GRIP 57
01.11.2017
Kein Nischenprogramm auf Festivals
Gleich mehrere Festivals in Hessen sind reine Dokumentarfilm-Events
Von Claudia Prinz
Nahezu alle Filmfestivals in Hessen – egal, ob etwa goEast, Nippon Connection oder Lichter - zeigen neben fiktionalen auch dokumentarische Filme unterschiedlicher Längen. Drei hessische Festivals haben sich jedoch auf das weite Feld des Dokumentarfilms spezialisiert; in ihren Programmen werden ausschließlich Beiträge dieses Genres aufgeführt.
Das bekannteste ist das 1982 gegründete Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest, dessen Fokus auf aktuellen Dokumentarfilmen aus dem In- und Ausland sowie experimentell-künstlerischen Arbeiten liegt, die sich ihren Themen mit dokumentarischen Mitteln annähern. Belief sich anfangs die Zahl der Einreichungen auf kaum mehr als 40 Produktionen, so sind es mittlerweile über 3.000 Titel, die sich alljährlich bewerben.
Und längst wird das im Zentrum stehende Filmprogramm von einer ganzen Serien an Rahmenveranstaltungen flankiert wie der Medienkunstausstellung „Monitoring“, der interdisziplinären Workshop-Tagung „interfiction“ oder verschiedenen audiovisuellen Performances in der „DokfestLounge“, um nur einige zu nennen. Seit 2013 sind zudem Studierende der Kunsthochschule Kassel mit ausgewählten Arbeiten vertreten und seit 2016 wartet das Planetarium mit einer Auswahl an Fulldome-Filmen auf. "Uns ist vor allem daran gelegen, möglichst viele Menschen an Dokumentarfilme heranzuführen“, sagt Gerhard Wissner, der Leiter des Festivals, das Mitte November an den Start geht (14. – 19.11.).
Für Wissner ist die Kasseler Filmschau darüber hinaus aber auch zu einer wichtigen, wenn nicht sogar der wichtigsten Plattform für das hessische Film- und Mediengeschehen geworden. "Mit einem Anteil von rund 20 Prozent hessischer Arbeiten im Programm, mit einem Preis für den besten nordhessischen Film, durch die Zusammenarbeit mit der hessischen Film- und Medienakademie (hFMA), durch diverse Weiterbildungsseminare und dem seit 2010 eingeführten Hessischen Hochschulfilmtag schaffen wir Öffentlichkeit und unterstützen sowohl etablierte als auch junge Film- und Medienschaffende aus Hessen." Das Kasseler Dokfest vergibt vier Preise, die insgesamt mit 20.000 Euro dotiert sind.
Das zweite Festival, das sich rein im Dokumentarfilmgenre verortet, ist die Globale Mittelhessen, die dezentral auf mehrere Städte verteilt stattfindet. Die Globale versteht sich als globalisierungskritisches Forum, das versucht, den eurozentristischen Blick auf die Probleme dieser Welt zu hinterfragen. Zu den Themen gehören die globale Finanz- und Wirtschaftskrise ebenso wie die weltweite Spekulation mit Ackerflächen und Wasser, die Produktionsbedingungen bei der Massenfertigung von Konsumgütern und Nahrungsmitteln sowie die Kriege um Rohstoffe.
Als dritte Festivaladresse ist 2016 das Golden Tree International Documentary Film Festival in Frankfurt hinzugekommen. Es wird von der privaten Beijing Huanyun-Shangde International Cultural Exchange Co. Ltd. organisiert, einer 2010 gegründeten Medienfirma, die sich auf den kulturellen Austausch zwischen China und dem Ausland spezialisiert hat. Das Festival will kritischen und kreativ vielschichtigen Dokumentararbeiten eine Plattform bieten und die Dokumentarkunst und den Austausch von internationalen Dokumentarfilmen fördern. Die Filme werden von einer internationalen Jury ausgewählt, es werden Preise von insgesamt 8.500 Euro vergeben. Hannes Karnick ist von deutscher Seite Berater und Leiter der Programmabteilung. „Ich finde die Entscheidung, in Frankfurt ein weiteres Dokumentarfilmfestival zu etablieren, richtig. Es können gar nicht genug Dokumentarfilme gezeigt werden. Nach wie vor ist der Dokumentarfilm ein Zeitdokument, das sowohl im aktuellen als auch im Bereich der Geschichte Zusammenhänge darstellen kann und dem Publikum die Möglichkeit gibt, seine Wahrnehmung zu schärfen, sowohl im eigenen Land als auch weltweit", so Karnick. Seinem Verständnis nach haben Festivals heute einen anderen Charakter als früher, denn sie machen Filme zugänglich, die normalerweise nirgends zu sehen sind.
Im ersten Jahr war war das Golden Tree Festival noch ein Treffen des Fachpublikums in einem relativ geschlossenen Kreis. In diesem Jahr hat man vorgezogen, es für ein allgemeines Publikum zu öffnen. Dazu Karnick: "Das Cine-Star Metropolis war dafür der geeignete Ort, sowohl für die Foren, die ich betreut habe, als auch für die Filmvorführungen und als Treffpunkt für Filmschaffende wie Gäste. Ich hoffe sehr, die chinesischen Veranstalter verfolgen den eingeschlagenen Weg auch weiter.“
Kategorie: Hintergrundbericht (GRIP FORUM)
Schlagworte: Dokumentarfilm, Festival