GRIP 52
01.05.2015
Da war Frau überrascht und Mann auch
Die Initiative „Pro Quote“ setzt sich für mehr Förderung von Filmregisseurinnen ein
Von Annette Ernst
Von 62,5 Millionen Euro die der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) 2013 verteilt hat, gingen gerade einmal schlappe 10 Prozent an Regisseurinnen. Von 115 geförderten Projekten waren nur 13 von Regisseurinnen. Das hätten meine Regiekollegin Kathinka Feistl und ich echt nicht gedacht. Schon die Zahlen aus der Black Box 2012, die die großen Filmförderungen nach Gendergerechtigkeit untersuchte, alarmierten uns. Wir haben andere Kolleginnen nach ihren Erfahrungen befragt und es war schnell klar: Da müssen wir etwas machen. Daraus wurde die Initiative „Pro-Quote“, die bisher von über 300 Regisseurinnen getragen wird und fast ebenso viele Unterstützer gefunden hat.
Die Zahlen sprechen für sich. Etwa 11 Prozent des Deutschen Fernsehprogramms werden aktuell von Frauen in der Regie verantwortet, der Rest von Männern. Laut eines Diversitäts-Berichts des Bundesverbandes Regie aus dem letzten Jahr gibt es in ZDF und ARD ganze Krimireihen bei denen überhaupt noch nie eine Frau Regie geführt hat. Nach viel ehrenamtlichem Engagement konnten wir mit Unterstützung der Familienministerin Manuela Schwesig bei der diesjährigen Berlinale unser branchenpolitisches Thema mit deutlichen Akzenten besetzen. An unserem gläsernen Zelt auf dem Potsdamer Platz direkt vor dem Ritz-Carlton kam man einfach nicht vorbei. Unsere Agenda ist einfach: 30 Prozent Frauen in der Regie in den nächsten drei Jahren, 42 Prozent in den nächsten fünf Jahren, was der Quote an Absolventinnen der Filmhochschulen entspricht, und in zehn Jahren dann halbe-halbe. Und dann schaffen wir uns wieder ab.
Diese drastischen Zahlen, haben viele Förderer- und Senderverantwortliche durchaus überrascht und zum Nachdenken gebracht. Es geht bei der öffentlichen Filmförderung genauso wie bei den öffentlich-rechtlichen Sendern immerhin um Steuergelder bzw. paritätisch erhobene Rundfunkgebühren. So gab und gibt es viel Wohlwollen und faktische Unterstützung aus den unterschiedlichsten Bereichen der Filmwirtschaft. Es gibt aber natürlich auch Wiederstände und Ablehnung gegenüber unserer Forderung. Die kommt dann, wenig überraschend, gerne „künstlerisch“ daher. In der Kunst, im Film darf es keine Quote geben. Allein die Qualität des Werkes zählt weshalb sich die „guten“ Frauen schon durchsetzen würden. Um aber über Qualitäten urteilen zu können, ist die Grundvoraussetzung, diese überhaupt zeigen und herstellen zu können. Dazu gehört kontinuierliches Arbeiten. Und dafür müssen in unserer ohnehin harten Branche dann auch die gleichen Bedingungen gelten, oder wie es Isabell Coixet, die Regisseurin des diesjährigen Berlinale-Eröffnungsfilms sagte: Allen die gleichen Steine auf ihrem Weg.
Eine Autorin hat auf unserer Podiumsdiskussion zu dem Thema folgendes angemerkt: „Ich habe 18 Krimis geschrieben. Für jeden gab es drei Vorschläge in der Regie. Es war nur noch nie eine Frau dabei." Filmisch Geschichten zu erzählen, reproduziert und schafft die Bilder, die unser aller Realität darstellen. Aber was ist das für eine Realität der Welt, die zu annähernd 90 Prozent von unseren männlichen Kollegen geschaffen wird? Welche Bilder, welche Geschichten fehlen uns wegen dieser erdrückenden Schieflage? Und auch da sind wir uns sicher: die Qualität von Kino und TV wird durch einen höheren Frauenanteil an realisierten Filmen ganz sicher nicht schlechter. Selbst dann nicht, wenn auch wir Frauen mal einen Film „an die Wand fahren“, wie das unseren Kollegen auch passiert. Interessant im Rahmen dieser Debatte sind die aktuellen Ergebnisse der Gender-Studie aus Rostock von Elisabeth Prommer, die sich mit dem deutschen Kinofilm in den Jahren 2009-2013 befasst hat. Sie hat Belege dafür gefunden, dass die von Frauen realisierten Filme im Verhältnis mehr Präsenz und Preise auf Festivals gewinnen als jene der Männer - und das bei deutlich geringeren Budgets. Ein offensichtlich sowohl künstlerisch als auch wirtschaftlich noch zu hebendes Potential.
Wir sind gespannt, was in den kommenden Monaten noch passieren wird und ob aus wohlwollender Unterstützung auch faktische Veränderungen resultieren werden? Last but not least, hätten wir hier in Hessen ja aktuell die Möglichkeit ein Zeichen zu setzen. Was vor dem Hintergrund, dass der Hessische Rundfunk mit seiner mageren Regisseurinnenquote den hintersten Platz auf der Senderliste belegt, auch bitter nötig wäre. Gegenwärtig wird ja die Filmförderung neu strukturiert und es bestünde die Chance, den alten Slogan mit neuem Leben zu füllen: „Hessen vorne“. Weitere Informationen unter: www.proquote-regie.de
* Die Autorin ist Frankfurter Regisseurin und Mitinitiatorin von Proquote-Regie
Kategorie: Gastbeitrag (ehemals Selbstdarstellungen von institutioneneigenen Mitarbeitern / ab GRIP 63)
Schlagworte: Diversität, Filmemacher*in, Filmpolitik, Filmförderung, TV/Rundfunk