich mit großem Arbeitseifer für risikoreiche und ungewöhnliche Filmprojekte einsetzt. Er trat als der Mann „im Hintergrund" auf, der die organisatorischen und finanziellen Fäden zieht, um anderen den Rücken frei zu halten; ein Kämpfer, Taktierer, ein Arbeiter.
1977 hatte Jürgen Karg seine Laufbahn als Aufnahme- und Produktionsleiter für Spiel- und Dokumentarfilme begonnen. Fünf Jahre später gründete er zusammen mit Josef Dillinger und Gertrud Pinkus die „Elefant-Film GmbH", unter deren Dach eine ganze Reihe vielbeachteter, preisgekrönter Filme entstand: unter anderem von Gertrud Pinkus 1979 „Das höchste Gut einer Frau ist ihr Schweigen", oder „Nebelland" von Claudia von Alemann (1982). Ein Jahr später die Fernsehserie "Textil" von Bruno Schneider, oder der TV-Spielfim „Nur Fliegen ist schwerer" von Reinhard Kahn (1985).
Jürgen Karg war Filmproduzent mit Leib und Seele – er setzte sich für halsbrecherische, schräge und anspruchsvolle Dokumentar- wie Spielfilme ein, und er kämpfte für die Film- und Kinovielfalt. Dieser Grundübersetzung blieb er auch im Innersten treu, als er Ende 1985 die Geschäftsführung der neu entstandenen Hessischen Filmförderung übernahm.
Auf 100.000 Mark belief sich damals der Förderetat – nicht eben viel. Aber der Start war gemacht. Mehr ein Provisorium - in allem, was dazu gehörte: in provisorischen Büroräumen, mit provisorischem Gehalt, unter provisorischen Förderrichtlinien. Die Bedingungen, in denen sich der neue Geschäftsführer zurechtfinden musste, waren äußerst kompliziert, aber Karg trieb ein gehöriger Optimismus um, wenn er gelassen konstatierte „Aller Anfang ist schwer".
Die ersten Erfolge stellen sich ein; der Etat wurde 1987 auf 1,3 Millionen Mark erhöht. Und obwohl er damals der Auffassung war, daß dieser Beitrag im Verhältnis zu den anderen kulturellen Filmförderungen - gerade auch im Hinblick auf die Breite des Förderteppichs - eher gering war, so galt es für ihn doch weiterhin die Chance zu nutzen, die "Vielfalt des Filmschaffens in Hessen mit Phantasie sichtbar zu machen", wie Jürgen Karg in einem Interview sagte.
Die Ziele wurden von ihm und seinen Nachfolgern mit großem Arbeitseinsatz und Verhandlungsgeschick erreicht und weiter entwickelt. Heute sind uns Kinobüro, Filmhaus Frankfurt, die Hessische Rundfunkfilmförderung, die Zusammenarbeit mit den Filmhochschulen und die neuen Richtlinien eine Selbstverständlichkeit. Jürgen Karg erinnert daran, dass sie einmal erkämpft werden mussten.
In der ‚Halbzeit’ seiner Geschäftsführung 1990 konnte er auf eine ganz beachtliche Zwischenbilanz zurückblicken. Aber war das Anlass zur Freude, zum Feiern? Oder doch Anlass zum nachdenklichen Rückblick? Jürgen Karg war auch immer ein Zweifler, der seine Arbeit kritisch betrachtete. Nie war es genug, nie war er zufrieden mit dem, was er machte. So blieben Konflikte und Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand des Filmbüro Hessens in der Zusammenarbeit nicht aus.
Nach 10 Jahren verließ Jürgen Karg die Hessische Filmförderung. Er kehrte zu den Anfängen seiner Filmarbeit zurück und unterrichtete ab 1995 in der Filmakademie Baden-Württemberg Filmgeschäftsführung und Produktionsleitung. Bis 2003 übernahm er bei vielen Projekten die Herstellungsleitung, die im Rahmen der Filmakademie entstanden. Am 29 August 2007 ist Jürgen Karg nach schwerer Krankheit im Alter von 63 Jahren in Stuttgart gestorben.
Kategorie: Nachruf
Schlagworte: Filmförderung, Filmproduktion, Institution
