GRIP 01
4/1/1992
Ein Freund der großen Vernetzung
Was eigentlich schon alle ahnten. wußten oder wissen wollten, bei Nachfrage im Filmhaus aber nicht erfahren konnten: Ist Ernst Szebedits ab 1.7.1992 Geschäftsführer des Filmhaus Frankfurt e.V.?
Von Redaktion
Wie jetzt aus den für gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zu entnehmen war, ist diese Annahme durchaus richtig. Somit wird ein Amt mit Ernst bekleidet, für daß sich bis dahin Bruno Schneider sicher nicht immer unumstritten aber doch nach besten Kräften engagierte und durch seine Arbeit den Grundstein für einen weiteren Aufbau des Filmhauses als festen Bestandteil Frankfurter Filmkultur legte. Wir möchten an dieser Stelle den Geschäftsführer "in spe” vorstellen, mit dem S. Lohenstein über Vergangenheit, Zukunftspläne und Perspektiven sprach.
Doch zunächst etwas zur Person. Ernst Szebedits kam auf Umwegen zur Beschäftigung mit dem Film. Als gelernter Versicherungskaufmann war er mit 23 Jahren "voll auf dem Karrieretrip. Ich wollte meinen Porsche und meine Penthouse-Wohnung ", beschreibt er seine Ziele, die sich aus dem damaligen Motto "Wir wollen alles und zwar schnell" ergaben. Sein Aufstieg innerhalb der Branche vollzog sich ungewöhnlich rasch, doch mit 26 hatte er das Gefühl "Ich muß hier raus!” (und zwar sofort). Er kündigte zu allseitigem Entsetzten "damals hatte ich schon meinen Sportwagen” und meldete sich am Hessenkolleg in Wiesbaden an um sein Abitur nachzumachen. Das war zu der Zeit, als die Abendgymnasien in Frankfurt durch ihre rege Streiktätigkeit ins Gespräch kamen und da Ernsts Freundeskreis vorwiegend aus Studenten bestand, waren ihm die Inhalte der Streikenden vertraut. Ein halbes Jahr arbeitete er noch als Handlungsbevollmächtigter in seiner alten Firma, aber bald vertrug sich das nicht mehr mit seinen Kollegratstätigkeiten: "da rennst du rum und agitierst für Streiks und da kontrollierst du deine Mitarbeiter. Das war nicht zum aushalten,” begründet er seinen kompletten Ausstieg aus dem Versicherungsgeschäft. Nach dem Abitur besuchte er die Universität, wo er zunächst Pädagogik studierte, aber nicht, um Pädagoge zu werden, sondern, "um ganz klassisch zu studieren, also, um mir Bildung anzueignen”. Das war in diesem Fachbereich am ehesten möglich, da hier am wenigsten Scheine und Prüfungen nachzuweisen waren. An der Universität arbeitete er beim ASTA mit und lernte Jürgen Franke kennen, mit dem er zum ersten Mal ein Filmfestival besuchte, nämlich die Internationalen Filmfestival in Berlin. War Ernst auch schon früher ein so eifriger Kinogänger, das ihm heute die privaten TV-Sender kaum etwas neues bieten können, so entstand damals die Idee bei ihm, daß "mit Filmanalyse auch Gesellschaftsanalyse betrieben werden kann”. Als Doppelstudium belegte er daher Germanistik und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften. Bald kam das Engagement bei der Pupille und Schöne Neue Welt hinzu, wo die inzwischen erstarrten akademischen Polit-Diskurse auf cineastische und daher freiere Diskussionsgrundlagen gelenkt wurden. Ernst war klar, daß er in diesem Bereich seine Berufsperspektive suchen sollte und begab sich auf die Medienakademie. Überhaupt sind Seminare in seinem Leben anscheinend ein zentraler Punkt. In den letzten 4 bis 5 Jahren besuchte und organisierte er so manches, unter anderem bei der Werkstatt Frankfurt und, über das Gemeinschaftswerk Evangelischer Publizistik auch für die Evangelische Akademie Arnoldsheim. Hinzu kam seine Beschäftigung mit Computern und Video, die er auch in der Bildungsarbeit umzusetzen wußte. Schließlich schrieb er für die Zeitschrift Medien praktisch und assistierte Michael Kötz bei der Organisation der Mannheimer Filmfestspiele 1991. Diese Tätigkeit nun aufgeben zu müssen, bedauert er übrigens sehr und betont, daß er mit kaum jemandem so gut zusammengearbeitet hätte, wie mit Michael Kötz, daß ihm seine Zuständigkeit für die Filmemacher Spaß gemacht und er sich eigentlich sehr darauf gefreut hatte, dieses Jahr wieder dabei zu sein. Soviel als tröstlichen Nachruf für Michael Kötz, der sich nun einen neuen Assistenten suchen muß. Was er auf jeden Fall weiter machen will, ist seine Arbeit in der FSK. Hier wurde er für 3 Jahre berufen und will die Gelegenheit nutzen, sich nun ansehen, wie dort die Entscheidungen zustande kommen, von denen er glaubt, das die Altersfreigaben zu hoch angesetzt sind, ausgenommen bei den Filmen, in denen es um die Problematik Sexualität und Gewalt geht, da er hier einen gesellschaftlich noch nicht ausreichend aufgearbeiten Bereich sieht, vor dem Kinder und Jugendliche durch einen Schutzmechanismus bewahrt werden sollten. Auch seine Arbeit an den Arnoldsheimer Filmgesprächen wird er nicht aufgeben, sowie er es auch als notwendig ansieht, "öfters mal unterwegs zu sein". Damit ist die Anwesenheit auf Filmfestivals als Repräsentant des Filmhauses gemeint, die allerdings nur dann möglich ist, wenn im Büro jemand sitzt, der Ernst entsprechend vertreten kann, wobei wir schon bei einem weiteren, brennenden Thema sind, nämlich die Frage, ob Marlis Emmerich dem Filmhaus erhalten bleiben wird oder nicht.
"Ich hätte es ja gerne, daß Marlis weiter arbeitet. Sie ist kompetent und kennt den Betrieb des Filmhauses”, meint Ernst Szebedits, der dies dem Vorstand auch schon signalisierte. Möglichkeiten, Marlis Stelle auch über das Jahr 92 hinaus zu erhalten, scheinen sich aufgetan zu haben und selbst wenn Marlis ihre Tätigkeit für das Filmhaus nicht mehr ausüben will, besteht Ernst auf einer fähigen Mitarbeiterin oder Mitarbeiter, "die weiß, was ich weiß, also nicht irgendeine Sekretärin, sondern jemand, mit dem ich inhaltlich zusammenarbeiten kann, so daß nicht jeder mit allem zu mir kommen muß.” Wenn Ernst Szebedits seine Ziele verwirklichen will, dann wird er allerdings weniger Schreibkräfte als vielmehr engagierte Mitarbeiter brauchen, die ihn nach allen Kräften unterstützen. Zunächst wird ja die Frage zu klären sein, ob die Stadt Frankfurt ihr Versprechen wahr macht, bei Zustandekommen der Betreibergesellschaft die Miete des Filmhaus Frankfurt e.V. in der BoschFabrik zu bezahlen. Wenn dem so sein sollte, und Skeptiker wie Werner Rosmaity von der Medienwerkstatt bezweifeln das: ”lch sehe zwar den gutwilligen Ansatz, bezweifele aber noch dessen konsequente Umsetzung. Bisher jedenfalls haben sich die Politiker bei der Umsetzung ihrer Versprechungen eher schwer getan, wenn es darum ging, aus dem insgesamt gekürzten Haushalt, Mittel für neue Projekte bereitzustellen", dann bliebe immer noch bis Ende 1993 Zeit genug für Ernst, dem Filmhaus zu öffentlicher Präsenz zu verhelfen, "Um das zu forcieren, ist eine politische Lobbyarbeit zu betreiben, die jedem klarmacht, daß es das Filmhaus nicht nur gibt das hat ja auch der Bruno Schneider schon geschafft sondern vor allem, warum es das gibt. Damit wäre der erste Schritt getan, um politisch etwas erreichen zu können. Das gilt natürlich auch auf der Sponsorenebene. Ich denke, es wäre der nächste wichtige Schritt, Sponsoren aufzutreiben, um nicht allein von der Finanzierung durch die Stadt abhängig zu sein. Hier könnte man durch Fördermitgliedschaften oder Spenden von Werbefirmen bis hin zu Banken oder natürlich auch Privatpersonen, Finanzierungshilfen auftreiben. Aber dazu müssen Gründe, warum das Filmhaus unterstützt werden soll, öffentlich gemacht werden. Und das geht am Besten indem z.B. Veranstaltungen tatsächlich organisiert werden. Es reicht nicht, nur immer zu sagen, wir würden ja gerne etwas machen, wenn wir die Bosch-Fabrik hätten, sondern das muß jetzt getan werden, um die Wichtigkeit des Filmhauses zu dokumentieren." Wie diese Veranstaltungen aussehen könnten, gibt Ernst auch zum Besten. Ihm geht es in erster Linie um die Schwerpunkte Filmtheorie, -kritik und -Wissenschaft. Die Seminararbeit mit Filmemachern, wie sie das Filmhaus bisher hauptsächlich betrieben hat, sieht er als gut funktionierenden Bestandteil der Filmhausaktivitäten an, von dem aber die Öffentlichkeit meist ausgeschlossen bleibt. Da die theoretische Auseinandersetzung mit Film in Frankfurt ohnehin eine weitaus ältere Tradition hat als die Filmproduktion, würde Ernst bei seinen Veranstaltungen auch gerne da ansetzten. Nach dem Vorbild von "Film- Ware-Kunst” schwebt ihm vor, "namhafte Kritiker aus der Bundesrepublik einzuladen und über Filme zu diskutieren, aber fast spannender wäre es, mit Künstlern aus anderen Bereichen, wie Theater und der digitalen Ästhetik darüber zu diskutieren, wie rudimentär Film tatsächlich noch in unserer Gesellschaft ist. Ich finde es überhaupt wichtig, in Frankfurt auch mal deutlich zu machen, daß Film nicht einfach nur Kino und Amusement ist, das überhaupt nichts mit Kunst zu tun hat, sondern neben Oper, Theater die "Kunst des 20en Jahrhunderts” ist um einmal Walter Benjamin zu zitieren. Und diese Kunst wird inzwischen bereits durch die Neuen Medien ein Stück an den Rand gedrängt. Zu diesem Themenkreis gibt es Fachleute und Filmmaterial, so daß man z.B. auch demonstrieren kann, wie weit sich das Theater durch den Film verändert hat. Das wäre ein Diskussionsthema: Wie ist das Wechsel-Verhältnis von Kino und den klassischen Künsten.” Uber solche Veranstaltungen denkt Ernst auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen, wie dem Städel, der Alten Oper, Theater und natürlich den im Filmbereich angesiedelten Gruppen, zu erreichen: "Ich bin eben ein Freund von der großen Vernetzung!” "Je größer die Veranstaltung wird, umso mehr Gewicht hat sie wenn der Inhalt proportional mitwächst", spricht er eine große Tatsache gelassen aus.
"Ich arbeite ohnehin lieber in Gruppen. Diese Einzelkämpfergeschichten boten sich im Filmhaus natürlich an, weil nicht so furchtbar viele Mitarbeiter da sind, aber mir liegt das überhaupt nicht. Ich habe schon im Vorfeld mit Schöne Neuen Welt, die mir als langjährigem Mitarbeiter nahe steht, darüber gesprochen. Hier gab es zwar genauso Animositäten gegenüber dem Filmhaus, wie ich überhaupt eine gewisse Distanz zum Filmhaus bei einigen Gruppen bemerkt habe, zu denen ich viele Kontakte habe, aber ich möchte auch diese Institutionen gerne zu Kooperationen heranziehen.” Mit Schöne Neue Welt bietet sich eine Vernetzung auch an, denn sowohl die Landesregierung als auch die Universität haben ihr "Okay” zum Ausbau der Camera gegeben. Zu regeln sind noch einige Details und die Finanzierung, aber Ende 93 könnte die Camera als gewichtiger Ort des politischen Kinos (mit Cafe) genutzt werden. Der Gedanke, dann ein regelrechtes Filmviertel in Frankfurt zu haben, mit dem Filmhaus in der Bosch-Fabrik und der Camera, klingt geradezu visionär. Damit wäre aber auch der Zusammenhang zu den Medienwissenschaftlern hergestellt. Aber dem nicht genug, erklärt Ernst: "Ich habe viele Kontakte zu ganz anderen Bereichen, da sind Journalisten, mit denen ich zu tun habe, da sind Festivalleiter wie Michael Kötz, Fee Vaillant und Martin Rabius, da ist die Evangelische Filmarbeit, Carsten Visarius und alle diese Kontakte können noch stärker genutzt werden und ich denke, daß funktioniert nur über den persönlichen Kontakt. Es ist entscheidend, daß du Leute kennst, mit denen du dir inhaltlich darüber klar bist, was du willst und die dich unterstützen. Mein erster Gedanke war daher auch, einen Diskussionskreis zu installieren, der sich alle 4 bis 6 Wochen trifft um über aktuell wichtige Themen zu reden. Die Teilnehmer diese Kreises sollten aus unterschiedlichen Bereichen kommen, sei es aus der Produktion, der Filmtheorie, -kritik, - Wissenschaft oder auch dem Management, die sich trotz persönlicher Animositäten doch wieder auf einer inhaltlichen Ebene zusammenfinden, weil man ja das Selbe will, nämlich ein öffentliches Film- und Medienzentrum in Frankfurt.” Hinzu kommen natürlich auch die Kontakte, die Bruno Schneider bereits herstellte. Auch er hatte vornehmlich durch den direkten persönlichen Kontakt so manchen Zweifler bekehrt und letztlich auch als Gründungsmitglied des Arbeitskreis Film & Medien Vernetzungsidee und filmpolitische Lobbyarbeit schon ansatzweise umgesetzt. Etwas, das Ernst übrigens zu schätzen weiß: "Bruno mußte ja erstmal den ganzen Apparat aufbauen, vom Briefkopf über die Büroeinrichtung, Geld beschaffen und für Akzeptanz sorgen.” Zusammenfassend schildert Ernst: "Der Punkt ist also weniger die Seminararbeit, sondern die öffentlichen Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen um darüber die Wichtigkeit des Filmhauses für Frankfurt zu dokumentieren und dadurch die Verhandlungen mit der Stadt zu erleichtern. Dem Magistrat muß klar werden, daß dieses Filmhaus im Grunde genommen ein Geschenk für die Stadt Frankfurt ist." Im Juni hat Ernst aber noch etwas vor, was sicher die Politiker besonders beeindrucken wird. Er wird mit Armin Halstenberg vom NDR eine Rundfunksendung über das Filmhaus Frankfurt machen, die auch noch in anderen Sendern laufen soll. Damit hätte das hiesige Filmhaus dann tatsächlich das, wovon unsere Kulturpolitiker immer träumen: überregionale Bedeutung und damit Prestige für diejenigen von ihnen, die es verstehen, sich schnell genug als ideeller und finanzieller Unterstützter einer so überaus wichtigen Frankfurter Einrichtung... naja, wir kennen das ja alle. Selbstverständlich sieht Ernst aber auch den direkten Kontakt zu den Politikern als Lobbyarbeit an. Er wird dabei nicht nur den SPDlern und GRÜNEN seinen Antrittsbesuch abstatten, sondern auch CDU und FDP informieren. "Es ist politisch wichtig, daß man diese Parteien nicht übergeht, denn sie sind in Frankfurt unter Umständen auch wieder als Regierungsparteien anzusehen. Auch wenn SPD und GRÜNE die Wahlen wieder gewinnen sollten, muß man sie informieren und sei es nur aus Stilgründen. Ich halte das einfach für politisch klug, sich damit auch CDU und FDP als potentielle Bündnispartner offen zu halten. Es gehört einfach zur politischen Arbeit, daß man sich bei allen Parteien präsent macht.” Wenn das alles hinter ihm liegt, dann könnte sich die Arbeit von Ernst wieder auf cineastische Inhalte beziehen. Und da liegt ihm besonders die Problematik um den deutschen Film am Herzen. Er stellt sich vor, 2 bis 3 Veranstaltungen mit Institutionen wie z.B. Pandora, Schöne Neue Welt, TVT oder Cineteam zu organisieren, wobei der bundesrepublikanische Film im Sinne selbstkritischer Reflexion von Filmschaffenden und Kritikern betrachtet werden sollte. An dieser Stelle diskutierten wir recht heftig das letzte Max- Ophüls-Filmfestival in Saarbrücken, wo Ernst in der Interfilm-Jury saß und daher gezwungen war, jeden Wettbewerbsfilm bis zum bitteren Ende durchzuhalten, was angesichts ihrer Qualität nun wirklich nicht alle eine beneidenswerte Beschäftigung zu bezeichnen ist. Für ihn war "erschreckend, was da so produziert wird. Ich hatte in Saarbrücken den Eindruck, daß die Produzenten dieser Wettbewerbsfilme von nichts anderem erzählen können, als von sich selbst. Das mag ja sehr wichtig sein für diejenigen, die die Filme gemacht haben, aber warum machen die dann nicht eine Therapie? Ich meine, Film ist in erster Linie Unterhaltung. Wenn ich ins Kino gehe, will ich unterhalten werden. Das heißt nicht, daß ich dabei lachen muß, ich unterhalte mich auch bei Straub, sondern, daß mir eine bestimmte Realität, mit der ich nicht mal was zu tun haben muß, gezeigt wird, die mich faszinieren will. Aber bei dem größten Teil diesen Wettbewerbsbeiträgen kam es mir nicht so vor, als wollten die Filmemacher ihr Publikum unterhalten. Entweder wollten sie mit ihren Filmen belehren, oder sie sollten besonders "künstlerisch” sein. Und dabei haben sie dann alles solange strapaziert bis Form und Inhalt überhaupt nicht mehr zusammenpassen. Kino ist ein Massenmedium. Film ist immer ein Industrieprodukt weshalb die Trennung von Kunst und Kommerz auch fatal ist das von vielen Leuten und Technik produziert wird, da kann man sich nicht nur mit sich selbst beschäftigen.” Ein Standpunkt, den so manche Filmkünstler dem zukünftigen FilmhausChef übel vermerken könnte. Aber im Zusammenhang damit, daß Film schließlich eine sehr kostspielig zu praktizierende Kunst ist, scheint es angebracht, gerade nach den Saarbrücker Erfahrungen, den Stand der Dinge auf eine andere Weise als der sehr vereinfachenden Schuldzuweisung an die Gremien einzelner Landesfilmförderungen zu untersuchen. Tatsächlich provozieren diese Gremien vornehmlich eine Schere im Kopf der Regisseurinnen und Regisseure, denn wer auch immer zu seinen Projekten befragt wird, redet stets vom Geld beschaffen, kaum über seine Arbeit an dem Film oder dessen Inhalt. "Darüber sollte man diskutieren, ob diese Fördergeschichten schon so in den Köpfen der Leute verankert sind, daß sie keine Filme mehr machen können”, meint er und formuliert seinen Blick auf den Nachwuchs frei nach Fassbinder so: "Wenn du wirklich einen Film machen willst, kannst du dir notfalls auch das Geld zusammenlügen. Mehr als ein Offenbarungseid kann dir nicht passieren, wie Fassbinder sinngemäß einmal gesagt hat. Ihm war diese Abhängigkeit von Fördergeldern auch zu der Zeit ein Rätsel, als er noch nicht alles Geld bekam, das er haben wollte. Sicher ist dieser Standpunkt extrem, aber er könnte zumindest eine Diskussion über diese Schere in den Köpfen der Filmemacher forcieren.” Als Beispiel für einen anderen Weg zum Beruf des Regisseures oder der Regisseurin führt Ernst an, was ihm durch seine Kontakte nach Israel positiv aufgefallen ist. Dabei geht es ihm vor allem um die Einstellung zu dieser Profession: "Die meisten israelischen Regisseure haben, bevor sie ihren ersten Spielfilm gemacht haben im Ausland ihr Handwerk gelernt. Vor allem bei MTV in New York oder London haben sie erstmal Videoclips inszeniert, und behaupten alle im nach hinein, dadurch viel gelernt zu haben. Das gilt übrigens auch für den Nachwuchs in Ländern wie England oder Amerika. Da lernen die angehendem Filmemacher, indem sie erstmal vom Werbefilm bis Wahlkampfbeitrag alles mögliche inszenieren, dabei Geld verdient, Kontakte knüpfen können und so schließlich auch ins Geschäft gekommen. Dazu muß man das allerdings ganz pragmatisch erstmal als einen Beruf ansehen, der versucht, Geschichten zu erzählen. In Deutschland dagegen scheint jeder, der Film studiert hat oder Filmemacher werden will, sich von vornherein als Künstler zu sehen und einerseits Angst hat, mit Werbefilmern oder Videoclip-Regisseuren in einen Topf geworfen zu werden, aber andererseits leider auch nichts in einer verallgemeinerungsfähigen Form mitzuteilen hat. Also, ich bin nicht der Meinung, daß jeder, der meint, einen Film machen zu müssen, oder glaubt, Filmemacher zu sein, ein Recht auf Geld hat. Es gab ja in den 70ern diese Tendenz die Freiburger Medienwerkstatt war da ein Vorreiter, der sich inzwischen auch professionalisiert hat Video quasi als Gegenöffentlichkeit auf einer dokumentarischen Ebene zu nutzen. Da ging es auch darum, daß jeder ein Künstler und gesellschaftliches Wesen ist. Damals setzte man sich dafür ein, daß jedem entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Aber beim Spielfilm trifft das einfach nicht zu, da stimmt es einfach nicht, daß man keine professionelle Qualifikation braucht, um Filme machen zu können. Aber natürlich ist es auch schwerer, einen zu kritisieren, der behauptet, Kunst produziert zu haben. Für Ernst Szebedits liegt das Manko des bundesdeutschen Films ohnehin eher im Mangel an guten Regisseurinnen und Regisseuren, als im Überschwemmen der Kinos durch amerikanische Produktionen. Er gehört auch nicht zu denen, die ständig um den "deutschen”, "französischen” oder "europäischen” Film besorgt sind. Ohne das amerikanische Kino, so meint er, wären die europäischen Filme genausowenig denkbar, wie das amerikanische ohne das europäische Kino, "wobei ja der Kunstfilm ein Abfallprodukt des Mainstreamkinos ist, insofern profitiert er davon”. Für den bundesrepublikanischen Film sieht er eine Chance darin, "einfach zu sagen, das ist eine Kunstform, und die kann auch nur in der subventionierten Weise überleben, wie Theater oder Oper auch. Ohne Subventionen wird es den Celluloid-Film bald nicht mehr geben, nur noch diese einfacher zu produzierenden Sachen, wo du nicht mehr weißt, ob das real abgefilmte Bilder sind, oder computeranimierte. Gerade Film als Massenkunst ist wichtig für diese Gesellschaft und den Kunstbereich und muß daher behandelt werden, wie Theater und Oper auch. Das heißt natürlich nicht, lauter abgedrehtes Zeug zu produzieren, was dann wieder niemand sehen will, so wie diese Wettbewerbsfilme in Saarbrücken.
Bei dem Thema Nachwuchsfilm oder -förderung kommen wir unweigerlich auf die Absolventen der Offenbacher Filmklasse und die letzte Filmschau Frankfurt zu sprechen. Ernst dazu: ”Da gab es ja das Problem bei der letzten Filmschau, weil sich die Studenten aus Offenbach absondern, da sie sich ausgeschlossen fühlten. Ich will alles für tun, daß das nicht noch mal passiert. Die Filmschau Frankfurt ist eine ganz örtlich begrenzte Veranstaltung, für die auch keiner von Auswärts anreist. Insofern haben die Offenbacher natürlich einen berechtigten Anspruch auf eine Chance, ihre Filme zu zeigen. Ich denke, wenn es ohnehin nur so eine kleine Filmszene gibt, dann sollte man die nicht noch auseinander dividieren, Auch wenn dann beide Seiten Abstriche machen müssen. Statt einer Retro wie die vom Experimentalfilmfestival in Knokke, die vielleicht in Oberhausen passend ist, aber hier nur einen kleinen Kreis von interessierten Kennern betrifft, wäre ein Programm mit den Filmen aus Offenbach angebrachter gewesen. Aber vielleicht verstehe ich da auch den Sinn der Filmschau Frankfurt ja nicht richtig. Zu einer solchen Spaltung der Szene wäre es vielleicht gar nicht erst gekommen, wenn bereits ein Austausch zwischen den Filmschaffenden, dem Nachwuchs und den etablierten stattfinden würde. Getreu dem Konzept des Filmhauses, will Ernst auch daran arbeiten. Er stellt sich hier auch wieder eine Zusammenarbeit mit kulturpolitischen und privatwirtschaftlichen Institutionen vor. So könnten z.B. in der Camera Kontakte und Filmpräsentationen organisiert werden. Mit dem Regisseur Thomas Carle hatte Ernst schon mal hypothetisch über einen solchen Diskussionskreis nachgedacht, den beide vermissen, was es in Berlin gibt, nämlich bestimmte Kneipen und Cafes, in denen man sich treffen kann, Ideen entwickelt, vielleicht auch einiges wieder verwirft, aber durch den ständigen Dialog sicherlich insgesamt produktiver arbeiten kann, als in der hiesigen Grabenkampfsituation. Sicher wären solche Veranstaltungen eher Foren in denen über Produktionsbedingungen gesprochen würde, aber: "Ich glaube, es gibt auch Interesse bei der Öffentlichkeit daran, etwas über Produktionsbedingungen zu erfahren und ich denke, daß es auch so manchem Filmkritiker und -theoretiker ganz gut anstehen würde, sich mal mit Filmemachern über Produktionskriterien zu unterhalten." Also auch hier wieder die Vernetzung zwischen Theorie und Praxis, ein Ansatz, der in anderen Ländern bereits erfolgreich verlaufen ist, deren Installation sich allerdings hierzulande als schwierig erweist. Bei der MEWI-Filmreihe Kino im Bunker wurde das bereits versucht, funktionierte aber in erster Linie zwischen Publikum und Filmschaffenden. Gerade von den Kritikern und Theoretikern ließ sich hier trotz Einladung niemand sehen. "Ich denke, da spielt noch etwas anderes eine Rolle. Es kommt nämlich in Frankfurt darauf an, wo etwas stattfindet. Da gibt es genauso wie gegen das Filmhaus, gegen Schöne Neue Welt oder andere Veranstalter auch gegen die MEWI und "Kino im Bunker" Animositäten. Das hängt mit der Spaltung zwischen Film und Medienpädagogik zusammen, einem vermeintlichen Widerspruch, der künstlich aufrechterhalten wird. Und zwar von beiden Seiten. Die Medienpädagogen sind für die Filmemacher Lehrer, die keine Ahnung vom Filmgeschäft haben, die Medienpädagogen werten die Filmer ab, weil sie glauben, die Filmemacher säßen auf einem absterbenden Ast, und wüßten nicht, daß Medien mehr bedeuten als nur Film. Da gerät natürlich die MEWI erstmal in die medienpädagogische Ecke. D.h., viele Leute aus dem Filmbereich haben Berührungsängste, sich mit der Einrichtung MEWI einzulassen. Ich kenne das aus meiner Arbeit im Bereich der evangelischen Publizistik. Ich bin ja Dipl. Pädagoge und wenn ich das als Referent auf Filmseminaren sage, schlucken erstmal 15 Leute, weil sie denken, der diskutiert jetzt "Wie-kann-ich-Film-im- Unterricht-verwenden?”. Mein Schwerpunkt ist zwar eindeutig Filmtheorie, aber ich habe auch Computer- und Videokurse gemacht, Seminare besucht und selber abgehalten, weil ich die Auseinandersetzung mit möglichst vielen verschiedenen Bereichen der Medien als notwendig empfinde. Letztlich ist es vor allem unproduktiv, diese Spaltung zwischen Film und anderen Medienbereichen zu forcieren." "Wenn ich etwas will, kann ich sehr zielstrebig sein", sagt Ernst Szebedits von sich selbst und das wird der Verein Filmhaus Frankfurt sicher auch zu spüren bekommen.
Ernst, der das Gefühl hat, mit dem Vorstand - Thomas Mank, Leo Poth und Reinhard Oswalt - gut zusammen arbeiten zu können, will sich mit der Bitte um Unterstützung auch nachdrücklich an das Kuratorium des Filmhauses wenden. "Da sitzen ja kompetente Leute, die ich auch gerne mal aufsuchen würde, um mit ihnen zu besprechen, wie weit sie das Filmhaus unterstützen wollen”, meint er, der sich vorstellen kann, als Lobbyisten auch jemanden wie Herrn Leipziger von der Kommunikationsfabrik anzusprechen. Für diesen arbeiten überdies zwei ehemalige ASTAMitstreiter und außerdem besteht hier ein reges ökonomisches Interesse an dem Aufbau einer funktionierenden Filmproduktion. Die Spaltung zwischen Gewerbe und Kunst soll letztlich ja auch durch die jüngst gegründete Betreibergesellschaft aufgehoben werden.
Bruno Schneider, der diese Betreibergesellschaft mit begründete, wird dann, wenn das Medienzentrum seine Arbeit aufnimmt, allenfalls Früchte seiner Pionierarbeit ernten können, Ernst Szebedits, der hier ein wenig wie der Kronprinz dasteht, hält folgendes von der "großen Lösung”: "Ich bin total begeistert von dem Gedanken, mit kommerziell arbeitenden Institutionen aus dem Film- und Medienbereich in einem Haus zu sitzen, unter anderem, weil da auch der Nachwuchs Gelegenheit hätte, sein Handwerk zu lernen. Das ist mir lieber als alleine in der Bosch-Fabrik zu sitzen."
Im nächsten Heft stellen wir in einem Porträt den Filmemacher und scheidenden Geschäftsführer des Filmhauses Bruno Schneider vor. (Die Red.).
Kategorie: Personenportrait (GRIP FACE)
Schlagworte: Filmhaus Frankfurt
