GRIP 64

06.01.2022

Bald mehr als ein Kaffeeklatsch?

Die Initiative Hessen Film nahm im November 2021 die Wahl des Intendanten im Hessischen Rundfunk (hr) zum Anlass, einen offenen Brief an den Rundfunkrat zu richten. Demnach sollten die Mitglieder anlässlich dieser Wahl auch die strikte Eigenproduktionspolitik des Senders überdenken. Gerade deshalb siedelten sich im Rhein-Main Gebiet nur wenige Produktionsfirmen dauerhaft an.

Von Andrea Wenzek

Der hr ist der einzige deutsche Sender, der bis heute eine konsequente Inhouse-Politik verfolgt. Alle anderen öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten geben ihre Spiel- und Dokumentarfilmproduktionen heraus an regionale Produktionsfirmen. Auch so hat sich jenseits von Berlin in Städten wie Köln, Hamburg und München eine rege Filmbranche entwickeln können, nicht aber in Frankfurt. Die Produzentin Ina Knobloch hatte auf diesen Missstand erneut hingewiesen, als sie sich für die hr-Intendantenwahl bewarb. Doch sie wurde nicht nominiert.

Hin zu einem attraktiven Filmstandort
Die Initiative fordert nicht nur, dass sich der hr hin zu mehr Auftrags- und Koproduktionen öffnet. Auch soll sich der Sender an einem Produktionszentrum in Zusammenarbeit mit der regionalen Branche, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, der HessenFilm und Medien GmbH und der Stadt Frankfurt beteiligen. Ziel ist, dass sich Stadt und Region endlich zu einem attraktiven Filmstandort entwickeln. Bereits vor der 2008 gegründeten Initiative Hessen Film machte insbesondere die AG DOK den hr regelmäßig auf die durch die Hauspolitik des Senders hervorgerufenen Standortnachteile für Dokumentarfilmer*innen aufmerksam. Öffentlich zuletzt mit dem medial vielbeachteten Flashmob „Wir müssen draußen bleiben“ vor dem Haupteingang des Senders. Als sich Knobloch für das Intendantenamt bewarb, legte die AG DOK bald darauf nach mit der Forderung, dass es kein „weiter so“ geben dürfe. „Daraufhin erreichte uns ein Gesprächsangebot vonseiten der Programmdirektorin Gabriele Holzner“, berichtet Hannes Karnick von der AG DOK Hessen.

Beschnuppern beim Kaffee
Eine weitere zentrale Forderung der Initiative ist „eine gezielte Förderung regionaler Talente im dokumentarischen und fiktionalen Filmschaffen, sowohl in Buch und Regie als auch in den Gewerken und in der Produktion.“ Im Vorfeld der Intendantenwahl haben die Spiel- und Dokumentarfilmredaktionen des hr mit dem Verbund Junge Generation hessischer Film bereits zarte Bande geknüpft. Man traf sich im Sommer und Herbst 2021 zum „hr-Kaffeeklatsch“, wo junge Produktionsfirmen ihre aktuellen Filmprojekte im One-on-One-Gespräch vorstellten. Es wird sich bald zeigen, ob der hr unter dem frisch gewählten Intendanten Florian Hager zumindest anteilig etwas an der Inhouse-Politik ändern wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass junge Talente weiterhin in andere Regionen abwandern. In der Initiative Hessen Film sind die Vereinigung der Hessischen Filmwirtschaft e.V., die AG DOK e.V. Hessen, das Film- und Kinobüro Hessen e.V., das Filmhaus Frankfurt e.V., die Junge Generation Hessischer Film und die AG Filmfestival Hessen vertreten.

Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)

Schlagworte: TV/Rundfunk, Institution, Filmwirtschaft, Filmproduktion, Dokumentarfilm, Filmpolitik

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