GRIP 64
06.01.2022
Viele hessische Filme drängen in die Kinos
Seit der Wiedereröffnung der Kinos im Juli läuft eine breite Welle von Filmen aus Hessen in den Kinos an. Etliche davon wurden von der HessenFilm und Medien GmbH gefördert. Und wie schlagen sich die Verleiher im Rhein-Main-Gebiet?
Von Reinhard Kleber
Wie erwartet hat die Coronapandemie zu einem Filmstau in den deutschen Kinos geführt, der nur allmählich abgebaut wird. Dementsprechend sind im vergangenen Herbst viele Filme angelaufen, die während der Kinoschließungen nicht ausgewertet werden konnten. Dazu kommen Filme, die gerade fertig wurden. Beides gilt auch für Filme aus Hessen oder mit Beteiligten aus dem Bundesland. Laut HessenFilm starteten 14 Filme zwischen Anfang Juli 2021 und Ende Oktober 2021 – von COURAGE von Aliaksei Paluyan bis SILENCE RADIO von Juliana Franjul.
Fünf weitere Starts waren bis zum Jahresende geplant – von DAS SCHWARZE QUADRAT von Peter Meister bis STILLE IM SCHREI von Axel Loh. Bis zum Jahresende sind somit 19 Filme mit hessischer Förderung in die Kinos gekommen. „Damit laufen im Herbst und Winter 2021 etwa doppelt so viele HessenFilm geförderte Filme in den Kinos an als im Vergleichszeitraum 2019“, resümiert die Geschäftsführerin Anna Schoeppe.


Mehr Vielfalt im Programmangebot
Auch wenn die Coronakrise etliche, teils mehrfache Kinostartabsagen ausgelöst hat, so lasse sich doch festhalten, dass der Großteil der HessenFilm geförderten Filme den Weg ins Kino findet, so Schoeppe. Dies führe zu einer größeren Vielfalt im Filmangebot, die insbesondere kleineren Kinos die Chance bietet, ihr Zielpublikum noch optimaler anzusprechen und sich von anderen Angeboten zu unterscheiden.
An der breit angelegten Kinoauswertung ist auch der Frankfurter Filmverleih jip in beachtlichem Maß beteiligt. Seit der Wiedereröffnung der Kinos im vergangenen Jahr startete er drei Filme, so am 9. September das österreichische Gesellschaftsdrama WAREN EINMAL REVOLUZZER von Johanna Moder. Ihr zweiter Langfilm wurde auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis 2020 für die beste Regie ausgezeichnet und erhielt Verleihförderung von HessenFilm.
Im November startete jip binnen drei Wochen drei weitere Filme: PARIS KEIN TAG OHNE DICH, EINE HANDVOLL WASSER und KABUL, CITY IN THE WIND. Die stimmungsvolle Kabul-Doku von Aboozar Amini lief bereits auf dem LICHTER Filmfest in Frankfurt 2020 und erhielt von HessenFilm eine Verleihförderung von 10.000 Euro. Die PARIS-Doku der Hamburger Filmemacherin Ulrike Schaz, angekündigt als „poetischer Film über das Leben als Kollateralschaden der Terrorismusbekämpfung“, wurde von der Kölner Firma Made in Germany Filmproduktion GmbH produziert.
Demgegenüber ist EINE HANDVOLL WASSER ein hessisches Eigengewächs. Der Friedberger Regisseur Jakob Zapf und seine junge Frankfurter Independent-Firma Neopol Film drehten das Filmdrama mit Jürgen Prochnow, der einen grimmigen Greis verkörpert. Er freundet sich mit einem jemenitischen Flüchtlingsmädchen an. Der in Hessen produktionsgeförderte Film lief unter anderem auf dem LICHTER Filmfest 2021.
Zahlreiche Starts in den Arthouse-Kinos
Damit hat jip 2021 sechs Filme herausgebracht. „Das sind genauso viele wie im Vor-Corona-Jahr 2019, aber teilweise dicht gedrängt“, erklärt Geschäftsführerin Julia Irene Peters und konstatiert „einen unglaublichen Filmstau“: Im Arthouse-Bereich starteten zwei- bis dreimal mehr Filme in den Kinos als üblicherweise. Peters hat erst einmal keine neuen Filme mehr für ihr Programm akquiriert und beobachtet die weitere Entwicklung.
Generell verleiht jip „sehr gerne Filme, die in Hessen oder mit hessischer Unterstützung entstanden sind“. Neben EINE HANDVOLL WASSER verweist sie für 2022 auf den vielfach prämierten Film THE OTHER SIDE OF THE RIVER der Kasseler Regisseurin Antonia Kilian und EINMAL ALLES ANDERS*, den die in Bad Homburg geborene Regisseurin Annette Ernst für Stoked Film aus Frankfurt gedreht hat. „Wir suchen aber auch Filme auf dem internationalen Markt und legen besonderes Augenmerk auf Produktionen aus Osteuropa und afrikanischen Ländern“, so Peters.
Auch der zweite hessische Filmverleih hält sich vorerst mit Kinostarts zurück. William Peschek, Geschäftsführer des Anfang 2020 gegründeten JETS Filmverleih, sagt: „Der letzte Film, den wir in die deutschen Kinos während der Coronapandemie herausgebracht haben, war im Oktober 2020 ASTRONAUT mit Richard Dreyfuss in der Hauptrolle. Wegen der Coronapandemie zwischen Ende 2020 und dem Jahr 2021 haben wir von weiteren Kinoveröffentlichungen abgesehen.“ Peschek weiter: „Nach Gesprächen mit Kinobetreibern und eigenen Marktanalysen haben wir beschlossen, im Jahr 2021 keine Kinofilme zu starten. Unser jüngster Animationsfilm TROLL – DIE MAGISCHE WELT VON TRYM kam direkt im Stream und auf DVD/Blu-ray heraus.“
* Werkstattgespräch im Seminarprogramm Frühjahr/Sommer 2022
Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)
Schlagworte: Corona, Kino, Filmförderung, Filmkultur, Filmwirtschaft, Verleih
