GRIP 43

01.11.2010

Mit Kritik wurde nicht gespart

Jour Fixe zur Neuauflage von Hessen Invest Film III im Filmhaus Frankfurt

Von Gisela Waetzoldt-Hildebrandt

Beim Jour Fixe im Sommer stellten die beiden Förderreferentinnen Polia Bauer und Ursula Vossen die Neuauflage des Filmförderprogramms Hessen Invest Film im Filmhaus vor. Damit steht in Hessen erneut eine Fördersumme in Höhe von 20 Millionen Euro über einen Zeitraum von vier Jahren für künstlerisch und wirtschaftlich Erfolg versprechende Produktionen und Co-Produktionen zur Verfügung – mit dem Ziel, den Standort Hessen weiter zu stärken.

Der neue Finanzierungsfonds ist ein bankentypisches Produkt im Direktgeschäft mit der Filmbranche in Form bedingt rückzahlbarer Darlehen mit geringer Verzinsung (2% p.a.). Das Fondsvolumen wird über die KfW refinanziert und mit 100% über eine Landesgarantie abgesichert. Mit dem 3%igen Disagio fließen die Zinsen in einen Haftungsfonds, der die mögliche Inanspruchnahme des Landes aus der übernommenen Landesgarantie mindert. Die Tilgung erfolgt ausschließlich aus den Erlösen. Darüber hinaus wird eine Beteiligung der Bank an den Erlösen vereinbart, die sich an der Höhe der Beteiligung der WIBank orientiert.

Die Laufzeit eines bedingt rückzahlbaren Darlehens beträgt sieben Jahre. Nach dieser Zeit besteht die Möglichkeit zur Stundung. Die maximale Bewilligungssumme beträgt eine Million Euro, bzw. 50% der Projektkosten, bei besonders schwierig zu finanzierenden Projekten auch bis zu 75%. Der für das Land Hessen geforderte Regionaleffekt muss mindestens 100% der Fördersumme erbringen.

Fortgesetzt wird auch die Zusammenarbeit mit der MFG Filmförderung Baden Württemberg, wonach die Regionaleffekte der Förderungen wechselseitig anerkannt werden. Die Produzenten finden damit die Möglichkeit, bis zu 25% der Fördersumme im Partnerland auszugeben.

Kritisiert wurde aus dem Publikum, daß die Darlehen aus Hessen teurer seien als die anderer Länderförderer. Dem hielt Produzent Daniel Zuta (Harbour Entertainment) entgegen, dass sich angesichts eines erforderlichen Regionaleffekts von 100%, der bei anderen Förderländern bis zu 150% betrage, die 2%ige Verzinsung in Hessen wieder rechne. Außerdem könnten die Zinsen als Teil des Budgets geltend gemacht werden. Diesen Vorteil wertete Karl-Eberhard Schäfer (U5 Filmproduktion) allerdings als schwachen Trost angesichts eines Modells, das auch in anderen Positionen deutlich nachteiliger aufgestellt sei als vergleichbare Programme anderer Filmförderer, wie etwa in punkto Vorrangigkeit der Eigenmittel des Produzenten, Gewinnbeteiligung von HIF, Nutzung der rückgezahlten Mittel für neue Projekte des Produzenten.

Als Neuerung stellten die Referentinnen die Option vor, dass jetzt eine Nachförderung bis zu 20% der bewilligten Fördersumme in besonderen Fällen beantragt werden kann. Ein Tool, das Produzenten einsetzen können, falls einer ihrer Finanziers kurz vor Drehbeginn ausfällt. Wichtig ist dabei, dass die Frist zur Antragstellung mit sieben Wochen vor Drehbeginn eingehalten werde. Es könne jedoch in Ausnahmefällen Antrag auf vorzeitigen Drehbeginn gestellt werden; ansonsten bestehe keine Möglichkeit mehr nach Drehbeginn einen Antrag zu stellen. Dies wurde von Daniel Zuta unter Bezugnahme auf eine seit acht Jahren anders lautende Praxis problematisiert.

Neu im Programm ist weiterhin der Ausschluss von Produktionen, die von der Hessischen Filmförderung Land unterstützt werden. Damit sollen die eigenständigen Profile der zwei Säulen der Filmförderung im Land Hessen und deren Zuordnung deutlich gemacht werden; denn Hessen Invest Film versteht sich als Wirtschaftsfonds, wogegen die die kulturelle Filmförderung des Landes und des hr (HFF-Land und HFF-hr) auf einem klar umrissenen Kulturauftrag basiere.

In der sich anschließenden Diskussion merkte Daniel Zuta dazu an, dass er in dieser Maßnahme angesichts der für die hessischen Produzenten schwierigen Marktlage eine Schwächung sähe und regte an, diese Änderung noch einmal zu überdenken. Die Geschäftsführerin der Hessischen Filmförderung, Maria Wismeth, pflichte dem Zuta insoweit auch bei. Hessen Invest gehe in seiner jetzigen Ausrichtung an der Situation der meisten hessischen Produzenten vorbei. Die kulturelle Filmförderung aber sei für die Basisförderung einer sich entwickelnden Branche finanziell viel zu beschränkt, ohne eine nennenswerte Basisförderung jedoch sei eine nachhaltige Strukturverbesserung der Branche nicht denkbar. Wenn jetzt noch die Kombinierbarkeit der wirtschaftlichen und kulturellen Förderung wegfalle, sei das eine klarer Rückschritt zur bisherigen Praxis. Denn es bestehe mithin keine Chance mehr, bei der HFF Produktionsförderung zu erhalten und die Postproduktion durch die WI-Bank fördern zu lassen.

Schließlich wurde noch das von Ursula Vossen vorgestellte neue Antragsformular, speziell dazu der für die Antragstellung nunmehr obligatorische Recoupmentplan diskutiert. Karl-Eberhard Schäfer fragte nach, ob bei Antragstellung die Finanzierung vollständig geschlossen sein müsse. Denn gerade bei Coproduktionen seien die Partner nicht immer schon in der Lage, die geforderten Angaben mitteilen zu können.

In dem Zusammenhang verwies Maria Wismeth darauf, dass der Recoupment-Plan der Situation der hessischen Produzenten nicht gerecht werde. Argument: Diese produzierten überwiegend Dokumentationen und arbeiteten im Spielfilm vielfach im Low-Budget-Bereich. Nur in Ausnahmefällen bestehe deshalb schon vorab die Möglichkeit eine Auswertung über Weltvertrieb und Verleih darzustellen; die geforderten Angaben gingen also an deren Praxis vorbei. Offen blieb aber, inwieweit die angesprochenen Kritikpunkte absehbar zu Änderungen in der Verfahrensweise von Hessen Invest führen würden.

Im Anschluss stellten die Produzenten ihre neuen von der WIBank geförderten Dokumentationen vor: „HARMONY" - eine amerikanisch deutsche Coproduktion von NBC und U 5 Filmproduktion, „SANDMÄNNCHEN" – eine Produktion der scopas medien mit rbb und NDR sowie „PLASTIC PLANET" und „BULB FICTION" – beides deutsch-österreichische Dokumentationen der Zuta Filmproduktion.

Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)

Schlagworte: Filmhaus Frankfurt, Filmförderung, Wirtschaftsförderung, Filmproduktion, Filmwirtschaft

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