GRIP 34
01.02.2006
Gegen den Trend
Nach einem Jahr Leerstand ist das »Cinema« in Frankfurts Innenstadt wieder eröffnet. Mit Arthouse-Ware will Kinochef Harald Vogel gegen die Mainstream-Konkurrenz bestehen.
Von Daniel Güthert
Endlich einmal eine gute Nachricht für die Frankfurter Kinoszene, nachdem jahrelang nur von Pleiten, Schließungen und Besucherschwund die Rede war. Nun ist das beliebte »Cinema« an der Hauptwache, das im Zuge der Krise Ende 2004 aufgegeben worden war, wieder eröffnet. Sein neuer Betreiber: Harald Vogel, der das Haus, ähnlich wie sein zweites Standbein, die »Harmonie« in Sachsenhausen, als gehobenes Arthouse-Kino betreiben will und damit damit eine Lücke schließt. War doch zuletzt, sieht man vom »Eldorado« einmal ab, kein einziges cineastisch niveauvolles Uraufführungstheater mehr in der Innenstadt präsent, sondern nur noch in den Frankfurter Stadtteilen.
Insgesamt 15 Kinosäle sind im Laufe der zurückliegenden Jahre verlorengegangen, angefangen vom »Olympia«, über die Zeilkinos und den Royal-Filmpalast bis hin zum Imax-Colosseum in der Zeilgalerie und zuletzt dem »Cinema«. Ein Kinosterben, ausgelöst unter anderem durch einen seit Jahren anhaltenden Zuschauerschwund, gerade auch in Frankfurt, wo 2005 abermals der Ticketverkauf laut Statistik um etwa 15 Prozent eingebrochen ist.
Was also veranlasst einen Kinobetreiber, angesichts dieses Gegenwinds, das Wagnis einer Kinoeröffnung einzugehen, zudem in teuerster Innenstadtlage und mit einem Programm, das nicht auf Massenpublikum zielt? Ist Harald Vogel ein Hasardeur, ein Spieler, ein Träumer? Vogel hingegen gibt sich kaufmännisch nüchtern und verweist auf ein betriebswirtschaftlich solide aufgestelltes Konzept, das ihn zu diesem Schritt ermutigt habe.
Auf einen Nenner gebracht, lautet seine Philosophie, »ein anspruchsvolles Programm in einem anspruchsvollen Haus für ein anspruchsvolles Publikum« machen zu wollen. Investiert habe er dafür, eigenen Angaben zufolge, rund 100.000 Euro, um zunächst das »Cinema« mit seinen drei Vorführsälen in Schuss zu bringen. Auch Eingangspassage und Foyer sind renoviert worden, und nicht zuletzt hat er die Projektionstechnik mit Laserabtastung auf den neuesten Stand gebracht.
Es ist das gediegene Filmerlebnis, das Vogel seinem Publikum bieten will. Nicht das Glitzer-Event der Multiplexe. »Vielleicht bin ich etwas altmodisch, aber ich will nicht, dass die Besucher bei mir mit Nebenprodukten zugeschüttet werden.« So ist der Getränkeausschank auf ein Minimum reduziert; auf Kinowerbung verzichtet er ganz. Den damit verbunden Einnahmeausfall will er mit etwas höheren Eintrittspreisen – zwischen sieben und acht Euro – auffangen.
Zu konkreten Geschäftszahlen und Planzielen gibt sich Vogel zugeknöpft: »Das interessiert doch keinen Menschen. Reden wir lieber von inhaltlichen Punkten.« Aber soviel ist ihm dann doch zu entlocken: Er hat einen Zehn-Jahres-Vertrag zu sehr günstigen Konditionen bekommen. Dem Vernehmen nach mit einer Pacht unter 10.000 Euro im Monat. Vermieterin ist die Stiftung de Neufville einer alteingesessenen Frankfurter Familie, die kulturellen Belangen gegenüber sehr aufgeschlossen ist und die der Kinobetreiber von der Aufwertung der Immobilie durch ein gepflegtes Filmkunsttheater überzeugen konnte. Denn rein wirtschaftlich, soviel ist klar, kann ein Kino niemals mit einer Bank oder einer großen Einzelhandelskette in dieser Toplage am Roßmarkt konkurrieren.
Für die Spielplangestaltung ergäben sich, so Vogel, natürlich Vorteile aus dem Verbund mit der »Harmonie«, wobei das Innenstadtkino, allein schon aufgrund der größeren Kapazität (470 Plätze gegenüber 300 Plätzen in der »Harmonie«), tendenziell etwas »mainstreamiger« ausgerichtet sein müsse. So stand in den ersten Wochen ein Mix aus cineastischen Leckerbissen zwischen Doku und festivalprämierten Kunstfilmen auf dem Programm.
Neben den zwei beeindruckenden Dokumentarfilmen (»Die große Stille« von Philipp Gröning und »Darshan – die Umarmung« von Jan Kounen) zeigte Harald Vogel unter anderem den Berlinale-Preisträger »U-Carmen« und die neue Charles-Dickens-Adaption des »Oliver Twist« von Roman Polanski und wählte mit »Match Point« zur Eröffnung gewissermaßen Woody Allen zum Schutzpatron des neuen Hauses. Eine gute Wahl. In einem seiner schönsten Filme vor Jahr und Tag, »The Purple Rose of Cairo«, einer liebevollen Hommage an die gute alte Filmkunst, lässt Woody Allen den Hauptdarsteller aus der Leinwand heraus mitten ins Parkett steigen. Direkt in die Arme der Geliebten. Merke: So lebendig kann Kino sein.
Kategorie: Hintergrundbericht (GRIP FORUM)
Schlagworte: Kino, Filmkultur
