GRIP 52

01.05.2015

Neue Filmförderung nimmt Gestalt an

Zum 1. Januar soll die GmbH stehen. Aber viele Fragen sind noch in der Diskussion

Von Hannes Karnick

Noch wird ein zugkräftiger Name gesucht für die neue GmbH, in der ab Anfang 2016 die bisherige wirtschaftliche Filmförderung Hessen Invest Film und die kulturelle Filmförderung des Landes zusammengefasst werden. Auch der Hessische Rundfunk (hr), so der Plan, wird die bisherige sogenannte „hr-Filmförderung“ in die GmbH einbringen, vorbehaltlich der Zustimmung seiner Gremien. Im Umkehrschluss steht zu erwarten, dass der Landessender - neben dem Land – als Gesellschafter in die GmbH eintreten wird. Von einer weiteren öffentlich-rechtliche Anstalt aus dem Rhein-Main Raum als Wunschpartner des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst ist obendrein die Rede.

Die AG DOK hält die dominante Stellung des Landessenders innerhalb einer neuen Förderinstitution für nicht unproblematisch und verweist darauf, dass bundesweit der starke Sender-Einfluss auf Förder-Institutionen innerhalb der Kino-Branche zunehmend kritisch gesehen wird. In manchen Fällen ziehen öffentlich-rechtliche Sender aus regionalen Filmförderfonds sogar mehr Fördermittel heraus, als sie einzahlen – eine solche „Umwegfinanzierung“ von TV-Inhalten ist politisch nicht gewollt und widerspricht dem Grundgedanken, der regionalen Produktionswirtschaft zu größerer wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu verhelfen. Deshalb beobachtet die AG DOK die Symbiose von Förderungen und Fernsehanstalten mit grundsätzlicher Skepsis – eine Position, die der AG DOK-Vorstand erst kürzlich in der Zeitschrift „Politik und Kultur“ des Deutschen Kulturrates unterstrichen hat.

Nach allem, was man hört, ist nicht davon auszugehen, dass es mehr Geld und Personal als bisher für die neue GmbH nicht geben wird. In seiner Bilanzpressekonferenz hat Kunststaatsminister Boris Rhein (CDU) kürzlich verkündet, dass die Förderetats der letzten Jahre zwischen 7,2 und 7,7 Millionen Euro lagen. Dies wird wohl auch in Zukunft der Maßstab sein. Zu hoffen wäre aber, dass schlankere Verwaltungswege und Synergieeffekte die Effektivität steigern.

Bisherigen Überlegungen zufolge wird die neue Förderung ihre Schwerpunkte voraussichtlich auf Nachwuchsentwicklung und auf mittelbudgetierte Filme verschiedener Genres legen. Für absolute Low-Budget-Filme mit Herstellungskosten von 5.000 bis 100.000 Euro sollen insgesamt 250.000 Euro im Jahr als Zuschuss zur Verfügung stehen, für Filme mit einem Budget zwischen 100.000 und 1,5 Millionen Euro sind 2.4 Millionen Euro eingeplant und für Filme ab 1.5 Millionen Euro Herstellungskosten etwa 1.9 Millionen Euro an Beihilfen.

Inwieweit im mittleren Bereich Zuschüsse oder „bedingt rückzahlbare Darlehen“ vergeben werden können, ist noch nicht klar und hängt vom Gesamtfinanzierungsmodell der Filmförderung ab. Erwartet wird, dass der mittlere Förderbereich dazu beiträgt, innovative dokumentarische und szenische Projekte entstehen zu lassen.

Darüber hinaus soll der Bereich "Entwicklung" mit rund 400.000 Euro akzentuiert werden. Darin enthalten ist eine Nachwuchs-Paketförderung, um dem Nachwuchs aus dem Kreativ- wie aus dem Produktionsbereich eine längerfristige Perspektive in Hessen zu geben und die Filmlandschaft in Hessen „von unten“ zu verstärken. Die bisherige Förderung von Hochschulabschlussfilmen in Höhe von insgesamt soll 100.000 Euro erhalten bleiben.

Neu und noch in der Diskussion ist eine automatische Infrastruktur-Förderung nach Vorbild des Deutschen Filmförderfonds (DFFF), die – ausgestattet mit 750.000 Euro - für TV-Produktionen mit besonders hohen Hesseneffekten eingerichtet wird. Davon verspricht man sich eine bessere und gleichmäßigere Beschäftigung in den Produktionsgewerken in produktionsschwachen Jahreszeiten.

Und schließlich sollen die Verleih- und Vertriebsförderung verstärkt und die Kino-, Festival- und Abspielförderung verstetigt werden. Im Gespräch ist auch der Erhalt respektive der Ausbau einer Postproduktionsförderung für Filme, primär Dokumentarfilme, die nicht das herkömmliche Fördersystem durchlaufen haben.

Bei einem Treffen im Januar mit der Filmwirtschaft erklärte der Minister, dass dem Aufsichtsrat der GmbH neben den Gesellschaftern Land und hr auch Vertreter der Branche angehören sollten. Und last but not least wird man sich der Frage zuwenden müssen, wie sich die Aktivitäten des Film- und Kinobüros (insbesondere die Filmreihen, Abspielringe und der Kinosommer) in der neuen Struktur wiederfinden.

Die AG DOK hat zwischenzeitlich Minister Rhein den Vorschlag gemacht, die Breite der Gesellschafter durch Verbände und Institutionen aus der Filmbranche zu erweitern. Als Vorbild könne dabei die Struktur der Service- und Marketing-Gesellschaft „German Films“ dienen. Bei „German Films“ sind jedenfalls nicht nur die institutionellen Geldgeber, also die Filmförderungsanstalt (FFA), der Bund (vertreten durch die Stiftung Deutsche Kinemathek) und die Länder-Förderer (vertreten durch Bayern, NRW und Berlin-Brandenburg) Gesellschafter der GmbH, sondern auch die wichtigsten Branchenverbände: die Allianz Deutscher Produzenten, die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK), die Arbeitsgemeinschaft Kurzfilm (AG Kurzfilm), der Verband Deutscher Filmexporteure (VDFE) und der Verband Deutscher Filmproduzenten.

Ein derartiges Modell auf die neue hessische Filmförderstruktur zu übertragen, hält die AG DOK nach anwaltlicher Prüfung für sinnvoll und praktikabel, denn auf diese Weise ist es möglich, Expertise und Engagement der Branchenvertreter in die neue GmbH formell einzubinden. In Hessen ist die Einbindung der unabhängigen Produktionswirtschaft in die Gesellschafterstrukturen auch deshalb besonders wichtig, da es mit dem hr, bedingt durch seine dezidierte Eigenproduktionspolitik, bislang wenig Austausch gibt. Eine Beteiligung des hr als Gesellschafter sollte mit einem Aufbruch im Programm und in der Produktionsweise des Senders Hand in Hand gehen.

Vorstellbar wäre weiterhin eine Beteiligung der hessischen Landesmedienanstalt für Privaten Rundfunk (LPR), deren Überschussmittel zum Teil in die Förderung einfließen, die aber auch mit Ihrem medienbildnerischen Ansatz gut in das Profil einer neustrukturierten Filmförderung passen würde. Auch wenn bei der LPR in Hessen noch satzungsrechtliche Fragen zu lösen wären, eröffnen sich hier zusätzliche Perspektiven.

Neben der Gesellschafterfrage fällt auch die Gremienbesetzung ins Gewicht. Bei aller Aufbruchsstimmung kommt es letztendlich auf das „Kleingedruckte“ an: Wie und von wem werden Jurys und sonstige Gremien besetzt, welche Rolle wird der zukünftige Geschäftsführer spielen. Eher gestaltend oder administrativ eingeengt?

Auch durch die anstehende Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) hat die Diskussion über Neuausrichtungen der Förderlandschaft in Deutschland begonnen. Noch fehlt die große Linie und Strategie, in dies sich auch die neue Förderung in Hessen einfügen könnte. Gerade zu diesem Zeitpunkt sollte auch Hessen in die Diskussion mit anderen Experten der Deutschen Förderlandschaft einsteigen.

* Der Autor ist Sprecher der AG DOK Hessen

Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)

Schlagworte: Institution, Dokumentarfilm, Filmförderung, TV/Rundfunk, Filmpolitik

Artikel im PDF aufrufen