GRIP 38

01.05.2008

Ein Kinderroman für fast alle Leute

Über die Vermittlung literarischer Stoffe

Von Thomas Zeipelt

»Lotte, i mog di total gern.« Diese Worte spricht Markus Krojer, der schon im Kinoerfolg »Wer früher stirbt, ist länger tot« die Hauptrolle spielte, gerade zum zweiten Mal in die Kamera. Der Schauplatz: die alte Klosternanlage im bayrischen Raitenhaslach. Hier dreht Marcus H. Rosenmüllers seinen neuen Film »Die Perlmutterfarbe. Ein Kinderroman für fast alle Leute« nach der Vorlage von Anna Maria Jokl. Entstanden ist der Roman bereits in den dreißiger Jahren im Prager Exil. Er wurde aber erst 1948 im Berliner Dietz Verlag publiziert und ist schließlich 1992 beim Jüdischen Verlag, einer Tochter der Suhrkamp-Verlages, wiederentdeckt worden, nachdem er Jahrzehnte nicht lieferbar war.

Bereits 1948 gab es Pläne für einen Film, die aber scheiterten. Vorgespräche über eine Verfilmung fanden erst wieder mehr als ein halbes Jahrhundert später statt, im Oktober 2003; von diesen Gesprächen bis zur Realisierung im Frühjahr 2008 dauerte es dann viereinhalb Jahre. Für die filmische Umsetzung literarischer Vorlagen ist das kein unüblicher Zeitraum. In der Regel ist der Weg eher mühevoller, langwieriger und durchaus nicht immer von Erfolg gekrönt.

Es gibt dabei – natürlich – keinen Königsweg, wie literarische Werke zu vermitteln sind. Meist werden die »Stoffe«, also Romane, Erzählungen und sogar Gedichte, zunächst in den Programmvorschauen vorgestellt, die die Verlage im Frühjahr und Herbst an den Buchhandel und interessierte Kreise schicken, zu denen auch die Filmproduzenten zählen. Daneben erscheint bei Suhrkamp einmal jährlich ein spezieller Medienkatalog, der filmspezifische Synopsen enthält und den Filmfirmen gesondert zugeht. Am wichtigsten und unersetzbar ist jedoch der direkte persönliche Kontakt mit den Produzenten, Drehbuchautoren und Regisseuren.

Ein Verlag, der vor allem Rechte an deutschsprachiger Literatur vertritt, ist überwiegend mit Filmschaffenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im Gespräch, die dann ihrerseits geeignete Koproduzenten suchen. Die beste Möglichkeit, diese Kontakte zu pflegen, bieten die nationalen Branchentreffs, vor allem also die Berlinale mit ihren zahlreichen Empfängen, das Münchner Filmfest, bei dem schon so manches Geschäft im Biergarten beschlossen wurde, und die Frankfurter Buchmesse mit ihrer besonderen Arbeitsatmosphäre. Bei der Suche nach dem immer Neuen wird übrigens gerne übersehen, dass auch in der Backlist der Verlage Schätze zu heben sind.

Im Laufe der letzten Jahre haben sich in Deutschland zwei besondere Veranstaltungen herausgebildet, die Buch- und Filmbranche enger verzahnen und wesentlich dazu beitragen, den Austausch zwischen beiden Branchen zu verbessern. Zum einen ist dies das „Forum Film und TV" auf der Frankfurter Buchmesse und zum anderen die Veranstaltung „Books at Berlinale". Auf der Buchmesse treffen Verlagsrepräsentanten und Medienagenten bei sogenannten Speed-Datings auf nationale und internationale Produzenten, denen man im 20-Minuten Takt aktuelle Stoffe vorstellt. Beim „Books at Berlinale" -Frühstück, das von der Frankfurter Buchmesse und der Berlinale gemeinsam veranstaltet wird, werden den Produzenten noch unveröffentlichte Bücher in einem Podiumsgespräch mit einer Moderatorin präsentiert. Wenn hier der Funke überspringt, ist man einen guten Schritt weiter. Das Interesse der Produzenten wird oft auch durch exzellente Verkaufszahlen oder Rezensionen in den Leitmedien wie Spiegel, FAZ und anderen Zeitungen geweckt. Das spricht natürlich für den unerlässlichen Geschäftssinn der Verantwortlichen; fast noch wichtiger ist aber etwas anderes.

Als im Oktober 2003 zwei junge, noch unbekannte Produzenten nach Frankfurt anreisten, um mit Suhrkamp über eine Filmadaption der »Perlmutterfarbe« zu sprechen, war die Skepsis im Verlag zunächst groß. Mit ihrer Begeisterung für diesen Stoff konnten sie aber gleichermaßen die Verlagsverantwortlichen wie auch die Produktionsgesellschaft, die d.i.e. Film überzeugen, deren Produzent Robert Marciniak das Projekt schließlich stemmte. Ohne seinen Enthusiasmus wären die Dreharbeiten zur Zeit sicherlich nicht in vollem Gange. Ob die Begeisterung später auch auf die Zuschauer überspringen wird, wird der Kinostart ab Januar 2009 erweisen.

Thomas Zeipelt ist Mitarbeiter in der Abteilung Theater & Medien im Suhrkamp Verlag

Kategorie: Gastbeitrag (ehemals Selbstdarstellungen von institutioneneigenen Mitarbeitern / ab GRIP 63)

Schlagworte: Drehbuch, Filmproduktion, Filmwirtschaft

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