GRIP 67
10.07.2023
Rollenbilder im Film entdecken
Der in Frankfurt ansässige Bundesverband Jugend und Film e.V. (BJF) ist die zentrale Organisation für die Filmarbeit mit jungen Menschen in Deutschland. Der Verband fördert durch vielfältige Aktivitäten deren Filmbildung, kulturelle Teilhabe und Medienkompetenz. Im April 2023 fand die BJF-Jahrestagung in Wiesbaden statt, ein Netzwerktreffen für Fachkräfte in diesem Bereich. Leonie Rieth ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des BJF und organisiert die Tagung seit 2022.
Von Andrea Wenzek
GRIP: Was macht den Charakter der BJF-Jahrestagung aus?
Leonie Rieth: Die Mischung aus Filmsichtungen, Fachvorträgen, Workshops und intensiven Diskussionen – immer unter einem Themenschwerpunkt. Für alle in der Kinder- und Jugendkulturarbeit Tätigen ist es die ideale Möglichkeit, sich mit Kolleg*innen auszutauschen und langfristig zu vernetzen. Auch bietet die öffentliche Mitgliederversammlung für Interessierte die Möglichkeit, aktiv die Arbeit des BJFs mitzugestalten. Das war auch der ursprüngliche Gedanke bei der Entstehung der Tagung: Ein Programm mit Mehrwert rund um diese MV zu stricken.
Der Schwerpunkt lag dieses Jahr auf „Rollenbilder im Kinderund Jugendfilm“. In den Vorjahren ging es um Rassismus und Klimawandel. Was konnten die Teilnehmenden diesmal mitnehmen?
Ziel der Tagung ist, Filme zum jeweiligen Thema kennenzulernen und darüber zu diskutieren. Und wir vermitteln auch unterschiedliche pädagogische Formate, wie man Filme einsetzen und mit jungem Publikum besprechen kann.
Die Referentinnen Bianca Rilinger und Melanie Leusch haben zum Beispiel ein Konzept für einen diversitätssensiblen Workshop mit Kindern und Jugendlichen vorgestellt und so Grundlagen für die Arbeit mit Vielfalt im Film geliefert. Darin erarbeiten junge Menschen gemeinsam Vielfaltsdimensionen und Diskriminierungsmerkmale, indem sie auf einem Plakat sammeln, welche Merkmale ihnen in Bezug auf Vielfalt einfallen. Zum Beispiel zu geschlechtlicher Identität, ethnischer Herkunft, Religion und Körperformen. Anschließend wird ein Film damit überprüft und bewertet. Eines unserer interaktiven Workshops von Drehbuchautor Duc-Thi Bui stieß auf besonderes Interesse. Die Teilnehmenden haben darin ihre eigenen Rollenverständnisse anhand von Rollenspielen entdeckt.
An der Tagung haben überraschend viele junge Menschen teilgenommen.
Ja, die Tagung richtet sich immer auch an alle interessierten Jugendlichen. Schließlich möchten wir als Verband der kulturellen Bildung wissen, welche Filme sie gerne schauen und was ihre aktuellen Anliegen sind und wie sie sich die pädagogische Arbeit mit dem Medium Film vorstellen. Auch in diesem Jahr waren wieder junge Menschen dabei – alleine, in einer Freundesgruppe oder mit einer Lehrkraft. Dann haben wir erneut mit den Jugendjurys der FBW, also der Deutschen Film- und Medienbewertung, zusammengearbeitet. So konnten Mitglieder der FBW-Jugend Filmjurys aus Frankfurt und Berlin aktiv bei der Filmauswahl mitbestimmen, Gespräche zu den Filmen vorbereiten und dann vor Ort führen. Der Input der jungen Menschen ist immer eine Bereicherung. Und wir im BJF können unsere Arbeit dank dieser Beteiligung zielgruppengenau ausrichten.
Stehen die von euch ausgewählten Filme der Sichtung schon für die nichtgewerbliche Filmarbeit zur Verfügung?
Die gezeigten Filme sind ein Mix aus Festival-Neuheiten und Kurzfilmen, die beispielsweise auf dem Nachwuchsfilmfestival des BJFs „Werkstatt der Jungen Filmszene“ liefen. Und dann Produktionen, die sich neu im Verleih des BJFs, der Clubfilmothek, befinden – oft sogar mit pädagogischem Begleitmaterial. Die Verleihzahlen steigen nach der Tagung meist an. Das ist sehr positiv zu sehen, da der Verleih aktuell noch nicht dem Niveau wie vor Corona entspricht. Kommen neue Filme gut auf der Tagung an, werden sie für den BJF-Verleih vorgeschlagen, damit sie rasch für die nichtgewerbliche Filmarbeit zur Verfügung stehen.
Welcher Film hat Sie besonders beeindruckt?
Der Dokumentarfilm „Der Weg von Hand und Fuß“. Die Begleitung von Mädchen und Frauen in einer Taekwondo-Schule in Offenbach mit starken Illustrationen als Leitmotiv durch den Film hindurch ist inhaltlich sowie künstlerisch bemerkenswert. Daher haben wir uns entschieden, den Film auch in den Verleih zu nehmen. Aktuell arbeiten wir am pädagogischen Begleitmaterial, sodass der Film auf DVD und zum Download voraussichtlich im August 2023 erscheint.
Steht schon das Thema für das kommende Jahr fest?
Das Thema für 2024 steht noch nicht fest. Hier werden wir im Spätsommer wieder durch eine Umfrage bei unseren Mitgliedern und Netzwerken abfragen, welche Inhalte sie aktuell am meisten beschäftigen. Was wir aber schon wissen: Die nächste Jahrestagung findet vom 19. bis 21. April 2024 in Wiesbaden statt.
Kategorie: Interview