GRIP 54

01.05.2016

Rückenwind für die Newcomer?

Zur Ausbildung und Förderung des Filmnachwuchses in Hessen

Von Rotraut Pape und Jan Peters

Spätestens seit Anfang des Jahres hat in Hessen das Schlagwort Filmnachwuchs (und die Förderung desselben) Hochkonjunktur. Ein Grund dafür sind die zahlreichen Stellungnahmen und Positionierungen vor, während und nach der Umstrukturierung der Filmförderung, jetzt Hessen Film und Medien GmbH genannt. Als Lehrende an zwei der vier Hochschulen mit Film-Studiengängen, begegnen die Autoren dieses Beitrags denen, über die in letzter Zeit so viel gesprochen wird, täglich hautnah und kennen nicht nur die Sorgen und Ängste des Filmnachwuchses, sondern auch ihre Potentiale und Qualitäten.

Anders als in anderen Bundesländern, wo klassische Filmhochschulen direkt für kooperierende Sendeanstalten und ortsansässige Produktionsfirmen schulen, zielt die Filmausbildung in Hessen neben den klassischen Disziplinen in der arbeitsteiligen TV- und Kino-Branche vor allem auch auf den unabhängigen Autorenfilm und die Weiterentwicklung der audiovisuellen Sprache mittels neuer, den heutigen Medienmöglichkeiten und Technologien entsprechender Formate.

Das bundesweit einzigartige Konzept einer hessischen Film- und Medienakademie (hFMA), eines Netzwerks von 13 Hochschulen, besticht international durch die flexiblen Möglichkeiten, spezielle Talente hochschulübergreifend zu fördern, virulente Themen in Theorie und Praxis aufzugreifen, Lehrangebote, Vorträge, Workshops, Multiplikatoren gegenseitig zugänglich zu machen, Kooperationen zu generieren und neue Formen der Sichtbarmachung des künstlerischen Nachwuchses unserer Region zu initiieren: Zum Beispiel auf dem "Hessischen Hochschulfilmtag", der seit 2010 von Studierenden selbstorganisiert und durch die hFMA unterstützt wird.

Jährlich werden hier während des Kasseler DokFests einem wachsenden Fachpublikum die neusten und erfolgreichsten Nachwuchsfilme aller Genres und Gattungen präsentiert und geplante Projekte gepitcht. Das Feedback der Besucher fließt in die Auswahl für die "Hessen Talents" ein, die seit 2009 jährlich durch die hFMA auf dem European Film Market der Berlinale präsentiert werden. Viele dieser und weitere Filme schaffen Ihren Weg in die Kurzfilmszene, sind auf Festivals präsent, etwa im Wettbewerb der "Berlinale Shorts", sie gewinnen Preise, reisen mit German Films nach Cannes zu den "Next Generation Short Tigers", sind im Kurzfilmkatalog "German Short Films" der AG Kurzfilm und sind auf den zugehörigen DVDs vertreten und machen Hessen international bekannt als Nachwuchsschmiede der besonderen Art.

Seit 2005 gibt es auch die Fördermittel für Abschlussfilmen an Hochschulen. Mittel, die jede Hochschule nach eigenen Vergabekriterien und passend zu ihren unterschiedlichen Studienordnungen bestmöglich zu nutzen versucht, wobei jede Hochschule den gleichen und seit 2005 leider auch gleichgebliebenen Betrag pro Jahr erhält. Das man diese Abschlussfilmförderung aufstocken müsste, ist allen Beteiligten klar.

Und seit Seit November 2007 sendet der Hessische Rundfunk (hr) viermal im Jahr kompilierte Hochschulfilme: Die 33. Folge der Reihe "Frischfilm - die Nacht der Hochschulfilme" wurde im März 2016 ausgestrahlt. Pro Sendung wird ein Anerkennungshonorar von 150 Euro (bei maximal 10 Minuten) gewährt. Die Sendezeit liegt jeweils in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, deutlich nach 24 Uhr, mit einer Wiederholung später auf Eins Festival. Und zusätzlich wird der Film noch in die Mediathek eingestellt, unentgeltlich freilich.

Unregelmäßige Rückmeldungen zur Einschaltquotensituation belegen im Vergleich zu länger zurückliegenden Sendungen, wie viel mehr Aufmerksamkeit dem Nachwuchs durch Sendezeiten zuteil werden könnte, wenn die Ausstrahlung nicht nach, sondern vor Mitternacht erfolgte (hessenweit 30.000 Zuschauer mit 5,3 Prozent Marktanteil, bundesweit: 40.000 Zuschauer und 0,6 Prozent Marktanteil in 2011).

Aber könnte der Nachwuchs den Wunsch der Sender nach Crossmedialität nicht am ehesten erfüllen, wenn er selbst statt kompilierter Filmrollen ein eigenes Format entwickeln würde? Vorbilder gibt es wie zum Beispiel "Kurzschluss" auf arte oder "Unicato" im MDR – mit Berichterstattungen zu aktuell und inhaltlich starken Themen und mit angemessenem Budget ausgestattet, zur Auswertung nicht nur im TV, sondern auch online.

Ideen hat dieser besondere Nachwuchs jede Menge. Deshalb freuen wir uns für ihn auf den neuen Wind und hoffen, dass es ein Rückenwind wird, bei dem die professionelle Szene den Filmnachwuchs auf jede erdenkliche Art kompetent flankiert.

* Rotraut Pape und Jan Peters sind Professoren für Film an der HfG Offenbach bzw. Kunsthochschule Kassel

Kategorie: Gastbeitrag (ehemals Selbstdarstellungen von institutioneneigenen Mitarbeitern / ab GRIP 63)

Schlagworte: Ausbildung/Weiterbildung/Studium, Nachwuchs, Filmförderung, TV/Rundfunk, Kurzfilm

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