GRIP 57

01.11.2017

Verzweifelt gesucht

Der Beruf des Filmgeschäftsführers

Von Andrea Wenzek

Die Berufsbezeichnung „Filmgeschäftsführer“ führt zunächst in die Irre. Sogar Filmkundige denken oft, es handele sich dabei um die Geschäftsleitung einer Produktionsfirma. Andere, die glauben sich auf dem Set auszukennen, meinen: „Der macht doch nur die Buchhaltung!“ Klingt ziemlich langweilig, ist es aber nicht. Trotzdem sind Filmgeschäftsführer und deren Assistenten rar auf dem Markt.

Filmgeschäftsführer (FG) kümmern sich um den kaufmännischen Bereich eines Filmprojekts. Dazu gehört die steuerrechtlich einwandfreie Finanzbuchhaltung, eine sozialversicherungsrechtlich korrekte Lohnbuchhaltung sowie eine zeitnahe Liquiditäts- und Kostenkontrolle. Silke Nitz, erfahrene FG, die schon in Teams von Regisseuren wie Wolfgang Becker, Caroline Link und Alain Gsponer dabei war, fasst es so zusammen: „Wo stehen wir, und wo geht es in der aktuellen Filmproduktion hin.“ Hierzu trifft sie sich durchschnittlich einmal pro Woche mit dem Produktionsleiter, um die Ergebnisse ihres Controllings zu besprechen. In der Hierarchie des Stabs sind die beiden gleichgestellt, über ihnen stehen nur der Produzent und gegebenenfalls der Herstellungsleiter. Beide schauen regelmäßig rein, um ihre Nerven zu beruhigen. Schließlich sollen die Kosten nicht explodieren.

Wer jetzt denkt, Silke Nitz kümmere sich nur um Zahlen, irrt. „Ich bin beim Dreh vor Ort, alle vom Set haben die Möglichkeit, mich direkt anzusprechen.“ Dazu gehören nicht nur die Kollegen im Produktionsbüro: Produktionsleiter, Aufnahmeleiter und die Produktionsassistenz. In der Tat kommen vom Best Boy bis hin zum Maskenbildner alle im Büro des Filmgeschäftsführers vorbei. Schließlich geht es ums Geld, sei es die Gage oder die Abrechnung von Barausgaben.

Der Set Designer hält zum Beispiel mit dem FG gerade einen Plausch, und plötzlich schneit die Hauptdarstellerin hinein, um ihre Taxiquittungen abzuliefern. Hier kommt nicht der Filmgeschäftsführer zur Diva, sondern umgekehrt. Der Kontakt zu den Menschen, nicht nur zu den Zahlen war für Silke Nitz der Grund, sich als studierte Diplom-Kauffrau für diesen Beruf zu entscheiden: „Ich habe mich deshalb ins Filmemachen verliebt, - und habe wirklich meinen Traumjob gefunden!“

Eine Ausbildung zum Filmgeschäftsführer gibt es bislang nicht. Das Filmhaus Köln hatte entsprechende Weiterbildungen inklusive der Vorbereitung auf eine IHK-Prüfung vor einigen Jahren geplant, das Projekt scheiterte jedoch an der Insolvenz des Hauses. Von Vorteil für den Berufseinstieg ist eine kaufmännische Ausbildung, sei es als Steuerfachkraft oder Buchhalter. Auch ein BWL-Studium mit anschließender Praxiserfahrung ermöglicht einen Quereinstieg.

Auch Ungelernte haben sich über die Jahre vom Buchhaltungsgehilfen bis zum FG hochgearbeitet. Voraussetzung ist, dass man die Finanzbuchhaltung zuverlässig beherrscht. Durch Weiterbildungen kann man sich anschließend zum Lohnbuchhalter qualifizieren, denn die Sachkenntnis über die komplexe Abrechnung der Gagen ist besonders wichtig. Meist beginnt die Karriere mit einem Praktikum und der Mitarbeit als FG-Assistenz bei vier bis fünf Filmprojekten. Danach ist es eine Frage der Selbsteinschätzung und der Empfehlung von Kollegen, ob man sich als verantwortlicher FG an das erste Filmprojekt wagen kann. Andere haben zunächst als Angestellte in der Hauptbuchhaltung einer Produktionsfirma gearbeitet und haben dann Feuer gefangen, so auch Silke Nitz.

Produzenten beschäftigen Filmgeschäftsführer projektbezogen, das heißt befristet. Einige als Angestellte, andere als Freie. Das heißt, dass sie, wie alle Filmschaffenden, zwischenzeitlich arbeitslos sind. Die Dauer ihrer Arbeit beträgt je nach Filmart und Budget 10 bis 20 Wochen. Bei einem 90minütigen TV-Spielfilm starten sie circa zwei Wochen vor Drehbeginn und kümmern sich nach Drehende um den Projektabschluss, dazu gehören mitunter auch die Abrechnungen mit den Sendern und den Filmförderungen. Bei größeren Produktionen wie Kinofilmen und TV-Serien unterstützen Assistenten die Filmgeschäftsführung während des Drehs. „Gerade Filmgeschäftsführungs-Assistenten werden von uns verzweifelt gesucht!“ sagt Sybille Steinfartz von der ZAV in Köln, der Künstlervermittlung für Film und Fernsehen der Agentur für Arbeit. „Sie reichen für die Anzahl der Produktionen in Deutschland nicht aus“ ergänzt Steinfartz. Und um nicht zu vergessen: Die Assistenten sind der Nachwuchs für den Berufsstand überhaupt.

Kategorie: Berufsbild

Schlagworte: Crew, Filmproduktion, Dreharbeiten

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