GRIP 37

11/1/2007

Ein Wintermärchen wird wahr

"Projekt Gold – Eine deutsche Handball-WM". Ein filmisches Tagebuch, das alle überrascht.

Von Nora Hong und Martin Loew

Es ist ein bewährtes Schema, das im Kino immer wieder gleich fasziniert: der Underdog, der sich gegen alle Widerstände durchbeißt und am Ende als Gewinner dasteht. Und um so spannender, wenn sich Produktion und Inhalt eines Filmes in so vielen Punkten gleichen, wie bei der Handball-Doku "Projekt Gold", die derzeit die Leinwände erobert. Hier die Deutsche Handball-Nationalmannschaft, der bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land höchstens Außenseiterchancen eingeräumt werden; dort Filmproduzent Stephan Limbach, selbst lange Jahre Handballer, mit einem ausgereiften Konzept für einen abendfüllenden Dokumentarfilm über dieses Team, das von allen Filmförderungen ablehnend beschieden wird.

Die Idee eine Handball-Dokumentation zu realisieren, kam Limbach im Januar 2002 bei der Europa-Meisterschaft in Schweden. Er ist hingerissen von der spektakulären Kulisse in der schneeweißen, kugelrunden Arena in Stockholm, wo Deutschland im Finale den Gastgebern unterliegt. Bei der Europameisterschaft 2006 in der Schweiz trifft der Produzent einige Spieler des deutschen Teams und hat das Konzept für den Film fertig. Die im darauf folgenden Jahr stattfindende Handballweltmeisterschaft soll in Form eines Dokumentarfilms festgehalten werden.

Insgesamt sechs Mal reicht Limbach das Projekt bei Filmförderungen ein und genau sechs Mal wird es von den Jurys, wegen nicht vorhandenen Interesses abgelehnt. Gleiches Resultat auch bei den Filmverleihern, die für viele Förderungen mit im Boot sein müssen. Auch die Fernsehsender winken ab. Handball, die Außenseitersportart, kann es mit Fußball nicht aufnehmen. An ein zweites deutsches Sommermärchen mag niemand glauben – außer Limbach. Und als die ersten Spiele im Januar 2007 näher rücken, entschließt sich auch Limbach zu spielen. Zwei Drittel des Produktionsetats von 400.000 Euro treibt er über private Kredite auf, ein weiteres Drittel wird durch Rückstellungsverträge vom Drehteam geschultert. Dann kann es mit Winfried Oelsner als Regisseur losgehen.

Mit zwei Siegen gegen Brasilien und Argentinien sowie einer Niederlage gegen Polen spielt sich das deutsche Team ins Viertelfinale, siegt dort gegen Spanien und trifft im Halbfinale auf Frankreich. Das Team kämpft auch stärkere Mannschaften nieder, bildet eine verschworene, willensstarke Einheit. Bereits jetzt steigt das Handballfieber im Land. Das Halbfinale dann endet erst nach Verlängerung, Deutschland steht als Finalist fest, trifft nun erneut auf Polen und macht – nach dem deutschen Sommermärchen im Fußball - nun das Wintermärchen im Handball wahr.

Und damit beginnt auch für den Produzenten mit seinem „Projekt Gold", der Weg weniger steinig zu werden. Die Filmstiftung NRW gibt ihm eine Postproduktionsförderung, der Filmverleih Kinowelt tritt an ihn heran und will den Film auf den Markt bringen – zunächst allerdings nur als DVD. Schließlich einigt man sich doch auf eine Kinoauswertung. Und bereits die Uraufführung in Dresden im Open-Air-Gelände wird ein voller Erfolg. Mehr als 4.500 Zuschauer sehen den Film dort; auch die Hessenpremiere im handballbegeisterten Butzbach platzt mit über tausend Besuchern aus allen Nähten. Bereits in der siebten Woche lockt „Projekt Gold" den hunderttausendsten Besucher ins Kino. Mittlerweile verhandelt Limbach auch mit dem Fernsehen über die Ausstrahlung des unerwarteten deutschen Wintermärchens.

Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)

Schlagworte: Dokumentarfilm, Filmförderung, Verleih, Filmproduktion

Artikel im PDF aufrufen