GRIP 43
01.11.2010
Sich dem digitalen Umfeld anpassen
Der Verband der Filmverleiher favorisiert das „Virtual Print Fee"– Modell für die Systemumstellung auf Digital
Von Johannes Klingsporn
Das Zeitalter analoger Arbeitsabläufe in der Filmindustrie geht rasant seinem Ende entgegen. Und auch auf der Verwertungsebene von Filmen hat die Digitalisierung ihren Durchbruch vollzogen, so jedenfalls im Home-Entertainment-Bereich. Analog ist einzig noch das klassische Lichtspieltheater organisiert. Selbst das heimische Wohnzimmer ist im Begriff, digital aufzurüsten wie die Nachfarge nach HD-Flat-Screens belegt.
Diesem digitalen Umfeld muss sich das zukunftsfähige Kino anpassen. Die Umstellung der analogen Projektion auf digitale Projektion wird der entscheidende Faktor sein. Und eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür ist gewährleistet: verbindliche, einheitliche Standards
Den Anstoss für einen weltweiten Standard gaben 2002 die großen amerikanischen Filmstudios (Majors), die sich in der Digital Cinema Initative (DCI) zusammen geschlossen haben. In den USA ist dieser Standard in der SMPTE-Norm umgesetzt, auf der internationalen Ebene wurden bereits 50 Prozent der einzelnen Elemente in die ISO-Norm umgesetzt, die Umsetzung in die deutsche DIN-Norm steht an.
Zwei wesentliche Ziele prägen den Digitalisierungsstandard: die Qualität der Projektion, die mindestens so gut wie eine 35mm Vorführung und besser als Home Cinema sein soll, und die hohen Vorgaben zur Verhinderung von Raubkopien. Dieser Standard wird weltweit von zahlreichen Herstellern digitaler Projektionsanlagen, Postproduktionsunternehmen und Kinoausstattern unterstützt und garantiert Produzenten, Verleihern und Kinounternehmen Investitionssicherheit durch Interoperabilität der einzelnen Elemente sowie Up-Grade-Fähigkeit.
Seit 2006 engagiert sich der Verband der Filmverleiher (VdF) für ein flächendeckendes Digitalisierungsmodell der deutschen Kinos, bei dem auch öffentliche Mittel in die Umrüstung einfließen sollen. In Deutschland leben mehr als 35 Prozent der Bevölkerung in Gemeinden mit weniger als 50.000 Einwohnern, cirka 30 Prozent des Filmbesuches eines Jahres wird in Kinos in diesen kleineren Gemeinden generiert. Allerdings haben viele dieser Kinos nur vergleichsweise geringe Umsätze und können diese Umrüstung nicht aus eigener Kraft stemmen.
Es ist ein einzigartiger Vorgang in der Geschichte der Kinos, dass die Verleiher und Produzenten bereit sind, sich an den Kosten der Umrüstung zu beteiligen. Tatsächlich haben Verleiher und Produzenten nach einer Umrüstung auch deutliche Kosteneinsparungen, da die digitale Distribution preiswerter ist als die analoge. Als Beteiligungsmechanismus wird international auf das Instrument der Virtual Print Fee (VPF) zurückgegriffen. Hierbei zahlt der Verleiher dem Kinobetreiber oder einem zwischen geschalteten Dienstleister bei der Anlieferung einer Startkopie einen bestimmten Betrag X und zwar solange, bis der Verleihanteil an den Umrüstkosten der Erstausstattung abgedeckt ist.
Ein wesentliches Motiv des VdF bei der Entwicklung von Branchenmodellen ist den besonderen Vermarktungsbedingungen im Arthouse-Markt geschuldet. Dieser Markt ist durch häufige Wechsel der Kopien in vielen verschiedenen Kinos gekennzeichnet. Käme es hier immer wieder zu einer Nutzungsgebühr (degressive VPF) würde sich die Herausbringung dieser Filme sehr verteuern.
Das gemeinsam mit allen Theaterverbänden entwickelte 100er Modell wurde leider später von ihnen abgelehnt, auch weitergehende Vorschläge des VdF fanden keine Zustimmung. Nachdem das Französische Kartellamt das französische Branchenmodell im Februar dieses Jahres verworfen hat, hat der VdF gemeinsam mit dem BKM ein eigenes Modell entwickelt und den deutschen und europäischen Wettbewerbsbehörden vorgelegt. Im Ergebnis liegen nun verschiedene Szenarien vor, die eine flächendeckende Digitalisierung ohne degressive VPF ermöglichen, sei es auf Basis von Verträgen mit technischen Dienstleistern, sei es auf Basis von Verträgen mit den Kinos.
Da BKM, Länder und FFA bereit sind, erhebliche finanzielle Mittel in diese Kinos zu investieren, wird wohl federführend die FFA für die Kinos, die Förderung erhalten sollen, entsprechende Vorgaben formulieren, die diese Szenarien für die Förderkinos strukturieren und sicherstellen, dass die Verleiher und Produzenten ihren Anteil an der Umrüstung beitragen.
* Johannes Klingsporn ist Geschäftsführer des Verbandes der Filmverleiher (VdF)
Kategorie: Gastbeitrag (ehemals Selbstdarstellungen von institutioneneigenen Mitarbeitern / ab GRIP 63)
Schlagworte: Verleih, Kino, Institution, Filmwirtschaft, Digitalisierung
