GRIP 52
01.05.2015
Aber bitte nicht auf unsere Kosten!
AG DOK legt Dossier zu öffentlich-rechtlichen Mediatheken vor
Von Thomas Frickel
Sie alle wollen es: Politiker, Gewerkschaften, Verbraucherschützer. Sie fordern es in ihren Programmaussagen, in Landtagsresolutionen und in taktisch lancierten Interviews. Und ihre Argumente sind immer gleich: Die Öffentlichkeit habe das Fernsehprogramm schließlich über ihre Rundfunkbeiträge bezahlt - also müssten die Sendungen der öffentlich-rechtlichen Kanäle den Bürgern auch unbefristet zur Verfügung stehen.
„Diese Behauptung ist falsch!“, kontert die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK) jetzt in einer 16 Seiten umfassenden Broschüre mit dem Titel "7 Tage oder ewig". Mit Zitaten, Fallbeispielen und Statistiken will die AG DOK den Legenden und Falschinformationen entgegentreten, die im Zusammenhang mit den Internet-Aktivitäten von ARD und ZDF herumspuken. Und sie stellt klar, wie lange frei produzierte Filme ihrer Meinung nach in den Mediatheken von ARD und ZDF abrufbar sein sollten: keine sieben Tage, erst recht nicht ewig und schon gar nicht, solange die Sender nicht bereit sind, für dieses zusätzliche Nutzungsrecht auch zusätzlich zu bezahlen.
Mit Zitaten aus senderinternen Papieren belegt das AG DOK-Dossier, dass schon bei Einführung der Mediatheken im Jahre 2010 überhaupt nicht daran gedacht war, Produzenten und freiberufliche Urheber für diese zusätzliche Werknutzung zu vergüten. In Kalkulationen, die den Aufsichtsgremien damals vorgelegt wurden, waren die Rechtekosten nämlich auf "Null Euro" beziffert, und auf kritische Nachfragen der Rundfunkräte wurde diese seltsam unseriöse Kostenrechnung frech damit begründet, die Online-Rechte hätten keinen eigenen kommerziellen Wert. Im übrigen seien sie Teil des Senderechts und würden deshalb regelmäßig mit erworben.
Dem tritt die AG DOK jetzt Punkt für Punkt entgegen, und die Beweisführung beginnt mit der Demontage der Behauptung, das Fernsehprogramm sei durch den Rundfunkbeitrag bezahlt. Für mehr als zwei Drittel der frei produzierten dokumentarischen Sendungen, die in öffentlich-rechtlichen Programmen zu sehen sind, trifft das einer Umfrage unter Produzenten zufolge nämlich nicht zu. Im Gegenteil: die Sender steuern oft nur einen Bruchteil der Projektkosten bei und erwarten, dass die Produktionsfirmen den fehlenden Rest anderweitig auftreiben. Selbst, wenn eine Produktion nach Sender-Definition als "voll finanziert" gilt, muss ein Produzent inzwischen drauflegen, denn die Sender erkennen einen Teil der tatsächlich anfallenden Kosten kurzerhand nicht an.
Den Produktionsfirmen in dieser Situation durch Knebelverträge und ohne zusätzliches Entgelt auch noch das wirtschaftlich interessanteste Verwertungsrecht außerhalb des Fernsehens, nämlich die Internet-Nutzung, wegzunehmen, ist aus Sicht der AG DOK nicht länger akzeptabel. Die vorgelegte Materialsammlung weist anhand konkreter Zahlen nach, dass das wirtschaftlich interessanteste Zeitfenster für eine Eigenverwertung tatsächlich in den ersten sieben Tagen nach einer Fernsehausstrahlung liegt, also genau in der Zeit, die von Sendern vergütungsfrei zur Internet-Nutzung beansprucht wird. Schon dafür müsste also - im Gegensatz zur derzeit üblichen Praxis - eine Vergütung gezahlt werden. Um so mehr, als das Einstellen eines Films ins Internet - entgegen den Behauptungen der Fernsehanstalten - nicht durch den Erwerb des Senderechts gedeckt ist. Es handelt sich dabei, das weist die AG DOK durch ein Gutachten des renommierten Münsteraner Urheberrechtlers Prof. Hoeren nach, vielmehr um die Ausübung eines völlig eigenständigen Nutzungsrechts.
Auch die oft gehörte Ausrede, die Internet-Nutzung erschließe dem Fernsehen ja gar keine neuen Publikumsschichten, sondern kompensiere nur die sinkenden Marktanteile, lässt das Dossier nicht gelten. Eine solche Argumentationsweise sei systemwidrig, denn das System des Rundfunkbeitrags schließe eine nutzungsabhängige Betrachtung sogar ausdrücklich aus.
Eine Sammlung haarsträubender Beispiele aus aktuellen Senderverträgen rundet das Dossier ab und unterstreicht die Forderung der AG DOK nach Vertragsbedingungen, die der unabhängigen Produktionslandschaft das wirtschaftliche Überleben ermöglichen. Dabei lehnt der Verband eine Nutzung dieser Rechte durch die Sender nicht grundsätzlich ab, sondern fordert eine Vergütung, die den Erlösmöglichkeiten auf dem freien Markt entspricht.
Die Broschüre "7 Tage oder ewig", die an mehr als 520 Rundfunk- und Fernsehräte in ganz Deutschland sowie an weitere 400 Multiplikatoren aus Politik, Berufsverbänden und Presse verschickt wurde, kann unter der mail-Adresse agdok@agdok.de kostenlos angefordert werden. Sie steht aber auch auf der Homepage www.agdok.de zum Download bereit.
* Der Autor ist Bundesvorsitzender der AG-Dok
Kategorie: Gastbeitrag (ehemals Selbstdarstellungen von institutioneneigenen Mitarbeitern / ab GRIP 63)
Schlagworte: Dokumentarfilm, Institution, TV/Rundfunk, Sozialversicherung, Verleih