GRIP 36
01.05.2007
Zwischen Tradition und Moderne
Seit 80 Jahren macht der mittelständische Familienbetrieb Jaeger in Frankfurt Kino – und will es auch in Zukunft tun.
Von Daniel Güthert
Wann immer das Gespräch auf die Frankfurter Kinolandschaft kommt, ein Name fällt bestimmt: die Filmtheaterbetriebe Jaeger; eines der ältesten Kinounternehmen Deutschlands, dessen Anfänge bis in die Stummfilmzeit reichen. Im Oktober 1926 legte Kinopionier Ludwig Reichard mit dem "Eden-Filmtheater" im Frankfurter Osten - unweit des Allerheiligentores - den Grundstein des Familiengeschäfts. Schon bald nach Kriegsende wurde expandiert. Reichard eröffnete an der Hauptwache den exklusiven "Europa-Palast" mit bald 1.200 Plätzen und das "Esplanade", in dem Gebäude, das dem Frankfurter seither als E-Kinos ein Begriff ist. In den 70er Jahren waren die beiden Kinopaläste, den ökonomischen Trends gehorchend, in ein acht Spielstätten umfassendes Kinocenter umgewandelt worden.
Namentlich unter der Ägide der fast schon legendären Liselotte Jaeger, der Tochter des Firmengründers, wurde die Aktivitäten kontinuierlich ausgebaut. Weitere Abspielstätten am Airport, in Hoechst und in den 90er Jahren in der Kaiserstraße kamen hinzu, und zuvor, 1977, hatte man das Arthouse-Theater "Eldorado" übernommen. Das kleine Imperium war neben dem Ufa-Zaren Riech zum führenden Kinounternehmen Frankfurts avanciert. Zusätzlich erwarb Liselotte Jaeger noch Häuser in Heilbronn und weihte 2001 - ein Jahr vor ihrem plötzlichen Unfalltod - noch ein Multiplex in Neckarsulm ein.
Zwar erfolgsverwöhnt, ist jedoch auch Liselotte Jaeger nicht jedes Engagement geglückt. Etliche Adressen mußte sie aus jeweils unterschiedlichen Gründen wieder aufgeben. Heute hält der mittelständische Betrieb mit seinen etwa 70 Mitarbeitern nur noch an drei Standorten fest: am "Eldorado" und dem "Kino-Center Hauptwache" in Frankfurt sowie am "Cineplex" in Neckarsulm.
Doch das Geschäft werde immer schwieriger, bekennt Gabriele Jaeger, die heutige Firmenchefin. DVD, Internet, auch Raubkopien und nicht zuletzt der gewaltige Wettbewerbsdruck durch die Mulitplexe sind für sie die Hauptursachen. Aber auch ein stadtpolitisches Strukturproblem beklagt die Chefin: die Überteuerung attraktiver Citylagen. "Wer nicht die Finanzkraft eines internationalen Konzerns im Rücken hat, kann sich in der Innenstadt nicht halten. Unser Glück ist, daß uns das Gebäude an der Hauptwache auch gehört."
Egal, ob Einzelhandel oder Kinobranche - alteingesessene Geschäfte geben auf. Große Markennamen ziehen ein. Das edle "Metro im Schwan" mußte schon 1989 der Bücherkette Hugendubel weichen. Und jüngst haben sich die Innenstadtkinos – wie das Olympia, die Zeilkinos, das Cinema oder das Flaggschiff unter den Kinos, das Royal – gleich reihenweise verabschiedet. Nach monatelangen Leerstand ist immerhin das "Cinema" Ende 2005 wieder eröffnet worden. "Harmonie"-Besitzer Harald Vogel hat einen Neuanfang gewagt - zu, wie es heißt, zu sehr günstigen Sonderkonditionen. Vogel schaffte es, nach eigenem Bekunden, die Eigentümerin der Immobilie, die Stiftung de Neufville, von der Aufwertung des Standorts durch sein Kinokonzept zu überzeugen. Von einer Pacht um die 10.000 Euro ist die Rede.
Doch weniger als das benachbarte "Cinema", das sich mit einem gehobenen Cineastenprogramm positioniert, macht der Chefin die geballte Macht der standortnahen Multiplexe zu schaffen, die von den finanzkräftigen Kinoketten Cinestar und Cinemaxx geführt werden. Im Buchungspoker um die besten Filme hätten diese Konzerne mit ihrer zentralen Disposition einfach bessere Karten. So war es für Gabriele Jaeger unvermeidlich, wollte sie die Zukunft ihres mittelständischen Betriebes sichern, sich unter dem Dach der Cineplex-Gruppe mit anderen mittelgroßen Häusern zusammenzuschließen. Dadurch seien zumindest Vorteile im Einkauf und bei Marketingkampagnen gewährleistet. Auch eine zentrale Dispostion könnte sie sich vorstellen, selbst wenn sie dadurch ein Stück Eigenständigkeit preisgäbe.
Dennoch glaubt und hofft Gabriel Jaeger, die das Familiengeschäft jetzt in der dritten Generation leitet, im Wettbewerb bestehen zu können. Sie setzt auf ein familienfreundlichen Repertoiremix, der Mainstream ebenso beinhaltet wie ambitionierte Kunstfilme. Und auf den Charme eines Familienbetriebs setzt sie, jenseits der Anonymität großer Kinobunker, wie sie es nennt. "Bei uns werden Sie am Telefon noch persönlich beraten. Da können Schulen noch individuell mit uns auch Sondervorstellungen abstimmen."
Und an dieser Geschäftspolitik sollen sich auch die anstehenden Investitionen messen, zu denen einerseits technische Neuerungen wie die Einführung des Online-Ticketing gehören aber auch die geplante Umgestaltung des Foyerbereichs, um mehr Flair zu gewinnen und das Angebot an Getränken und Süßwaren attraktiver herauszustellen. Schließlich trägt der Warenverkauf nicht unbeträchtlich zur Rentabilität (mit ca. 30 Prozent) bei. Und nicht gänzlich vom Tisch sind Überlegungen, vielleicht sogar die Gastronomie aufzuwerten und ein Café einzurichten. Zu wünschen wäre es. Denn nur so ist die vielbeschworene Belebung der Innenstädte tatsächlich zu erreichen.
Kategorie: Firmenportrait (GRIP FACE)
Schlagworte: Kino, Filmkultur
