GRIP 43

01.11.2010

Am Puls des Zeitgeschehens

Die Frankfurter tv-Schoenfilm – bekannt für ihre zeitgeschichtlichen Dokumentationen

Von Gisela Waetzold-Hildebrandt

Wer würde im beliebten „lustigen Dorf“ Frankfurts, in Bornheim, eine profilierte, effiziente Filmproduktion vermuten? Hier, nahe der Altstadt, produziert das kleine schlagkräftige Team der tv-Schoenfilm mit den Geschäftsführern Wolfgang Schoen und Holger Hillesheim Dokumentationen, Features und Reportagen für ARD, ZDF, ARTE, 3SAT und ausländische Fernseh-Sender. Das Team mit Frank Gutermuth, Sebastian Kuhn, Nathalie Kroll, Klaus Pawlitschko und Tilman Przyrembel bringt sich als Autoren und Reporter ein; Kamera, Ton und Schnitt sowie Produktionsleitung werden gleichermaßen abgedeckt. Klaus Pawlitschko ist darüber hinaus Jurist – eine Personal-Mischung, die ein intensives und schnelles Arbeiten erlaubt, denn jeder Produktion gehen intensive Recherchen und Vorakquisen voraus.
Bei dem Produktionsvolumen, das die tv-Schoenfilm zu bewältigen hat, ist dies denn auch unbedingt erforderlich. Bereits viermal wurden Produktionen für den Adolf-Grimme-Preis nominiert - darunter die vierteilige ARD-Reihe „Vier Kriegsherren gegen Hitler“, das Porträt der Generale auf Seiten der Siegermächte im 2. Weltkrieg.

Wolfgang Schoen (Jahrgang 1948) ist insbesondere die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Dritten Reiches ein Anliegen. Bis weit in die 60er Jahre war sowohl zuhaus als auch in den Klassenzimmern die Zeit der Nationalsozialisten kein Thema - der Geschichtsunterricht endete Mitte des 19. Jahrhunderts. Als die Generation Wolfgang Schoens heranwuchs, begann sie Fragen zu stellen. Und Wolfgang Schoen setzte sich zum Ziel, diese Fragen in filmischen Dokumentationen aufzugreifen und umfassend zu behandeln.

Dies zeigen Produktionen wie der Beitrag „Die Narren und die Nazis“, der demonstriert, wie die Nationalsozialisten selbst Karnevalsvereine ideologisch nutzten. „Georg Gärtner – Hitlers letzter Soldat“ erzählt die Geschichte eines von den Amerikanern festgenommenen deutschen Kriegsgefangenen, der aus einem POW-Camp flieht und in den USA unter anderem Namen untertaucht. Einer der interessantesten Männer des Dritten Reiches, Generalfeldmarschall Erwin Rommel, ist ein häufig wiederkehrendes Motiv.

Doch auch zeitgeschichtliche Stoffe sind auf der Produktionspalette zu finden. 2009 entstand der Dokumentarfilm über das schwerste Bombenattentat in der deutschen Nachkriegsgeschichte auf dem Oktoberfest 1980. Ein Porträt der Fußball-Legende Rudi Völler, die Tagebuch „24 Stunden in Le Mans“ und ein Ausstellungsfilm über „Lenka Reinerova - Prags letzte deutschsprachige Autorin“ zeigen die Vielseitigkeit der Produktion.

Seit knapp einem Jahr liefert tv-Schoenfilm auch außereuropäische, gesellschaftspolitische und kulturelle Reportagen für ARTE. Darunter sind Themen wie die Landnahme ausländischer Investoren in Äthiopien oder das Teaparty Movement, die von Sarah Palin angeführte konservative Bewegung in den USA.
Mit ihrer Tochter Schoenfilm verfügt die Produktion über einen Firmensitz in Berlin. Eine weitere Tochter, die Goodluxx, ist für die Herstellung von Image- und Werbefilmen zuständig. Dass man sich den technischen Herausforderungen des neuen digitalen Zeitalters stellt, ist selbstverständlich. Teilweise wurde bereits auf HD umgerüstet, wiewohl dies eine starke finanzielle Vorleistung für die Produktionsfirma ist, die wie andere mit den Budgetvorgaben der Sender zurechtkommen muss.

Die geplanten Neuproduktionen befassen sich wiederum mit dem Nationalsozialismus. "Hitlers Polizei - Die deutsche Polizei 1933 -1945" eine 2-teilige ARD Dokumentation, ist eine Kooperation unter der Federführung des RBB mit dem WDR und dem Historischen Museum Berlin, das Ende des Jahres eine Ausstellung dazu vorbereitet. Sie setzt die Reihe „Die Gestapo“ fort. Ein besonders ehrgeiziges Projekt ist „Gladio“, eine Produktion im Auftrag vom SWR und ARTE, die die Verstrickungen von Geheimdiensten der NATO in terroristische Aktivitäten aufrollt, die mittels einer Untersuchung des Europäischen Parlaments 1990 aufgedeckt wurden. Und schließlich wird die überarbeitete Fernseh-Dokumentation „Nach Fahrplan in den Tod – Europas Bahnen und der Holocaust“ im Herbst ihre Kinoaufführung erleben. Zu hoffen wäre, dass das engagierte Team auch den Erfolg im Kino genießen kann.

Kategorie: Firmenportrait (GRIP FACE)

Schlagworte: Dokumentarfilm, Filmproduktion, TV/Rundfunk

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