GRIP 37

11/1/2007

Filmemacher mit galligem Humor

Porträt des Autors, Schauspielers und Regisseurs Carsten Strauch

Von Claudia Prinz

Fast schien es so, als wollte Regisseur Carsten Strauch seiner Heimat den Rücken kehren. Ausgerechnet Carsten Strauch, einer der profiliertesten und kreativsten Filmemacher der Region, der in Offenbach geboren und aufgewachsen ist, dort an der Hochschule für Gestaltung (HfG) studiert hat und hier auch seine ersten, mit trockenem Humor gezeichneten, viel umjubelten Kurzfilme hergestellt hat.

Für seinen ersten abendfüllenden Spielfilm „Die Aufschneider", der im Frühjahr in die Kinos kam, war er aber für lange Zeit in Berlin. Ein Großteil der Postproduktion fand in Berlin statt, und dort zu leben war auch für Carsten Strauch, wie für viele andere Filmemacher, durchaus eine Verlockung. Aber er kam zurück; auch weil er in Frankfurt sein Netzwerk hat und hier auch seine bewährten Co-Autoren, Nina Werth und Rainer Ewerrien, leben. "Für mich als Autorenfilmer nimmt das Drehbuchschreiben die meiste Zeit in Anspruch. Dafür spielt es keine Rolle, wo man lebt" so Strauch. Und als Vorteil empfinde er zudem die hiesige Filmförderung: "Es gibt nicht so viele Filmschaffende in Hessen, das erhöht die Förderchancen."

Auch das Studium an der HfG, an der er zwischen 1992 und 2000 Visuelle Kommunikation studiert hat (seit 1994 bei Helmut Herbst), hat er in bester Erinnerung. "Das Studium war wenig reglementiert, jeder hatte die Möglichkeit, herauszufinden, wohin er sich bewegen wollte." Man habe eigentlich alles ausprobieren können, lobt Strauch die HfG-Erfahrungen.

So entsteht 1996 sein erster Trickfilm, „Futter", für den er den Deutschen Kurzfilmpreis in Gold sowie zahlreiche andere Auszeichnungen erhält und der bereits sein Talent für leicht angeschwärzten Humor offenbart. In die gleiche Richtung geht der 1999 entstandene Kurzspielfilm „Nachbarn", den die FAZ eine „hintergründige Blutsauger-Story" nennt: Und jede Menge Auszeichnungen regnet es auch für die 11-minütige Ärzte-Parodie „Das Taschenorgan", in der der Regisseur – Strauch hat inzwischen auch Schauspielunterricht genommen – gleich noch die Hauptrolle spielt. Im Team mit Rainer Ewerrien tritt er als kauziges, verschrobenes Ärzte-Duo auf.

An dieses Muster hat er nun mit seinem ersten Langfilm, einer Ärztekomödie, angeknüpft, wobei ihm der Sprung vom kurzen ins lange Format viel weniger schwer gefallen sei, als zunächst vermutet: „Es war kein so großer Unterschied, wie ich dachte. Unterschiede stellten sich eher in Bereichen ein, von denen ich es am wenigsten erwartet hätte."

Viel länger habe allerdings die Arbeit am Drehbuch gedauert, da es sehr viel komplexer gewesen sei, einen langen Stoff zu entwickeln. "Vor allem war es nicht so leicht" erläutert der Regisseur, "den Humor aus den Kurzfilmen auf 90 Minuten zu übertragen; denn unser Humor ist sehr lakonisch. Oft hängt er gerade mit den passiven Figuren zusammen. Wir mussten sehr aufpassen, den Spannungsbogen wirklich durchgängig aufrechtzuerhalten."

Den Dreh selbst empfand Strauch als sehr angenehm und weit weniger schwierig als befürchtet. Letztlich sei es nicht viel anders gewesen als beim Kurzfilm - nur eben ein paar Wochen länger. "Natürlich war es sehr anstrengend, aber im Großen und Ganzen hat alles ohne nennenswerte Katastrophen funktioniert."

In punkto Finanzierung konnte Strauch auf eine bemerkenswert breite Unterstützung setzen. Die Gremien waren von dem Filmsujet offensichtlich derart angetan, dass jede erdenkliche Filmförderung in das Projekt einstieg: die Hessische Filmförderung, auch Hessen Invest Film, das Medienboard Berlin-Brandenburg, die FFA und die Mitteldeutsche Medienförderung, das BMI und das Kuratorium Junger Deutscher Film, Media Plus, der Verleih 3L und zum Schluss stieg sogar MTV Films Europe mit Sitz in London ein.

Mit Hilfe des ins Englische übersetzten Drehbuchs hatte man tatsächlich geschafft, die zunächst skeptischen Engländer für deutschen Humor zu begeistern. So steuerte MTV Films Europe die letzten Gelder bei. Es war das erste deutsche Filmprojekt, das MTV Films Europe von Anfang an mitfinanzierte.

Das dicke Ende kam dann allerdings nach Fertigstellung des Films – und das bittererweise mit doppelter Wucht. Während die ersten Publikumsreaktionen nach den Previews noch sehr positiv waren, fiel der Film, der mit 180 Kopien gestartet worden war, in den Kinos völlig durch. Einiges lief zunächst beim Marketing gehörig schief, wenn etwa versäumt wurde, rechtzeitig die Plakatflächen für die Werbung zu buchen.

Dann passierten Pannen, wie die krankheitsbedingte Absage der Hauptdarstellerin Shiva Hagen in der Harald Schmidt-Show einen Tag vor dem Termin. Auch andere Fernsehtermine und Berichte in Print-Magazinen fielen aus unterschiedlichen Gründen aus. So war die Filmsatire beim Start in der Öffentlichkeit kaum präsent. Obwohl die Besucherzahlen anfangs gar nicht so schlecht waren, verschwanden „Die Aufschneider" relativ schnell wieder aus den Kinos. Mit 60.000 Besuchern lag das Einspielergebnis schließlich deutlich hinter den Erwartungen.

Dem guten Ruf von Carsten Strauch hat das aber nicht geschadet; denn insgesamt war die Resonanz so positiv, dass die Produktionsfirma Razor-Film bereits ein neues Projekt plant, diesmal fürs Fernsehen. Eine Comedy-Serie – mit dem bewährten Duo Carsten Strauch und Rainer Ewerrien als Ärzteteam. Zwar soll die Serie nicht direkt auf den „Aufschneidern" basieren, aber in die Richtung werde es wohl schon gehen.

Für die HfG ist Carsten Strauch allemal ein Renommierstudent. Teile der „Aufschneider-Filmausstattung" hingen kürzlich im Frankfurter Museum für angewandte Kunst, das der Offenbacher Hochschule anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens eine Ausstellung widmete. Und wer möchte, kann die "Aufschneider" demnächst per DVD begutachten. Und sehr zu empfehlen, das sei am Schluss noch erwähnt: die Homepage von Carsten Strauch - mit dem wunderbaren Spiel "Das Taschenorgan".

 

Filmogafie

Die Aufschneider
(Autor, Regisseur), Spielfilm, 35 mm Farbe, 90 Min., D 2006

Janek
(Produzent), Kurzspielfilm, 35 mm Farbe, 15 Min., Regie: Piotr J. Lewandowski, D 2006

Familienrevier
(Autor, Regisseur), Kurzspielfilm, Beta SP Farbe, 10 Min., D 2001

Das Taschenorgan
(Autor, Regisseur, Produzent), Kurzspielfilm, 35 mm Farbe, 11 Min., D 2000
Auszeichnungen: u.a. Deutscher Kurzfilmpreis 2001 (Nominierung), 1.Platz Kinofest Lünen 2000 (ProCine Publikumspreis) und Förderpreis der FFA; Prädikat "wertvoll"

Demokratie
(Autor, Zeichner, Co-Regisseur, Produzent), Trickfilm, 35 mm Farbe, 3,5 Min., D 2000

Nachbarn
(Autor, Regisseur, Produzent), Kurzspielfilm, 35 mm Farbe, 15 Min. D 1999 - Prädikat "besonders wertvoll"

Unter Druck
(Autor, Regisseur, Produzent), Kurzspielfilm, 35 mm Farbe, 7 Min., D 1997

Futter
(Autor, Zeichner, Regisseur, Produzent), Trickfilm, 35 mm Farbe, 4,5 Min., D 1996
Auszeichnungen: u.a. Deutscher Kurzfilmpreis 1997 Filmband in Gold, Friedrich-Wilhelm-Murnau Kurzfilmpreis 1996, 1. Platz der Jugendjury und 2. Platz für Animationsfilm im Intern. Wettbewerb Filmfest Dresden 1997, Kinderfilmpreis der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 1997, Prädikat "besonders wertvoll"

Coming Out 
(Autor, Regisseur, Produzent), Kurzspielfilm, 16 mm Farbe, 12,5 Min., D 1996
Auszeichnungen: u.a. 1. Platz Filmfest Heidelberg 1997, Publikumspreis Filmfestival Münster 1997

Kategorie: Personenportrait (GRIP FACE)

Schlagworte: Filmemacher*in, Spielfilm, Kurzfilm, Filmförderung

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