GRIP 67
10.07.2023
Der Kiez ohne Peter Zingler
Dass man Toiletten in Gebäuden auch als Telefon benutzen kann, weiß normalerweise nur jemand, der länger im Knast saß. Dass dies auch einem breiteren Publikum bekannt wurde, verdankt es dem Drehbuchautoren Peter Zingler.
Von Dieter Brockmeyer
In seinem ersten Leben war er Einbrecherkönig und saß dafür insgesamt 12 Jahre in verschiedenen Gefängnissen. Er nutzte die Zeit, um sich das Schreiben beizubringen, mit Erfolg. Sein erstes dort entstandenes Drehbuch kam auf Empfehlung des Schauspielers Günter Strack, dem er sein Manuskript zuschickte, zur Bavaria. Zingler durfte den Knast früher verlassen, der Rest ist Geschichte.
Als er jetzt mit 78 Jahren starb, konnte er auf über 100 umgesetzte Drehbücher und Romane zurückschauen, unter anderem prämiert mit einem Grimme Preis. Romane und Filme, die das Leben schreiben, mit knarzigen aber liebenswerten Typen – und einem Happy End! Zingler war einer der fruchtbarsten deutschen Drehbuchautor*innen. Mit zu seinen größten Erfolgen gehören die Bücher für den Kölner Tatort mit Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt. Schon im Knast begann er seine Kindheit und Jugend aufzuschreiben, geprägt von den chaotischen Nachkriegsjahren, nachzulesen in seinem 2015 publizierten Roman „Im Tunnel“. In Anlehnung an den Roman strahlte die ARD im selben Jahr den Zweiteiler „Die Himmelsleiter“ aus, zu dem Peter Zingler auch das Drehbuch schrieb. In Frankfurt kannten wir ihn auch als einen der Gründer der frühen Romanfabrik in der Uhlandstraße 21. In dem Haus wohnte er auch mit anderen Autor*innen. Darin betrieb er die Kellerkneipe und bot Schriftsteller*innen eine Bühne. Seine Nähe zum Milieu hat er nie aufgegeben. Auf die, die ihn nicht kannten, wirkte er mitunter schroff; wenn man ihn auf dem falschen Fuß traf, wurde man schnell in fließendem Kölsch „in die Ecke gestellt“. In Wahrheit aber war Zingler ein überaus sensibler und herzlicher Mensch.
Er liebte Frankfurt, vor allem das Ostend, den Kiez, wo er wohnte, auch wenn ihn der Verfall des alten Milieus, eingeleitet vom Zuzug der Europäischen Zentralbank, entsetzte. Keine Großmarkthalle mehr, kein „Sudfass“, dafür Luxustürme. Jetzt ist auch der Zingler Peter aus dem Kiez verschwunden – und er fehlt, denn solche Kerle, solche Karrieren gibt es viel zu selten. Denn eines ist unbestritten, seines war ein erfülltes Leben.
Kategorie: Nachruf