GRIP 37

11/1/2007

Für uns war die Entscheidung richtig

Im Rahmen des Pilotprojektes "Delicatessen" ist das Filmforum Höchst bereits seit zwei Jahren mit digitaler Technik ausgestattet. Welche Erfahrungen hat man dort gemacht?

Von Mit Kinoleiter Klaus-Peter Roth sprach Martin Loew

GRIP: Wie sah das Investitionsvolumen für die Installation der Digitaltechnik aus?

Klaus-Peter Roth: Dadurch daß es sich bei "Delicatessen" um ein EU-gefördertes Projekt handelte, unter Federführung des Berliner Salzgeber-Verleihs, waren die Kosten nicht so hoch. Sie lagen im unteren 5-stelligen Bereich. Gestellt wurde die Technik dabei über den Verleih; einen Teil der Kosten entrichten wir nun über die anfallende Mindestgarantie als Abzahlung, den Rest über drei Ratenzahlungen jeweils zum Jahresbeginn.

GRIP: Wie hat das Filmforum die Kosten gestemmt?

Klaus-Peter Roth: Durch die Verteilung auf längere Zeit war das möglich. Außerdem war das Projekt durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst bezuschußt. Aber ohne das EU-Programm hätten wir uns das nicht leisten können.

GRIP: Wie wirkt sich Delicatessen auf die Programmgestaltung des Kinos aus? Welche Filme hätten ansonsten nicht gespielt werden können?

Klaus-Peter Roth: Nun, wir haben durch die neue Projektionstechnik eine deutlich größe Programmflexibilität. Wir können Filme zum einen früher spielen, weil die Begrenzung über die Kopienzahl entfällt. Außerdem können wir uns an den digitalen Festivals wie „Ausnahmezustand" oder „Überarbeiten" beteiligen. Und natürlich ist durch den Kinobeamer die Möglichkeit gegeben, auch mehr Titel für unsere eigenen Festivals, wie beispielsweise „Cuba im Film". zu bekommen. Andererseits unterliegen wir auch einigen Vorgaben: zum Beispiel müssen wir mindestens zwei Filme pro Monat vom Verleih Salzgeber abnehmen; aber die passen fast immer zu unseren Programmvorstellungen.

GRIP: Wie nimmt das Publikum das Programm an? Nimmt das Publikum die digitale Projektion anders wahr, als die analoge Projektion?

Klaus-Peter Roth: Das Publikum entscheidet nach Inhalten und nimmt, wenn es keine Probleme gibt, die digitale Projektion meines Erachtens nicht wahr.

GRIP: Salzgeber wollte bundesweite Werbung für die digitale Programm-Reihe machen - hat das funktioniert?

Klaus-Peter Roth: Bei einigen Filmen hat es sehr gut geklappt, da gab es eine große Presseresonanz; im Moment werden allerdings auch etliche Repertoiretitel angeboten, da bewegt sich in punkto Presse natürlich nichts.

GRIP: Muß ein Kino für die digitale Nutzung mit irgendwelchen Zusatzkosten rechnen – wie etwa Nutzungsgebühren?

Klaus-Peter Roth: Nein; bislang jedenfalls nicht.

GRIP: Würde das Filmforum heute die gleiche Entscheidung zur Teilnahme am Programm noch einmal treffen?

Klaus-Peter Roth: Ja. Und ich kann anderen nur empfehlen, sich dem Projekt anzuschließen. Derzeit sind, glaube ich, bundesweit 50 Kinos angeschlossen.

GRIP: Wo liegen aus Ihrer Sicht die wirklich greifbaren Vorteile für die Kinos, wenn sie sich für die Digitalisierung entscheiden?

Klaus-Peter Roth: Nun, natürlich sind die Verleiher primär die Nutznießer der Ditgitaltechnik; durch den Wegfall der teuren Filmkopien haben sie stattliche Kosteneinsparungen. Für die Kinos liegen die Vorteile, wie schon gesagt, eher in der Programmflexibilität. Wir kommen schneller an neu gestartete Filme heran. Einen Dokumentarfilm wie „Invisible" von Andreas Voigt zum Beispiel kann man dann in 50 Kinos gleichzeitig aufführen. Soviel herkömmliche Kopien könnte der Verleih nie zur Verfügung stellen. Das nützt den Kinos, dem Verleih – aber im Übrigen auch den Filmemachern.

Kategorie: Interview

Schlagworte: Kino, Filmtechnik, Verleih, Kulturförderung

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