GRIP 01
4/1/1992
Homemade
Wenn Sie Filmschaffende(r) sind, könnte es durchaus sein, daß Sie demnächst einen Anruf von Taunus-Film erhalten. Eine Frauenstimme wird Sie dann freundlich fragen, ob sie über eine VHS-Kamera verfügen und damit einen Videoclip zum Thema Fitneß drehen könnten. Honorar, Auslagen, Material etc, könnten sie leider nicht bezahlen, dafür seien Sie aber an einem Wettbewerb beteiligt und hätten immerhin die Chance, einmal was für’s Fernsehen gemacht zu haben.
Von Susanne Walter
Ursache dieses Anrufes ist die genauso neue wie geniale Idee des SWF III, eine Sendung mit Homevideos zu füllen. Das Produkt heißt dann 'Hallo, wie geht’s’ und präsentierte sich bereits im März durch eine "Anreißerfolge", mit der es dem Publikum schmackhaft gemacht werden sollte, Selbstgedrehtes einzusenden. Warum nun die gezeigten Clips von geradezu unnachahmlicher Dümmlichkeit sein mußten, liegt wohl in der Annahme der "Macher” begründet, das Zuschauer, die in ihrer Freizeit Videos drehen, mit phobischer Panik auf jede Andeutung von Niveau reagieren. Damit aber die Reihe zur Not auch ohne Zuschauerbeteiligung laufen kann, bzw, das Publikum animiert wird, versuchte TaunusFilm zunächst die Medienwerkstatt Frankfurt, besser als MEWI bekannt, einzuspannen. Dort reagierte man jedoch nicht sonderlich beglückt und so gelangte der Auftrag, für eine "kleine Spende”29 Fitneß-Clips zu drehen an Manuel Francescon und Bernard Lenz, ein Team, das bereits durch gesplattertes wie "Zahnpasta des Grauens”, "The Ballet of the Bullet in the Bernard in the Salade” (beide Filme Super-8, bunt und kurz) oder auch das Video "Tiefenhermeneutische Bibelinterpretation” dem Fachpublikum aufgefallen ist. Mit viel Witz und wenig Blut machten sich die beiden an die Arbeit und hatten bereits nach relativ kurzer Zeit 16 Videos produziert. Angenommen wurden allerdings nur 4, denn bei der Sichtung erwiesen sich die Clips als zu niveauvoll. Manuel nimmt an, der Anspruch läge soweit unten, "daß die Leute, die das prüfen nicht für Unfälle, z.B., Kind verschluckt Anabolika oder fällt von der Leiter, verantwortlich gemacht werden können”. "Am liebsten”, so Bernard, "sei denen der abgeflachteste Slapstick: Mann rennt durch den Wald, sieht nackte Frau, guckt hinter ihr her und rennt gegen einen Baum. Mann fällt um.” Zur Pilotfolge meinten die beiden: "Die ist einfach unter aller Sau”, wobei es Manuel Gotthilf Fischer mit seinem, über dem Weinberge schwebendem Chor besonders angetan hatte. "Die hängen mit ihren peppigen Clips mindestens 20 Jahre hinterher”, meinte er. Die beiden Monty-Python-gestählten Jungfilmer könnten sowieso inhaltlich eher hinter Monstermovies stehen, da es ihnen vor allem darum geht, den "anarchistischen Humor weiterzuentwickeln". Die Clips wollten sie "wegen des Geldes machen. Das ist reine Prostitution”. Es lockte sie vor allem das, was Taunus-Film der MEWI, die bis auf den Oliver Rothländer für den Schnitt nicht beteiligt war, als "kleine Spende" angeboten hatte. Wie klein diese Spende sein würde, stellte sich erst nach Abgabe der Videos heraus: 500.DM pro Person, alles inklusive! Ausgegangen waren die beiden Filmer von 200 .DM pro Clip, einer Annahme, die allerdings auf Unkenntnis der beiden Regisseure beruht. Sie glaubte in ungetrübter Blauäugigkeit, daß ein Sender wie der SWF und eine Produktionsfirma wie Taunusfilm bei "kleinen Spenden” tatsächlich spendabel wären. Manuel forderte daher 3000 -DM pro Nase, sonst würde er die Filme zurückziehen. Eine zähe Verhandlung begann, bei der schließlich noch gegenseitig mit Klagen gedroht wurde. Taunus-Film wandte sich wieder an die MEWI, die nun zwischen beiden unter dem Motto "Auf- Bezahlung-verzichten-und- froh-sein-wenigstens- mal-im-Fernsehen-sein-zukönnen” vermitteln sollte. Doch bei etwa 240 Stunden Arbeit für 29 Clips dürfte das wohl ein zu magerer Lohn sein, zumal Taunus-Film die Jungfilmer ausdrücklich nicht als Hobbyfilmer angeheuert hatte, da ja ohnehin zu diesem Zeitpunkt von "Zuschauervideos” keine Rede sein konnte. Doch schließlich schien Einigung in Sicht. Das letzte Gebot stand bei 2800.DM, auch hier alles inklusive. Mehr, soll der Produktionsleiter gesagt haben, könne er nicht beschaffen. Und erwies sich damit denn doch als recht entgegenkommend. Zudem wurde für die erste Videostaffel rückwirkend noch ein Vertrag verfaßt, sowie die mündliche Zusicherung erteilt, für alle weiteren Clips 200.DM pro Stück zu zahlen. Dieses letzte Gespräch zwischen Manuel und dem Produktionsleiter fand am Mittwoch, dem 25.03.1992 statt, wobei eine Vereinbarung getroffen wurde, daß der Inhalt aller künftigen Clips mit der zuständigen Redakteurin bei Taunusfilm abzusprechen seien, um überflüssigen Produktionen vorzubeugen. Zu diesem Zweck versuchte Manuel am 30.03.1992 die Redaktion telefonisch zu erreichen. Die Zuständige erwies sich denn als der Absprachen völlig unkundig. ”Was! Ihr werdet bezahlt?” soll sie auf Manuels diesbezüglichen Hinweis gesagt haben. Daß Taunus-Film inzwischen von anderen Bedingungen ausging, ist durch deren Anfrage an das Filmhaus bekannt. Marlis Emmerich weiß zu berichten, daß eine Frau, die sich als neue Produktionsleiterin ausgab, erklärt habe, es würden keine Honorare bezahlt. Interessant an diesem Telefonat ist allerdings, daß es zu der Zeit stattgefunden haben muß, als Manuel noch auf einen Rückruf der Redakteurin wartete, um endlich über seine geplanten Clips sprechen zu können. Für ihn war das ergebnislose, telefonisches Hin und Her die Arbeit dieses Tages, an dem eigentlich gedreht werden sollte, da von den Verantwortlichen entweder keiner da war oder nichts wußte. Der Produktionsleiter übrigens, war für Manuel auch nicht mehr erreichbar. Da wir ja immer alle Seiten beleuchten wollen, rief ich bei Taunus-Film an und landete zunächst in der technischen Abteilung, wurde dann aber weitervermittelt. Leider waren sowohl die Redakteurin als auch die Leiterin des ganzen Projekts in einer Besprechung. Mir wurde aber trotzdem weitergeholfen. Bei der Sendung handele es sich um einen Wettbewerb, bei dem es gezielt um Zuschauervideos ginge” und der Ende März ausgeschrieben wurde, unter anderem auch an Filmhochschulen. Honorare seine dafür natürlich nicht vereinbart worden, auch nicht mit den beiden Herren Francescon und Lenz, als Preis stünde ein Wochenende in einem Hotel und T-Shirts aus. Vergeben werden die Preise von einer Jury, wer da allerdings drin sitze, wie-viele Clips schon da seien und wie lange Hallo, wie geht’s überhaupt gesendet wird, daß konnte mir meine Gesprächspartnerin nicht sagen, das stünde auch noch nicht fest. Und von dem Produktionsleiter, der mit unseren beiden Jungfilmern verhandelt hatte, wußte sie auch nichts, damit hätte der gar nichts zu tun. Die beiden Regisseure nun sind inzwischen nicht mehr an weiteren Aufträgen interessiert, da sie sich verschaukelt fühlen. Absprachen, die nicht eingehalten wurden, die der Produktionsleiter wer immer das nun auch sein mag gar nicht hätte treffen dürfen und natürlich das Gefühl, insofern selbst daran schuld zu sein, weil sie nicht von Anfang an auf Verträge bestanden haben, schafft ein ungutes Arbeitsklima: "Wir fangen nicht an zu drehen, bevor wir nicht wissen, was los ist,” sagen sich die Zwei und damit könnten sie einen wunden Punkt berührt haben. Tatsächlich ist es erstaunlich, daß hier wohl niemand so richtig weiß, was, wann und in welchem Umfang los geht. Erstaunlich ist des weiteren, daß Taunus-Film keinen Unterschied zwischen tatsächlichen Zuschauervideos und selbst aquirierten Clips machen will. Daß auch Nachwuchsfilmer für ihre Serienproduktion bezahlt werden müssen, sollte eigentlich dem professionellen Standart entsprechen, den Taunus-Film ansonsten zu zeigen gewohnt ist. Wir nun hoffen, das Durcheinander um Videos, Hobby, Aufträge, verschwundene Produktionsleiter und ahnungslose Redakteurinnen aufklären zu können. Vielleicht schreibt uns TaunusFilm ja einen Brief dazu, selbstverständlich honorarfrei.
Kategorie: Hintergrundbericht (GRIP FORUM)
Schlagworte: Filmproduktion, Nachwuchs, TV/Rundfunk
