GRIP 50
01.05.2014
Eine App für seh- und hörbehinderte Menschen
Die Filmförderungsansalt bezuschusst Maßnahmen zum barrierefreien Kino
Von Martin Loew
Um das Faszinosum eines Kinobesuchs auch für blinde und gehörlose Menschen erfahrbar zu machen, bedarf es technischer Voraussetzungen, die es schon länger gibt, die aber bislang nur vereinzelt zum Einsatz gekommen sind. Da ist zum einen das Verfahren der akustischen Bildbeschreibung, der sogenannten Audiodeskription (AD), die dem Kinobesucher über Kopfhörer Handlung und Atmosphäre des Films akustisch vermittelt. Und zum anderen das Angebot von Untertiteln (UT), die über Dialoge und wichtige Geräusche einem Gehörlosen den Zugang zum Filmwerk eröffnen. Doch in der Praxis sind diese Angebote meist auf Sonderveranstaltungen beschränkt. Untertitel, die in Programmkinos bei Originalfassungen anzutreffen sind, sind bei Blockbustern oder deutschsprachigen Produktionen schlicht Mangelware.
Daß sich das in Zukunft ändert, dafür soll nun das neue Filmförderungsgesetz (FFG) sorgen. Die Neufassung des FFG, die zum 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist, schreibt vor, dass für alle Produktionen, die in Deutschland Förderung erhalten, eine jeweilige Audiodeskription und Untertitel-Fassung erstellt werden müssen, die dann zusammen mit dem Hauptfilm auf der digitalen Festplatte für die Filmtheater abrufbar sind.
Dabei bleibt allerdings die Frage, wie die Zielgruppen diesen Service nutzen können, ohne dass dadurch die anderen, die nicht behinderten Zuschauer gestört werden. Dafür wären technische Einrichtungen erforderlich, über die die meisten Kinos aber nicht verfügen. Zwar bietet die Filmförderungsanstalt (FFA) den Kinobetreibern, die ihre Technik entsprechend nachrüsten möchten, nun Zuschüsse bis zu 50 Prozent der Kosten an. Bei Aufwendungen mehreren Tausend Euro pro Saal sind das jedoch Investitionen, die sich trotz der Zuschüsse nur schwer rechnen lassen.
Abhilfe könnte hier von Debese-Film kommen. Die junge Berliner Firma hat zwei Apps entwickelt, die als kostenloser Download auf allen Smartphones installiert werden können. Mit der App "Greta" kann der Benutzer die Audiobeschreibung zum Film laden, die sich dann im Kino automatisch synchronisiert. Und die App "Starks" blendet, auch mit dem Kino synchronisiert, die Untertitel im Display des Smartphones ein. „Der Vorteil der Apps ist, dass sie in jedem Kino funktionieren und auch bei Fernsehen, DVD oder auch bei Video on Demand", wie die Firmeninhaberin Seneit Debese erläutert.
So war jüngst „Der Medicus“ barrierefrei zu erleben dank der beiden Smartphone-Apps. Die Nutzer waren begeistert – so wie Martin Kirchner, Mitarbeiter der Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte: „Einfach klasse und leicht zu handhaben. Nur leider gibt es bisher noch zu wenig Filme, für die die Apps verfügbar sind.“
Der Grund sind die Kosten, die für die Filmverleiher anfallen. Zwischen 1.500 und 2.000 Euro, je nach Anzahl der Startkopien, müssen sie aufbringen, um die Audioversion und die Untertitelung als App-Anwendung herzustellen. Doch die Debese-Chefin ist zuversichtlich, dass in naher Zukunft die meisten Filme über ihr System barrierefrei sein werden. „Wir stehen in Verhandlungen mit der FFA, dass die Verleiher in Zukunft berechtigt sind, statt der Zusatzfassungen per Festplatte eine Smartphone-Version über uns anfertigen zu lassen. Das ist kostengünstiger und erspart den Filmtheatern die teure zusätzliche Abspieltechnik."
Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)
Schlagworte: Diversität, Filmförderung, Kino