GRIP 52
01.05.2015
"Film ist Kunst"
Im Mai steht die 20. Ausgabe des kubanischen Filmfestivals in Frankfurt an
Von Andreas Hesse
Die Anfänge vor 19 Jahren waren bescheiden. Als sich die damalige Kubagruppe im 3.Welt-Haus mit dem Filmforum Höchst zusammentat, um ein kubanisches Filmfestival durchzuführen, gab es noch keine Kontakte zur kubanischen Filmszene, keine Gäste. Abgegrast wurde, was bei hiesigen Verleihern zu finden war. Doch der unerwartete Publikumszuspruch bewog die Initiatoren, das Projekt weiter fortzusetzen. "Cuba im Film" war als Institution geboren. Seit 1997 erhält es Unterstützung von der Hessischen Filmförderung und ist Mitglied der Hessischen Festivalinitiative.
Mit den Jahren wandelte sich die Kubagruppe zu einem Festivalteam, dem heute auch Personen jenseits von 3.Welt-Haus und Filmforum Höchst angehören. Bis auf Klaus-Peter Roth, Leiter des Filmforums, sind alle übrigen neun Vorständler nur ehrenamtlich tätig. Da ist die persönliche Belastungsgrenze eines jeden schnell erreicht. Trotzdem professionalisierte sich die Länderschau und erarbeitete sich mit den Jahren ein großes Netz an Kontakten zur kubanischen Filmszene, zu internationalen Verleihern sowie zu anderen Kinos und europäischen Filmfestivals, mit denen Kooperationen stattfinden.
Von 1997 an gab es dann stets Filmgäste in Höchst und die Präsenz von "Cuba im Film" beim Filmfestival Havanna ist seither selbstverständlich. 2009 wurde dann das Programm um den Kurzfilmpreis "Junger Kubanischer Film" erweitert, der zur Zusammenarbeit mit hiesigen Filmhochschulen geführt hat. Gern wird das Know-how des Festivals zum kubanischen Film extern angezapft.
Aber warum überhaupt ein kubanisches Filmfest? Die Antwort ist einfach: Um die Filmkultur eines Landes „des Südens“, die es im europäischen Raum schwer hat, wahrgenommen zu werden, nachdrücklich zu unterstützen. Zumal die Insel über eine große Filmtradition und gut entwickelte Infrastruktur verfügt. Das Filminstitut ICAIC wurde 1959 durch das erste Kulturgesetz der neuen Regierung ins Leben gerufen. Dort heißt es programmatisch: „Film ist Kunst“. Werke von Filmemachern der ersten Stunde wie Tomás Gutiérrez Alea ("Erinnerungen an die Unterentwicklung"), Santiago Alvarez ("Now"), Humberto Solás ("Lucía") und anderen zählen heute in ihrer inhaltlichen und ästhetischen Konzeption zu Klassikern, nicht nur der lateinamerikanischen Kinogeschichte.
Das kleine Land verfügt darüber hinaus über zwei Filmhochschulen, zwei Filmzeitschriften, drei internationale und ein nationales Festival, darunter mit dem "Festival Internacional del Nuevo Cine Latinoamericano" eines der größten der Welt.
Zum anderen zeigt Kuba in seiner politischen Verfasstheit Besonderheiten, die durch das Kino bewusst oder unbewusst gespiegelt werden. Die Filme setzten sich in kritischer Form mit dem eigenen Land auseinander. Der ursprüngliche politische Solidaritätskontext von "Cuba im Film" verschob sich allmählich aber in Richtung einer differenzierten Darstellung und Begleitung der komplexen gesellschaftlichen Prozesse auf der Insel.
Wie zu jedem Festival gehört auch zu "Cuba im Film" ein das Filmrepertoire begleitendes kulturelles und politisches Rahmenprogramm. Bei der diesjährigen Jubiläumsausgabe (7. bis 16. Mai) wird der Soziologe Esteban Morales von der Universität Havanna zu Gast sein und zum Stand der Beziehungen zwischen den USA und Kuba Stellung nehmen, aber auch auf heiklen innenpolitischen Themen wie Korruption oder Chancengleichheit für Afrokubaner eingehen.
Erwartet werden des weiteren Filmgäste, unter anderem Juliana Gómez Castañeda, Gewinnerin des Kurzfilmpreises "Junger Kubanischer Film", oder Drehbuchautor und Regisseur Eduardo del Llano, dessen jüngstes Werk "Omega 3" veritable, satirische Science-Fiction bietet, ein Genre, das man aus Kuba bislang nicht kannte; ferner Marilyn Solaya, die in ihrem Spielfilm "Vestido de Novia" ("Das Hochzeitskleid") - Publikumsliebling des Festivals in Havanna - das Thema sexueller Diversität in spannender Form aufgreift sowie Ernesto Daranas, dessen erfolgreicher im In- und Ausland prämierter Film "Conducta" ("Das Verhalten") Themen der Marginalisierung und Kindesvernachlässigung verhandelt. Mit Hans-Peter Böffgen und seinem Film "Melao de caña" ("Melasse aus Zuckerrohr"), dem Porträt eines Zuckerrohrdorfes im Osten Kubas, wird überdies auch auch ein Frankfurter Regisseur im Programm vertreten sein.
Auch der neue Film von Fernando Pérez, der bei uns mit "La Vida es Silbar" ("Das Leben ein Pfeifen") bekannt geworden ist, ist angekündigt: "La Pared de las Palabras" ("Eine Mauer aus Worten"), der das Festivalpublikum in Havanna vergangenes Jahr beeindruckte. Und schließlich wird aus Anlass des Jubiläums das Programm mit einer Retrospektive herausragender Klassiker geschmückt sein, darunter von Fernando Pérez "Suite Habana", "Die Abenteuer des Juan Quin Quin" von Julio García Espinosa, "Der Tod eines Bürokraten" (Tomás Gutiérrez Alea) sowie "Lucía" von Humberto Solás.
* Der Autor ist Mitglied des Festivalkomitees von "Cuba im Film"
Kategorie: Gastbeitrag (ehemals Selbstdarstellungen von institutioneneigenen Mitarbeitern / ab GRIP 63)
Schlagworte: Festival, Filmkultur, Filmförderung, Kino, Filmemacher*in