GRIP 43
01.11.2010
Die Chronik verpasster Chancen
Der Medienstandort Frankfurt hat viel an Anziehunskraft eingebüßt
Von Traugott Maria Basedong
Der Urknall des Privatfernsehens in Deutschland Mitte der 1980er Jahre. RTL beantragt eine Lizenz und will den Sender in Frankfurt ansiedeln, dort wo bereits die Werbevermarktungsgesellschaft IPA Plus ihren Sitz genommen hatte – wegen der vielen Werbeagenturen am Ort. Doch die damals rot-grüne Landesregierung in Hessen blockiert das Antragsverfahren. Das Motiv: die in Frankfurt ansässigen Zeitungsverlage und den öffentlich-rechtlichen Sender zu schützen. Ein für die Ansiedlung notwendiges Landesmediengesetz wird verweigert. Zwei Jahre später, 1987, wird RTL seine Heimat in Köln finden. Spricht man RTL Gründungsgeschäftsführer Helmut Thoma darauf an, sagt er, das Rennen sei zwischen Düsseldorf und Köln gelaufen, die Vorgeschichte erwähnt er gar nicht mehr. Ein hessisches Landesmediengesetz wurde übrigens erst Ende der 1980er Jahre auf den Weg gebracht.
Was das für den Standort Rhein Main bedeutet, ist aus der Rückschau mehr als deutlich: Während sich Köln in der Folge zu einem herausragenden Film- und TV-Produktionsstandort entwickelte, durch üppige Fördergelder der Landesregierung NRW noch beschleunigt, dünnte sich die ursprünglich recht ansehnliche Medienlandschaft am Main immer stärker aus.
Um ein paar Beispiele zu nennen: Die "Frankfurter Filmproduktion" firmierte Anfang der 90er Jahre in FFP-Media um, weil der Name Frankfurt an den neuen Standorten Köln und München keinen Sinn mehr machte. Oder: Sat.1, das zunächst in Mainz seinen Sitz hatte, wollte stets in der Region bleiben und suchte Anfang der 1990er Jahre geeignete Studio- und Büroflächen dafür. Die Wahl fiel auf den Frankfurter Flughafen. Doch mangelnde Unterstützung durch das Land damals lies diese Pläne scheitern. Sat.1 zog stattdessen nach Berlin.
Ein weiterer Fall: auch der Nachrichtensender n-tv hatte seinen Sitz zunächst in Frankfurt, nicht zuletzt weil die Börsenberichterstattung einen zentralen Stellenwert besaß. Dann brachte sich Berlin als Alternative ins Gespräch und lockte mit Vergünstigungen, denen Hessen nichts entgegensetzen wollte. Das Resultat: Der Sender zog in die Hauptstadt. Lediglich die Börsenredaktion verblieb am Main.
Die Liste negativer Entwicklungen aber setzt sich fort: Für den Wirtschaftsnachrichtensender Bloomberg bot sich Frankfurt als Standort zwingend an; seit Mitte der 1990er Jahren hatte er hier seine Zentrale. 2009 wurde sie allerdings komplett wieder aufgelöst. Im gleichen Jahr reduzierte auch CNBC seine Mannschaft in Frankfurt; die Salesabteilung, die von Frankfurt aus für den Werbezeitenverkauf im deutschsprachigen Raum und Osteuropa zuständig war, wurde in London gebündelt. Auch zentrale Programmteile wurden stärker an der Themse konzentriert. Da zeitgleich CNBC seinen Vertrag mit dem Nachrichtensender N24 über die Zulieferung der Börsenprogramme verlor, reduzierte sich auch die Frankfurter Redaktion auf ein Minimum. Diese beiden letztgenannten Rückzüge wurden mit der Weltwirtschaftskrise erklärt, was aber sicherlich nur die halbe Wahrheit ist.
Doch nicht nur im Fernsehumfeld, auch im klassischen Medienbereich scheint Frankfurts Anziehungskraft zu sinken, wie das Beispiel des Suhrkamp Verlags belegt. Das traditionsreiche Frankfurter Verlagshaus brach im vergangenen Jahr seine Zelte am Main ab, um an die Spree zu ziehen. Die Stadt Frankfurt sah sich nicht in der Lage, auf Kompromissvorschläge von Verlagsseite einzugehen. Das beleidigte „Ganz oder gar nicht" hier, besonders der Oberbürgermeisterin, wie man verschiedentlich hört, wurde von Suhrkamp mit einem klaren „Ja" beantwortet – allerdings zugunsten Berlins. Dabei wird in Frankfurt die Bedeutung der Creative Industries durchaus anerkannt, das Land hingegen tut sich aber immer noch schwer mit dem Thema, und vor allem mit einer klaren langfristigen Strategie. Doch unter diesen Voraussetzungen wird es auf Dauer schwer werden, an andere Regionen aufzuschließen. Im Games-Bereich besteht aktuell die Gefahr, dass sich die Fehlentscheidungen der Vergangenheit womöglich wiederholen werden.
Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)
Schlagworte: TV/Rundfunk, Filmpolitik, Filmproduktion, Institution
