GRIP 01
4/1/1992
“Faszinierend!”
Keine Fernsehserie war erfolgreicher, hat treuere Fans und kann es sich leisten, trotz des Trends, Science-Fiction im Film vornehmlich als Medium für computergesteuerte Effekte zu verwenden, seinen letzten Filmableger in geradezu antiquierter Manier abzudrehen. "Raumschiff Enterprise”, im Original Star Trek genannt, wird 25 Jahre alt und hat es daher nicht nötig, virtuelle Welten zu simulieren, sondern zeigt, daß Salat noch immer von Hand gewaschen wird. Die wackere Leinwand-Crew um Captain Kirk, "Pille” McCoy und Spock steht in Star Trek VI bereits drei Monate vor der Pensionsgrenze, ein Umstand, der dafür spricht, daß die Serie nun auch im Kino ihr Ende gefunden hat. Für die Trekkies, also die eingeschworenen Fans, ist das definitive ”Aus” zwar schwer zu verkraften, aber die Serie wird für sie. dank Videotechnik, weitergehen. Mit zwei Trekkies hat Susanne Walter versucht, über die Faszination zu sprechen, die bei den immerhin schon 30 jährigen Fans all die Jahre angehalten hat, darüber, welche Universen Star Trek in ihren Köpfen aufgebaut hat und daß Kirk niemals wirklich sagte: "Beam uns hoch, Scotti!”
Von Uhura Ltd.
In einer Frankfurter Kneipe traf ich mich also mit diesen beiden Trekkies, Matthias Stich, 29 Jahre alt, Techniker und Konstrukteur eines Kirk- Kommandersessel-Nachbaus, von dem aus alles vom Telefon, Türöffner bis hin zu Schadensmeldungen geregelt werden kann. Der andere, den wir hier der Einfachheit halber NC nennen wollen, ist 30 Jahre alt und Filmemacher. Beide verfügen über ein Videoarchiv, in dem allein Star Trek mit etwa 50 Folgen (von 78) vertreten ist. Nummeriert, erfaßt, aufgelistet und teilweise mit Kommentaren oder Werteskalen versehen, warten sie darauf, vollständig ergänzt zu werden.
Frage: Wie alt wart Ihr, als alles begann?
Matthi.: Hier lief das ja im ZDF, da hab’ ich das mit 8 Jahren zum ersten Mal gesehen. Naja, und dann hab’ ich genau drauf geachtet, daß ich keine Folge verpasse. Science-Fiction war’s damals und man war in dem naiven Glauben, es wird alles genauso sein, wenn wir in dieses Jahr kommen. Das war also ein absolut zutreffendes Horoskop. Und irgendwie wollte man halt gucken, was in einigen Jahren so passiert.
Frage: Und wann wurdest Du zum Trekkie?
Matthi.: Das kam später. Irgendwann ging’s mal so ab, daß das doch kein Horoskop für die nächsten paar Hundert Jahre ist. Also, irgendwann kamen die Folgen mal wieder und ich hab's mir wieder angesehen, weil ich sie als kleiner Junge gesehen hatte. Ja und irgendwann fängt man dann an, alles auswendig zu lernen und damit geht’s dann los.
NC: Ich hab’ mich an sich schon immer für Science-Fiction im visuellen Bereich interessiert. Da gab’s damals Raumpatrouille Orion, Invasion von der Wegs und UFO und mir war dadurch schon als Kind aufgefallen, daß da wirklich qualitative Unterschiede bestehen.
Frage: Wie alt warst Du, als Du das bemerkt hast?
NC: Ja auch so alt wie er. Und natürlich ist das Interesse an Science-Fiction die Flucht in fremde Welten. Damals war das da am perfektesten dargestellt und man war gebannt, wenn man das gesehen hatte. Ich bin dann immer, weil ich sonst keine Cola trinken durfte, nur bei Star Trek ein Glas, bin ich dann immer hop. hop, hop zum Kiosk. War ein richtiges Ritual für mich. Das war meine Zeit, wie dem Papa sein Fußballzeit, hatte ich der Sohnemann, scheißegal ob da ein Länderspiel auf dem anderen Kanal war, seine Enterprise.
Frage: Bei Dir, Matthias, war es also die Wiederholung und bei Dir, NC, die Cola?
NC: Für mich war es wirklich der Inhalt und mir schienen seltsamerweise die Figuren sehr vertraut zu sein. Das ist auch dieses Phänomen bei allen Trekkies, wie oft man die Folgen auch sieht, es ist einfach eine Art zu Hause. Man hat sich in die Figuren eingelebt, die sind mit einem gewachsen. Man versteht die Motivation der Figuren natürlich besser, wenn man älter geworden ist. Also, wenn man jetzt das Triumvirat von Spock, Kirk und McCoy nimmt. Im Grund ist das nichts anderes als eine dreigespaltene Persönlichkeit. Kirk als der aktive, nach außen hin wirkende Teil, Spock als die absolute Vernunftperson, der alles nach strengen rationalen Gesichtspunkten entschied und McCoy als das Gewissen, das die moralischen Aspekte beisteuert. Das ist so’ne Art Bruderschaft. Das sind die drei Lotsen, aber selbst die haben ihre Fehler. Das sind keine Helden wie Supermann.
Frage: Aber die sind doch genauso bürgerliche Helden wie Supermann. Abgesehen davon ist das Dreifaltigkeitsmotiv doch in vielen Serien und Filmen angelegt. Da könnte man doch auch etwas Vertrautes wiedererkennen. Was ist also so besonders an dem Star Trek Triumvirat?
Matthi.: Ich denke mir, das hat etwas mit Vorbildern zu tun. Es ist leichter, sich mit Leuten zu identifizieren, die selbst überlegen müssen, ob sie richtig entschieden haben oder nicht, die auch mal zweifeln und Fehler machen. Mir sind Leute lieber, die hinterher auch manchmal überlegen, ”naja, vielleicht wär’s andersherum doch besser gewesen”.
NC: Und da ist auch ein wichtiger Stilsprung. Bei SF wurden die Aliens immer im Sinne der 50iger Jahre als grausam, wollen alles killen, dargestellt. Da hat Star Trek, auch im Vergleich zu zeitgleichen Serien (Anmerk.: Star Trek wurde von 1966 bis 1968 produziert) einfach humanere Aspekte reingebracht. Z.B., daß sich die Föderation nicht in Angelegenheiten der weniger weit entwickelten Mitglieder der Föderation einmischen darf. Aber man muß dazu sagen, daß das nicht immer eingehalten wurde.
Frage: Aber im Grunde ist die Föderation doch nichts anders als die USA, die Klingonen barbarische, schießwütige Feinde. Daneben gibt es auch gute Aliens, aber im Grunde funktioniert das doch auch über ganz klare Feindbilder. Wo siehst Du da einen Stilsprung?
NC: Ich bin mir sicher, daß die Leute, die damals Star Trek geguckt haben und heute Regisseure sind, wie Spielberg, usw, ganz klar davon beeinflußt sind. Da gab es auch den ersten Kuß zwischen Farbigen und Weißen zwischen Leutnant Uhura und Captain Kirk das war damals 'ne Sensation im amerikanischen Fernsehen.
Frage: Ihr erzählt das jetzt als 30 jährige. Damals wußtet Ihr das alles doch noch nicht. Was hat Euch da fasziniert?
Matthi.: Als 8jähriger hat mich Mr. Spock fasziniert. Ich war halt in der Schule immer so der ruhigere gewesen, auch mal das Spottobjekt und an Spock hat mich fasziniert, daß er es einfach nicht nötig hatte, Wutanfälle zu kriegen oder in Rage zu geraten. Der konnte alles nüchtern verarbeiten und so verhalte ich mich heute eigentlich auch noch. Zwar nicht streng logisch, wie er jetzt, aber es muß schon sehr viel passieren, bis ich mal auf 180 gerate, wo andere wahrscheinlich schon längst als HB-Männchen durch die Decke jagen.
Frage: Also. Dir gefällt Spock am besten?
Matthi.: Ja!
Frage: Dir auch?
NC: Das ist ’ne Frage des Alters. Also früher war das die Serie, die mich einfach am meisten spontan angesprochen hat. Da waren die drei Figuren, die zu beobachten, wie sie agieren, die ja auch alle drei verschiedene Arten von Interpretation zulassen. Als ich das mit 20 angeguckt habe, hat mich das auch noch fasziniert, aber da kamen dann neue Aspekte hinzu, wie z.B. der Aufbau der Story. Jetzt, mit 30, interessiert mich das noch intensiver. Da gefällt mir halt diese Dreierkonstellation, was für Dialoge da bestehen, dieses Zusammenspiel der drei Personen. Spock war für mich damals natürlich auch ein Idol, aber irgendwas hat mir da auch gefehlt, das hab' ich halt bei den anderen gefunden. Spock ist ja halb Mensch, halb Vulkanier. Deshalb hat er Emotionen gehabt, er hält sie aber freiwillig unter Kontrolle und da gibt es natürlich auch Beispiele, wo das dann zu Konflikten führt. Das war es auch für mich und dann kam natürlich noch ein anderer Aspekt hinzu, er ist der Techniker und mich fasziniert Technik halt.
Frage: Auch noch, nachdem Du erkannt hast, daß Star Trek eine Scheinwelt mit Scheintechnik ist?
Matthi.: Ja, aber das war halt das Vorbild, weil für mich feststand, in die Wissenschaft, die Technik zu gehen. Ich kam halt von der Bastelei . nie los. Mich hat die fiktive Technik immer gereizt. Die Technik, die da war, war für mich die aktuelle und ich wollte halt immer möglichst nah an das rankommen, was in der Serie war. Das war mein Ideenlieferant, z.B, für den Kirk-Sessel. Der Grundgedanke ist, es zu übertragen. Das funktioniert heute noch. Also, es ergeben sich im technischen Alltag, ab und zu wirkliche Probleme, die du lösen sollst und eben durch den SF, nicht unbedingt nur Star Trek, kommt irgendwie plötzlich die Idee, die du verarbeitest und in veränderter Form praktisch anwendest.
NC: Ich kann auch von mir sagen, Star Trek war für mich sicherlich die Sache, wo’s für mich richtig los ging. Da hab’ ich angefangen, mich für Film zu interessieren. Da hab’ ich angefangen, Filme zu beschreiben, da hab' ich in Programmzeitschriften rumgewühlt und bin dann später auf Fachliteratur umgestiegen.
Frage: NC, Du warst doch auch mal ein Fan von Lee Hsiao Lung (Bruce Lee). Warum hast Du das wieder abgelegt, aber Star Trek nicht?
NC: Die Lee-Filme haben mich nicht vom Filmemachen her interessiert, sondern von der Kampfsporttechnik, weil ich das damals auch gemacht hab’. Der Lee steht für mich nicht als Schauspieler, sondern als Mann, der die ganze Kampfsportwelt Meilen vorangebracht hat und weil er den Hongkong-Film salonfähig gemacht hat.
Frage: War das eigentlich eine Unterbrechung in Deinem Star-Trek-Fantum?
NC: Nein. Das war einfach eine Phase, die aufhörte, als ich mich nicht mehr für Kampfsport interessierte und auch alle Lee-Filme und Specials 25 mal gesehen hatte. Die Filme sind ja alle schlecht gemacht und ich konnte keine neuen Aspekte mehr darin sehen. Aber Star Trek, wenn man das wieder auspackt, dann freut man sich wieder über den einen oder anderen neuen Aspekt. Das hängt sicher mit der Jugendzeit zusammen, so wie andere Leute mit 40 wieder ihren Karl May auspacken.
Frage: Habt Ihr denn das Gefühl, da wieder Kind zu werden oder geht es darum zu merken, daß man älter geworden ist?
NC: Man hat vielleicht den Eindruck, daß man immer noch Abenteuer bestehen kann, also, daß der Traum, den man in der Jugend gehabt hat, einfach weiterzuführen ist. Man hat ja damals noch rumgewühlt, hat sich alles, was es neu gab, besorgt, im Gong oder wo das war, hat sich die kleinen Geschichten über Star Trek ausgeschnitten und so hat man sich die Abenteuer irgendwie immer noch frisch erhalten. Ich sehe das halt auch vom Aspekt des Filmemachens her. Wie, im Grunde genommen, die produziert haben. Mußt’ Dir mal vorstellen, die haben von 1966 bis 1968 78 Folgen gedreht, also innerhalb von 5 Tagen eine Folge runtergerotzt und von der ersten bis zur letzten Folge kann man sehen, wie sich die Charaktere immer weiter entwickeln. Das ist einfach ’ne Sache, die Spaß macht.
Frage: Als wir neulich zusammen in Star Trek VI waren, der definitiv letzten Folge, da war NC sichtlich traurig, während ich bei Dir nicht das Gefühl hatte, es sei Dir besonders nah gegangen, daß nun endgültig Schluß mit der Enterprise ist.
Matthi: Naja, man muß das erstmal verarbeiten. Es war schon enttäuschend zu wissen, daß nun kein neuer Film mehr kommt. Andererseits hofft man, daß doch noch einer kommt. Aber irgendwie ist die Enterprise-Geschichte ja auch eine abgeschlossene Sache. Die gerät jetzt in eine neue Generation hinein und die ist an Special Effect und Ballerei gewöhnt, das hatte die Enterprise ja nie so besonders drauf. Schon allein die Sache mit dem blinkenden roten Lämpchen. Das zieht sich ja heute durch alle Filme. Erst hatten es die Zylonen (Anmerk.: Feinde der Besatzung des Raumschiffs Galaktica in der Kinoserie "Kampfstern Galaktica”) oben auf dem Schädel, jetzt hat’s KID, das Wunderauto vorne im Kühler. Aber um noch was zu ”Next Generation" zu sagen. Ich hab' also auch einige Folgen gesehen, kann mich aber nicht damit anfreunden, weil ich eben den Eindruck habe, da läuft es nicht auf Problematiken im Weltraum hinaus, wie in den alten Star Trek Geschichten, sondern daß es irgendwie so’n bißchen um das Vater-Mutter-Kind Problem geht, nur an Bord eines Raumschiffes verlagert. Wenn wir die Enterprise wegnehmen, ’n Haus hinstellen, nehmen wir noch die Milchstraße raus und die Lindenstraße rein, dann sind wir teilweise auch wieder bei einer Soap-Opera...
NC: Das find' ich sehr arrogant. Du mußt denen genauso die Chance geben, sich zu entwickeln...
Matthi.: Ich kann mich aber nicht mit einem Oberprimaner abfinden, der auf der Kommandobrücke rumsitzt, Befehle gibt, ein überaus tolles, technisches Wissen hat, andererseits aber noch drei Jahre braucht, um sein Abitur zu machen, weil er dafür noch nicht genug Wissen hat. Das ist ein Paradoxon in sich. Also, wenn ich mit 18 wirklich schlau bin, mach’ ich erst mein Abi und hinterher setz' ich mich ins Cockpit.
Frage: Aber das ist doch ein Film, könnte sowas innerhalb einer Science-Fiction-Serie nicht doch möglich sein?
Matthi.: Sicher, aber man kann doch die Wirklichkeit nicht einfach so rumdrehen. Wenn man die ganze Sache logisch auf baut, dann könnte es sein, daß die Leute später mal viel intelligenter sind, die Schulabschlüsse viel höher liegen usw, aber das trotzdem die Reihenfolge ziemlich gleich bleibt, nämlich erst mach ich mein Abitur und dann kommt das Führen eines Raumschiffes. Die Schule hat auf das Leben vor zubereiten und da kann man nicht einfach das Leben nehmen, um auf die Schule vorzubereiten. N:C: Noch mal zurück zur Technik. Wenn es nicht sie Special Effects sind, was genau hat Dich an der Star-Trek-Technologie fasziniert?
Matthi.: Die friedliche Nutzung der Technik. Es gibt ja keine gute oder schlechte Technik, sondern daß, was daraus gemacht wird, ist gut oder schlecht. Meiner Meinung nach sind wir im Moment dabei, Rückschritte zu machen, weil der Fortschritt nicht um des Fortschritt Willens gemacht wird, sondern um des Produkt Willens. Und das war bei Star Trek nicht der Fall. Da lief die Technik nicht auf das Motto hinaus: "Wir haben jetzt die Kernspaltung. Machen wir ein Kernkraftwerk oder eine Bombe daraus? Machen wir 'ne Bombe, damit können wir mehr anfangen."
Frage: Aber findet denn bei Star Trek ein Fortschritt statt?
Matthi.: Eigentlich nicht, da es ja auch in einem festgelegten Zeitraum spielt. Aber es ist doch ersichtlich, daß von dem jetzigen Zeitpunkt bis zu dem, was bei Star Trek existiert hat, die Entwicklung nicht dazu benutzt wurde, Waffen hochzupuschen. Es zeigt, daß man nicht alle Anstrengungen benutzen soll zu vernichten, sondern neue Wege zu gehen. Nicht das machen, was wir schon jahrelang tun, uns gegenseitig umzubringen, sondern neue Welten zu entdecken.
Frage: Und was macht man dann mit den neuen Welten?
Matthi.: Einfach mal gucken, was die machen.
Frage: Also so einfach ist das ja doch nicht. Die Enterprise fliegt durchs All um neue Welten zu erforschen. Und wenn sie dann da ankommen, sind da immer irgendwelche bösen Wesen, die besiegt werden müssen. Die entdecken doch nicht wirklich etwas, was sie weiterbringen kann, die regulieren höchstens alles solange, bis es der Ethik der Föderation, sprich: Amerika, entspricht. Ist das nicht doch eine imperialistische Motivation, oder machen die das nur, um etwas in ihrem Club erzählen zu können?
NC: Man will doch einfach nur glauben, man sei wieder ein Stückchen weiter an gewisse Wahrheiten herangekommen.
Frage: An welche Wahrheiten?
NC: Ist doch interessant, zu spekulieren.
Matthi.: Die fliegen doch nicht rum, um zu erforschen, wie man wen am Besten erobern könnte. Es geht darum, etwas über andere Leute zu erfahren. Ich guck mir ja auch nicht "Länder-Menschen-Abenteuer" an, um herauszufinden, wie man den Südseeinsulaner am Besten eins über den Schädel zieht, sondern weil mich die Kultur interessiert.
NC: Also, Kulturimperialismus hin oder her, das ist doch beim Abenteuerfilm oder Western genauso.
Frage: Wenn man etwa 22 Jahre eine Serie verfolgt hat, sie immer wieder sieht, ein Archiv erstellt und immer noch Fan ist, dann könnte einem doch der Gedanke kommen, daß es sich bei Star Trek um eine Ersatzreligion handelt. Ist das so bei Euch?
Matthi.: Ja, da kann ich durchaus zustimmen. Die einen glauben an den lieben Gott, der im Schneidersitz vor dem Tempel sitzt und seinen Bauchnabel betrachtet, der Buddha, bei anderen ist es halten den Herrn Jesus mit dem Rauschebart und bei anderen heißt der Manitou. Angeblich sind die alle verschieden und manche prügeln sich sogar darum, wer nun den richtigen Gott hat. Tatsache ist aber, der Mensch muß an irgendwas glauben, er muß ein Ziel haben. Ich möchte nicht unbedingt behaupten, daß es keinen Gott gibt, es mag vielleicht eine höhere Macht geben, die vielleicht ein bißchen mehr drauf hat als wir, die vielleicht nicht unbedingt was mit unserem Planeten zu tun haben will. Nennen wir das mal eine Zivilisation, die so weit über uns steht wie wir über dem Affen. Dann könnten die vielleicht gar nichts mit uns anfangen. Ich meine, allein wenn ich mal davon ausgehe, daß nur jede Millardste Sonnen einen Planeten hat, der erdähnliche Bedingungen hat, davon wiederum nur ein Millardstel bewohnbar ist und davon wiederum nur ein Millardstel erdähnliches Leben hervorbringt, dann muß es Milliarden Planeten, allein in unserem Sonnensystem geben, wo menschenähnliche Lebensformen existieren. Von daher bin ich der Meinung, daß es ein reichlich anthroprozentrisches Weltbild wäre, zu glauben, daß wir die einzigen sind, die addieren und multiplizieren können. Ich hab’ jetzt mal Orion zitiert, aber das ist auch meine Meinung. Ich glaub', daß es im Weltall irgendwelche Leutchen gibt, die ’n bißchen mehr drauf haben, nur ich glaub’ wiederum auch nicht, daß die die schützende Hand über uns legen, es sei denn, wir stehen im Begriff, das halbe Universum in die Luft zu jagen, weil wir wieder irgendwas erfunden haben.
NC: Also, ich bin Atheist!
Matthi.: Weil Du gesagt hat, Ersatzreligion. Es muß ja nicht ein Glaube sein, nur einfach eine realistische Vorstellung von dem, was sein kann. Also, es regt einfach die Phantasie an, man kommt auf Ideen. Ja, das man halt durch die SF ’n bißchen in der Lage ist, sich Außerirdische in allen möglichen Formen vorzustellen. Vielleicht lieb und brav menschenähnlich, aber er frißt halt Leute oder vielleicht mit Tentakeln, zwanzig Augen und fünf Mäulern, aber total friedlich.
Frage: Ist das nicht sehr spekulativ?
Matthi.: Sicher, aber gesetzt den Fall, die Leutchen kommen an, landen und sehen halt anders aus. Kann ja durchaus mal passieren. Und dann wär’s doch vielleicht ganz gut, wenn die Bevölkerung so'n gewisses Fortbildungsvermögen hätte und die Leute nicht gleich über den Haufen schießt, weil die anders aussehen.
Frage: Also SF als Aufklärung, falls hier mal Aliens landen?
Matthi.: Ja, genau das. Zur Zeit ist das Weltbild so, daß alles was da mit mehr als zwei Beinen raus marschiert kommt, erst mal über den Haufen geschossen wird. Das kann ich mir also sehr gut vorstellen, daß nur in Ausnahmen Leute vielleicht anders reagieren, wenn da was tentakelbewährtes raus kommt.
Frage: Ist das tatsächlich so stark in Deiner Realität verankert?
Matthi.: Also, ich finde, das kann doch durchaus mal passieren. Und der Grundgedanke ist, ein gewisses Spektrum zu haben, um sich einfach vorstellen zu können, daß nicht alles Leben, was so aufgebaut ist wie unseres, gleich böse sein muß. Ich glaube, es wird Zeit, von diesem Trip mal runterzukommen. Wie ich halt immer sage: Wenn so’n Viech Tentakeln hat, muß es nicht automatisch böse sein.
Frage: Ist SF also antirassistisch?
Matthi.: Es gibt auch rassistische. Aber das sind in der Regel die Billigproduktionen. Star Trek ist antirassistisch. Es wird also nicht immer gleich auf alles eingedroschen und geballert, was fremdartig ist.
F.: Nein, es ist schon etwas subtiler.
Matthi.: Möcht’ ich nicht mal sagen. Wenn es sich, salopp gesagt, als böse herausstellt, dann wird es auch bekämpft, nicht unbedingt gleich eleminiert. Es gibt auch Formen von Resozialisierung, pipapo.
Frage: Moment mal! Du sprichst von Aliens. Wie willst Du die den resozialisieren. Die lassen sich vielleicht sozialisieren. Komischerweise kannst Du die Technologiephantasmen und Tentakeln akzeptieren, so weit das auch von unserer Realität entfernt ist, aber keine andere Sozialisation als die menschliche. Darum geht es doch auch bei Star Trek. Das ist doch der Konflikt, der immer wieder geschürt wird. Die wundern sich auch nicht mehr über Geglibber, aber eine andere Ethik können sie auch nicht auf sich beruhen lassen, da muß dann die Crew "Sozialarbeit” leisten.
Matthi.: Also gut, dann kann ich denen ja immer noch meine Ethik erklären und ’nen Mittelweg finden. Wenn er das dann nicht verfolgt, dann führt das natürlich zu einer Auseinandersetzung.
Frage: Gab es auch mal Phasen, in denen Ihr mit Star Trek nichts im Sinn hattet?
Matthi.: Ja, doch. Ich würde sagen...
NC: Bei der ersten Freundin.
Matthi.: Ich wollte sagen, in der Pubertät.
NC: Nein, eigentlich nicht. Ich war immer mit Star Trek zutiefst verquickt. Wenn ich es irgendwo sehen konnte, hab ich’s gesehen, wenn ich irgendwo 'was drüber lesen konnte, hab’ ich’s gelesen. Ich hab’ immer gehofft, daß es weiterging. Ich war ganz happy, als es dann wiederholt wurde und Star Trek I ins Kino kam.
Matthi.: Also, man hat nicht völlig abgeschaltet. Es wurde ja eine zeitlang nicht gesendet, aber wenn du dann die Fernsehzeitung aufschlägst und Raumschiff Enterprise siehst, dann merkst du dir den Termin sofort, trägst ihn in deinen Terminkalender ein und wenn er kommt, dann sitzt du wieder vor dem Fernseher.
NC: Und du weißt, es hat sich gelohnt.
Kategorie: Interview
Schlagworte: TV/Rundfunk, Filmkultur
