GRIP 46
01.05.2012
Man spricht Deutsch
Sind Migranten in den Medien etabliert? Eine Bestandsaufnahme.
Von Alexander Scherer
Integration ist in aller Munde. Erst Anfang diesen Jahres hat die Bundesregierung einen nationalen Aktionsplan zur Integration angekündigt. Auch in den Medien spielen Migranten eine wachsende Rolle. Ist also alles in Butter in der Republik? Anscheinend nicht, titelte doch das Hamburger Abendblatt vom 29. Februar in der Rubrik Medien: „Die riesengroße Migrantenlücke in deutschen Redaktionen“. Demnach finde weder der Alltag von Migranten genug Beachtung in den Medien, noch seien Migranten hinreichend in Deutschlands Redaktionen vertreten. Offizielle Zahlen gebe es keine, aber man schätzt, dass nur 2 bis 5 Prozent der deutschen Journalisten Migrationshintergrund haben.
Wie erklärt sich das? „Viele Verantwortliche stellen bevorzugt Bewerber aus ihren Kreisen ein“, kritisiert etwa die Hamburger Kommunikationswissenschaftlerin Friederike Wolff. Das sieht auch der Verein „Neue Deutsche Medienmacher“ so. Als loses Netzwerk 2009 in Berlin gegründet, will der Verein die Situation von Migranten und Migrantinnen aktiv mit verschiedenen Projekte verbessern, wie beispielsweise mit dem Mentoringprogramm 2012, dass den Nachwuchs mit erfahrenen, gut vernetzten Mentoren zusammenbringen will.
Wie sieht nun die Situation im Rhein-Main Gebiet aus? Die Crux auch hier: Es gibt keine verlässlichen Zahlen. Doch Beispiele belegen, im Ballungsraum Rhein-Main sind Migranten als Medienmacher halbwegs etabliert. Mit der World Media Group in Offenbach ist sogar einer der größten Medienanbieter in der Region vertreten. In der Deutschlandzentrale arbeiten auf 18.000 Quadratmeter circa 150 Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Zu der Unternehmensgruppe gehören zwei Zeitungsverlage und zwei TV-Sender, der türkische Kanal TV Avrupa sowie Ebru TV Europa, der in deutscher und englischer Sprache sendet und mit Kultur-, Lifestyle-, und Bildungsthemen auf ein weltoffenes Publikum in Deutschland und Europa setzt.
Zudem arbeiten viele Selbstständige mit Migrationshintergrund in der Region, unter anderem als Korrespondenten. So ist der chilenische Journalist Mario Morales als Berichterstatter für den lateinamerikanischen Sender TeleSur tätig und auch als Industriefilmproduzent. Ebenso wird man unter den Dokumentarfilmern fündig. Der Kanadier Wilson Ruiz lebt seit über 10 Jahren im Rhein-Main Gebiet und beschäftigt sich mit den Themen Migration und Globalisierung,
Was alle eint: Sie sehen sich als Profis gut vernetzt und waren noch niemals in einer Situation, in der ihre Herkunft ein Problem gewesen wäre. Was zähle, sei die eigene Professionalität unter Kollegen. „Die offensten Menschen trifft man in den Medien“, so Ruiz.
Braucht es da noch eine Migrantenquote? Keiner der Befragten sieht dafür tatsächlich Bedarf. Seval Kardas, Pressesprecherin der World-Media Group sagt: „Bei uns wird niemand aufgrund seines Geschlechts, seiner Abstammung, Heimat oder Herkunft benachteiligt oder bevorzugt.“ Für Morales ist es sogar eine Frage der eigenen Mentalität: „Für mich hat das auch sehr mit dem eigenen Selbstverständnis zu tun. Möchte ich mich als benachteiligte Minderheit fühlen? Dann werde ich auch benachteiligt sein. Das muss man ablegen.“
Beim Netzwerk "Neue Deutsche Medienmacher" ist man darüber freilich unentschieden. „Wir halten die Diskussion darüber offen“, so die zweite Vorsitzende des Vereins, Konstantina Vassiliou-Enz. Wenn überhaupt, werde eine Quote eher von den Älteren im Netzwerk präferiert, während die Jüngeren das Stigma des „Quotenmigranten“ fürchteten.
Gleichwohl werden die Missstände gesehen. Ruiz bringt es auf den Punkt: „In den bundesdeutschen Medien wird die Welt der Migranten kaum wahrgenommen.“ So habe er wiederholt Themen angeboten, die sich mit dem Leben verschiedenster Ausländergruppen in Frankfurt auseinandersetzen, die aber kein deutscher Sender haben wollte. Auch Vasilliou-Enz sieht Migranten nur überwiegend in Stereotypen vertreten; eigene Sichtweisen kämen eindeutig zu kurz. „Die Redaktionen in Deutschland sind doch sehr deutsch geprägt.“ Auch in punkto Bildung sieht Verein "Neue Deutsche Medienmacher" immer noch unzureichende Chancen für Migrantenkinder. Oftmals würden sie trotz guter Noten auf Haupt- und Sonderschulen geschickt.
Es gibt aber Grund zur Zuversicht, denn die Realität zeigt: Migranten in den Medien sind kein Nischenthema mehr - es gibt Programme und Diskussionen, auch in der Rhein-Main Region, wie etwa der deutsch-türkische Mediendialog (initiiert von dem deutschen Journalisten Erhard Brunn). So scheint es, sind die Anfänge gemacht. Die Fortsetzung aber muss folgen.
Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)
Schlagworte: Diversität, Nachwuchs, TV/Rundfunk