GRIP 59

01.11.2018

Große Auswahl, viele Schwerpunkte

Ein Überblick zur deutschen Filmhochschulszene

Von Reinhard Kleber

Seit Mitte der 1960er Jahre ist in der Bundesrepublik eine erkleckliche Zahl von Filmhochschulen entstanden. Dank seiner föderalen Struktur leistet sich Deutschland inzwischen ein weit gespanntes Netz an Film- und Medienhochschulen, die in den führenden Medienstandorten angesiedelt sind.

Den Startschuss in Westdeutschland gab 1966 die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB), die als erste privatrechtliche, städtische Filmhochschule der Bundesrepublik gegründet wurde. Im Jahr darauf folgte die staatliche Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München. Fast ein Vierteljahrhundert dauerte es, ehe 1990 mit der staatlichen Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) und 1991 mit der vom Land Baden-Württemberg getragenen Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg weitere Einrichtungen eröffnet wurden. Im Jahr 2000 nahmen die private Internationale Filmschule Köln (ifs), die aus den Fortbildungseinrichtungen Schreibschule Köln e.V. und Filmschule NRW e.V. hervorging, und die halbstaatliche Hamburg Media School (HMS) den Betrieb auf. Die bei weitem älteste Filmhochschule steht jedoch in Potsdam: Die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, früher Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“, wurde schon 1954 in der DDR nach dem Vorbild der Moskauer Filmhochschule WGIK gegründet.

In Deutschland sind die Filmhochschulen eigenständige Einrichtungen, die nicht - wie im angelsächsischen Raum üblich - meist an etablierten Universitäten angegliedert sind. Sie haben vorwiegend den Status von Kunsthochschulen, einige haben die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ungeachtet ihrer gebräuchlichen Bezeichnung umfasst das Lehrangebot neben Film oft auch Fernsehen und andere audiovisuelle Medien. Die Studiendauer beträgt in der Regel zwischen acht und zehn Semester.

Alle sieben genannten Hochschulen sind Mitglieder im internationalen Filmhochschulverband CILECT (Centre National de Liaison des Ecoles de Cinéma et de Télévision). Dem Verband gehören hierzulande auch die private Macromedia Hochschule mit Standorten in sechs Städten sowie die Fachhochschule Dortmund an, die einen Master-Studiengang Film anbietet.

Die DFFB legt neben der Vermittlung des Handwerks besonderen Wert auf die Entwicklung einer individuellen Handschrift jedes Studierenden sowie auf die kreative Zusammenarbeit der einzelnen Gewerke in der filmischen Praxis. Sie bietet vier Studiengänge als Vollzeitstudium an: Regie, Produktion, Bildgestaltung/Kamera und Drehbuch. Im Herbst 2018 ist noch der Studiengang Montage Bild & Ton hinzugekommen.

Die Berliner Einrichtung offeriert keine Master- oder Bachelorstudiengänge. Das Studium endet in den Fächern Regie, Produktion und Kamera mit der Fertigstellung eines Abschlussfilms, im Fach Drehbuch mit der Herstellung eines Drehbuchs. Alle Absolventen erhalten ein Abschlusszeugnis.

Wer davon träumt, die Filmherstellung zum Beruf zu machen und an der HFF München zu studieren, kann dort zwischen fünf Studiengängen wählen: Kino- und Fernsehfilm, Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik, Produktion und Medienwirtschaft, Drehbuch und Kamera. Die Lehrangebote der Abteilungen Medienwissenschaft und Technik sind für alle Studierenden obligatorisch. Eine gesonderte Bewerbung für das Studium dieser Fächer ist nicht möglich. Absolventen können sich zudem auf den Ergänzungsstudiengang „Theater-, Film- und Fernsehkritik“ in Kooperation mit der Bayerischen Theaterakademie August Everding bewerben.

In ihrem Leitbild schreibt die HFF, dass sie "gleichermaßen besonderen Wert legt auf umfassende gestalterische, filmhandwerklich-technische, medienwirtschaftliche und medienwissenschaftliche Ausbildung, auf Freiraum für ästhetische Experimente, auf filmsprachliche Innovation und auf einen komplexen inhaltlichen Diskurs über das filmische Erzählen als Reflexion der gesellschaftlichen Wirklichkeit." Zudem stellt sie das „Lernen durch Tun“ als zentralen methodischen Ansatz in den Mittelpunkt der Ausbildung. Zu ihrem Selbstverständnis gehört es, dass alle Lehrkräfte neben der Lehre weiterhin künstlerisch oder beruflich professionell tätig sind und bleiben. Dies soll den aktuellen Diskurs und Austausch zwischen Praxis und Lehre sichern.

Die Filmakademie Baden-Württemberg setzt seit jeher konsequent auf das projektorientierte Lehrkonzept „learning by doing“. Die etwa 500 Studierenden werden von mehr als 300 hochkarätigen Fachleuten aus der Film- und Medienbranche betreut. In Teams von Studierenden aller Gewerke entstehen jährlich etwa 250 Filme aller Genres. Die Palette der Studienangebote ist sehr breit: Animation, Kamera, Dokumentarfilm, Drehbuch, Fernsehjournalismus, Filmmusik, Filmton/Sounddesign, Interaktive Medien, Montage/Schnitt, Motion Design und Produktion. Besonders bekannt ist die Akademie in Ludwigsburg für ihren Animationsschwerpunkt. Seit 2002 gibt es dort das Animationsinstitut, das inzwischen zur Weltspitze in den Studiengängen Animation und Interaktive Medien gehört.

Als einzige deutsche Filmhochschule führt die KHM den Begriff Kunst im Namen. Das signalisiert bereits, dass die Kölner Institution einen Hauptakzent auf die künstlerische Ausbildung ihres Nachwuchses legt. Sie bietet ein breit gefächertes Studium, das die Bereiche Kunst, Film und Wissenschaft in dem Fachbereich "Mediale Künste" verbindet. Das Diplom "Mediale Künste" kann über den grundständigen Studiengang in neun Semestern oder über den weiter qualifizierenden Studiengang in vier Semestern erworben werden. Ein Bachelor- oder Masterabschluss wird nicht angeboten.

Die ifs nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als sie als Tochter der Filmstiftung NRW aus einer handwerklich orientierten Weiterbildungsmaßnahme hervorgegangen ist. Im Jahr 2000 wurde sie als gemeinnützige GmbH gegründet, deren alleinige Gesellschafterin die Film- und Medienstiftung NRW ist. 2004 schloss sie einen Franchisevertrag mit der Fachhochschule Köln ab, die auch die staatlich anerkannten Abschlüsse verleiht.

Das Fächerangebot umfasst den Bachelorstudiengang Film mit den Schwerpunkten Drehbuch, Regie, Kreativ Produzieren, Kamera, Editing Bild & Ton, VFX & Animation und Szenenbild sowie die internationalen Masterstudiengänge Serial Storytelling, Digital Narratives und 3D Animation for Film & Games. Die Studiengänge werden in Kooperation mit der TH Köln angeboten. Zudem gibt es umfassende Weiterbildungsangebote von Kostümbild bis zur Masterclass Non-Fiction.

Großen Wert legt die ifs auf Praxisbezug und viele Kontakte zur Medienbranche schon während des Studiums. Niedrige Studierendenzahlen und ein Zwei-Jahres-Rhythmus bei der Zulassung sollen eine individuelle und intensive Betreuung gewährleisten. Auf ihrer Homepage lobt die ifs die „"sehr guten beruflichen Perspektiven": „"Zwei Drittel aller Alumni finden innerhalb von drei Monaten nach Abschluss in der Medienlandschaft Beschäftigung."

Ein außergewöhnliches Profil unter den deutschen Filmhochschulen weist die 2003 gegründete Hamburg Media School (HMS) auf: sie empfiehlt sich als einzigartige Kombination aus öffentlich und privat geförderter Medienausbildung. Hier kann man nicht nur Film, sondern auch die Masterstudiengänge Medienmanagement und Digital Journalism belegen. Dazu kommen umfangreiche Weiterbildungsprogramme.

Das Master-Filmstudium dort gilt als die kleinste Filmschule im deutschsprachigen Raum. Es richtet sich an junge Filmschaffende, die sich als Autor, Regisseur, Produzent oder Kamerafrau/-mann etablieren möchten. Im Verhältnis zur Zahl der Studierenden ist sie nach eigenen Angaben die erfolgreichste deutsche Filmhochschule. Im Schnitt erleben die zwölf hergestellten Filme im Jahr mehr als 500 internationale Aufführungen und gewinnen mehr als 50 Auszeichnungen. Bisher haben fünf HMS-Teams einen Studenten-Oscar gewonnen.

Kategorie: Hintergrundbericht (GRIP FORUM)

Schlagworte: Ausbildung/Weiterbildung/Studium, Nachwuchs

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