GRIP 37

11/1/2007

Die heimlichen Stars

Seit 2003 sorgt das Jungunternehmen Incognito-Stunts für rasante Stuntaction im Rhein-Main Gebiet

Von Alexander Scherer

In den frühen 80er Jahren begeisterte die US-Serie „Ein Colt für alle Fälle" auch deutsche Fernsehzuschauer. Lee Majors spielt darin den Stuntman Colt Seavers, der für die berühmten Schauspieler bei gefährlichen Szenen seinen Kopf riskiert. Der Titelsong der Serie spielt darauf an, dass der Stuntman nicht nur gefährlich lebt, sondern auch kaum Chance hat, berühmt zu werden. Für das Publikum bleibt er unsichtbar. Stuntleute sind allenfalls heimliche Stars.

Dass man sich in diesem schwierigen Geschäft dennoch einen Namen machen kann, beweist die seit 2003 bestehende Firma Incognito-Stunts im hessischen Dreieich. Schon während seiner Ausbildung an der Stuntschule der nordrhein-westfälischen Firma actionconcept träumte Produzent und Geschäftsführer Dirk Quasten von einem eigenen Stunt-Team. Doch auch eine harte zweieinhalbjährige Ausbildung garantiert noch keinen nahtlosen Einstieg ins Geschäft. Da Stunts eine Sache des Vertrauens sind, und Produzenten in der Regel die Firmen engagieren, mit denen sie in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht haben, haben es Newcomer schwer.

Wie also Vertrauen der Produzenten gewinnen? „Die Stuntschule", so Quasten, „muss man vor allem als Basiserfahrung betrachten." Es folgen eigene Projekte, um das Erlernte zu vertiefen. Diese Aufbauphase war nur nebenberuflich zu machen. Doch bereits 2003 gründete Dirk Quasten schließlich Incognito-Stunts und konzentrierte sich konsequent auf die Bereiche Kurzfilm und Event-Shows. So übernahm die junge Crew beispielsweise die Stuntkoordination für den Kurzfilm „100 Grad" (2005) von Philipp Serba und Jörg Schwaiger. Im Eventbereich konnte Incognito-Stunts den ersten richtigen Auftrag durch die Firma Citygames verbuchen: Eine Abseilaktion aus dem 10. Stock mit anschließender, fiktiver Lösegeldübergabe.

Insbesondere der Eventbereich macht einen sehr großen Teil der Arbeit von Incognito-Stunts aus - mit dem positiven Nebeneffekt öffentlicher Aufmerksamkeit. Doch bei reiner Auftragsarbeit wollte Quasten es nicht belassen und entschloss sich, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Gemeinsam mit anderen Firmen aus der Region produzierte er den 30minütigen Film „Stuntmen", der im März 2007 Premiere hatte. In einer wilden Achterbahnfahrt wird die Geschichte eines jungen Stuntteams erzählt, das unter enormen Druck steht: Ein aasiger Filmproduzent verlangt trotz aller Sicherheitsbedenken einen fast unmöglichen Stunt, der zudem fast nichts kosten soll. Allen Widerständen zum Trotz meistern die Stuntleute die Aufgabe.

Mit „Stuntmen" hat Incognito-Stunts nicht nur einen unterhaltsamen Kurzfilm hingelegt. Der Film ist vor allem auch deshalb eine besondere Leistung, weil für die Produktion keinerlei Fördermittel zur Verfügung standen. Insbesondere demonstriert er aber, wie gut das Netzwerk der Filmschaffenden in der Region untereinander funktioniert. So steuerte Harry HFX die Pyro-Effekte bei, den technischen Support sicherte die Firma GS Vitec aus Wächtersbach, und bei der Locationsuche halfen Christoph Rau und seine Filmlocation Germany aus Darmstadt.

Mittlerweile ist Incognito-Stunts im professionellen Geschäft angekommen. Unlängst konnte man das hohe Niveau beim aktuellen Filmprojekt der Wachowski-Brüder „Speedracer", der Adaption einer sehr populären, japanischen Mangareihe aus den 60ern, unter Beweis stellen. Allerdings sind Aufträge aus dem Rhein-Main Gebiet nach wie vor rar. Zwar wurde die Crwe jüngst für Daniel Zutas historische Großproduktion „Survivre avec le Loups" gebucht. Doch die meisten Anfragen kommen - wie für „Speedracer" - aus Berlin, respektive Köln oder München. Trotzdem will Incognito-Stunts im Rhein-Main-Gebiet bleiben. „Hier gibt es derart viele Möglichkeiten und kreative Talente, das muss man doch einfach nutzen", bekräftigt Quasten.

In der Verwirklichung dieses Zieles gibt man sich einfallsreich. So denkt man darüber nach, Seminare für die Branche zu veranstalten, um über Abläufe und Koordination einer Stuntproduktion zu informieren und ein Stück Aufklärung zu betreiben. Auch hat man die eigene Angebotspalette breit genug gefächert, um flexibel auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse einzugehen: Von der klassischen Stuntauftragsproduktion über Action- und Show-Events bis hin zum Stellen der kompletten Second-Unit deckt Incognito-Stunts mittlerweile alles ab, was denkbar ist. Sogar eine spezielle Stuntausbildung für Schauspieler wird angeboten, um die Darsteller in Abstimmung mit der Regie zum Beispiel für Kampfchoreographien fit zu machen.

Um die bereits erreichte Professionalität noch weiter zu steigern und die eigene Aktionsfähigkeit zu verbessern, strebt man jetzt eine Aufsplittung der Arbeitsbereiche an. Neben einem Stuntteam für den Film soll es ein eigenes Team für den Event-Bereich geben. Denn beide Bereiche erforderten unterschiedliche Arbeitsweisen, so Dirk Quasten. Auch will man zukünftig verstärkt auf Eigenproduktionen setzen: Nach "Stuntmen" ist nämlich schon die nächste Filmproduktion in Planung. Incognito-Stunts plant einen 90-minütigen Actionthriller. Dahinter steckt vielleicht auch etwas von dem Wunsch, herauszukommen aus dem Schatten der Stars.

Kategorie: Firmenportrait (GRIP FACE)

Schlagworte: Crew, Dreharbeiten, Filmproduktion, Institution

Artikel im PDF aufrufen