GRIP 36
5/1/2007
Bilder gesellschaftlicher Realität
Festival des kubanischen Films vom 10. - 20. Mai im Filmforum Höchst
Von Klaus-Peter Roth * / Daniel Güthert
Zehn Tage haben die Freunde und Anhänger des Kubanischen Kinos wieder Gelegenheit, sich über das aktuelle Filmschaffen der Karibikinsel einen Eindruck zu verschaffen. Vom 10. bis 20 Mai lädt das Filmforum Höchst zu seinem 12. Festival des Kubanischen Films ein. Vorgestellt wird ein Auswahl von etwa ein Dutzend Produktionen aus den Sparten Dokumentar-, Kurz- und Spielfilm, ergänzt durch eine Reihe von Highlights der Kubanischen Filmgeschichte. Das Rahmenprogramm bietet die Möglichkeit zu den traditionellen Filmgesprächen mit Gästen aus Kuba, die ihre Filme vorstellen werden.
Obwohl Kuba auf eine bedeutende Filmtradition mit herausragenden Filmschulen zurückblicken kann, ist es in den vergangen Jahren eher ruhig um die Filmlandschaft geworden. Die großen Namen, die es mit ihren Arbeiten auch in unsere Kinos geschafft haben wie etwa Thomas Gutierrez Alea ("Erdbeer und Schokolade"), Daniel Diaz Torres ("Kleines Tropicana") oder Fernando Perez ("Das Leben ein Pfeifen") sind aus unserem Blick gerückt. Die Filmproduktion in Kuba hatte aus politischen wie auch aus ökonomischen Gründen über die letzten Jahre hinweg gelitten.
Doch beim jüngsten 28. Filmfest von Havanna, dem vermutlich immer noch bedeutendsten Forum des lateinamerikanischen Kinos, war eine Trendwende spürbar. Es gab eine Fülle heimischer Titel, die aufhorchen ließen und die jetzt für das Filmfest in Frankfurt eingeladen sind.
Die auffälligste Neuentdeckung war dabei Alejandro Gils verstörender Debütfilm „La Pared“ ("Die Mauer"), der „bei geschlossenen Türen“ den Gemütszustand seines Protagonisten Diego schildert. Diego ist unfähig, den Raum, in dem er lebt, zu verlassen und sich der Realität zu stellen. Betreut von medizinischem Personal, verweigert er jede Hilfe. Das "Draußen" erscheint nur in einem imaginären Fenster und in Fernsehbildern von Kriegen, Elend und Gewalt. Die Gespräche mit Freunden und Verwandten, seiner Ex-Frau, seinem Bruder enden in Vorwürfen gegen ihn und zeigen gerade die Unfähigkeit der Anderen zur Kommunikation.
Für Furore hat ein weiterer Debütfilm in Havanna gesorgt: „El Benny“ von Jorge Luis Sanchez mit Renny Arozarena in der Hauptrolle, der die Geschichte des wohl berühmtesten und wichtigsten Sängers populärer kubanischer Musik, Benny Moré, erzählt, von seinem Aufstieg und seinem alkoholbedingten Verfall bis zu seinem Tod im Jahre 1963. Ein Film, der sich durchaus mit anderen Musikerbiographien wie etwa „Ray“ von Taylor Hackford messen kann.
Große Aufmerksamkeit weckten auch zwei eigenwillige Dokumentarfilme. In „Existen“ von Esteban Insausti findet die Annäherung an die Realität über experimentelle, durch Assoziationsmontage zusammengefügte Bilder statt. Auf eindrückliche Weise hat Insausti Aufnahmen der sogenannten "Verrückten", die in den Straßen der kubanischen Metropole öffentliche Reden halten, zu anderen medial vermittelten Bildern der Welt gegengeschnitten.
Und Alejandro Ramìrez, dessen Arbeiten „Demoler“ und „Rostros De Tres Siglos“ bereits auf früheren Kubafestivals in Frankfurt gelaufen sind, knüpft mit seinem Film „Monteros“ an die große Tradition des kubanischen Dokumentarfilms an. Im Sumpfgebiet von Zapata, am selben Ort, an dem Tomas Gutierrez Alea vor über 40 Jahren seinen legendären Film „El Megano“ gedreht hatte, beobachtet Ramirez das Leben der Einwohner in einer geradezu paradiesischen Natur.
Im offiziellen Wettbewerbsprogramm war Kuba mit zwei Spielfilmen vertreten, die sich mit der Geschichte des Landes auseinandersetzen. Einer davon ist „Paginas Del Diario De Mauricio“ ("Seiten aus dem Tagebuch von Mauricio") von Manuel Pérez, der vor allem durch „El Hombre De Maisinicú“ vor 20 Jahren bekannt geworden ist. In seinem neuen Werk verschränkt Manuel Pérez die Krise Kubas während der 90er Jahre, als der sowjetischen Sozialismus in sich zusammenbrach, mit der Krise des Protagonisten Mauricio. Schonungslos wird die angespannte Situation während dieser Zeit geschildert, die aggressive Stimmung und die Unsicherheit im Land. Ein für Kuba bedeutendes Filmzeugnis, da sich ein Regisseur erstmalig auf diese jüngste Epoche des Landes eingelassen hat.
Aber nicht allein Entdeckungen des Filmfests Havanna 2006 kommen nach Höchst. Als Hommage an den Altmeister Fernando Perez ist sein neuer Film „Madrigal“ angekündigt, der aktuell auf der Berlinale 2007 lief. Ein Film, der zwei unterschiedliche Zeitebenen verknüpft, von der die eine im modernen Havanna von heute, im Milieu des Theaters angesiedelt ist, während die andere wie halluzinativ auf die Zukunft verweist. Ein Kino, bei dem sich Realität und Fiktion unentwirrbar vermischen und das für die übersprudelnde Inszenierungskraft der Kubanischen Filmemacher steht.
* Klaus-Peter Roth ist Leiter des Filmforum Höchst
Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)
Schlagworte: Festival, Filmkultur, Kino