GRIP 34
01.02.2006
Ab nach Draußen!
Was tut sich bei den Open Air-Kinos im Rhein-Main-Gebiet?
Von Martin Loew
Kino unter freiem Himmel hat in Frankfurt lange Tradition. Den Anfang machte Mitte der achtziger Jahre das Open Air am Mainufer, ausgerichtet vom Kommunalen Kino in Zusammenarbeit mit »Pupille /Schöne Neue Welt e.V« Ein Film pro Woche wurde gezeigt, Klassiker der Filmkunst meistens, und das Flussufer an der Untermainbrücke, vorausgesetzt das Wetter spielte mit, war proppenvoll. Aber trotz des regen Publikumszuspruchs war die Veranstaltung nicht unumstritten. Kinobetreiber beklagten die Konkurrenz, die in den ohnehin umsatzschwachen Sommermonaten auch noch kostenfrei Film anbot. Anwohner beschwerten sich über den Lärm. Als dann noch die Renovierung der Brücke anstand, war das Spektakel vorbei.
Aber nur vorläufig. Denn dass Kino im Freien Spaß macht, hatte sich mittlerweile herumgesprochen. »Pupille / Schöne Neue Welt« fand mit den Betreibern des Orfeo Kinos und Pandora Filmverleihs neue Partner. Und ein neuer, geeigneter Standort war auch bald gefunden: die von der abgedrehten Fernsehserie »Lauter nette Nachbarn« übriggebliebene Filmkulisse, nahe der Bockenheimer Warte. Donnerstag bis Sonntag waren jetzt die Spieltage. Das Programm wurde entsprechend umfangreicher und enthielt neben Klassikern einiges aus dem Arthouse-Bereich. Erstmals wurde jetzt auch Eintritt genommen. Zwei Jahre residierte hier das Open Air-Kino, 1989 und 1990, bevor es zunächst auf den benachbarten Campus und schließlich ins Brentanobad umsiedelte.
Open Air-Kino gehörte plötzlich zum Sommer wie Eiscreme und Kiesgruben. Das Angebot wuchs. Ein Veranstalter versuchte sich Mitte der neunziger Jahre auf dem Messegelände. Im benachbarten Bad Vilbel brachte das Kino Alte Mühle zunächst Film im Burghof und zog dann aus Platzgründen ins Freibad um, und das Filmtheater Valentin startete sein Open Air-Kino im Höchster Silobad. Parallel hierzu bespielte das Mal Seh’n Kino den Frankfurter Lohrberg. Im Gegensatz zu den anderen Veranstaltern allerdings mit einfachster Technik, ausgefallenem Filmprogramm und bei freiem Eintritt.
Doch bei den kostenpflichtigen Veranstaltungen musste der technische Standard dem des normalen Kinos gleichen, neben brillanter Projektion also auch entsprechende Tonanlagen und eine bequeme Bestuhlung bieten. Diese Investitionen mussten die Betreiber natürlich auch wieder einspielen. Ins Programm kamen daher vermehrt Blockbuster. Sponsoren wurden aufgetan und die Gastronomie bekam, wie in den normalen Kinos, einen wichtigen Stellenwert im finanziellen Gesamtkonzept. Vorbei die Tage, in denen das Picknick selbst zum Open Air mitgebracht werden konnte.
Das Open Air-Kino hatte sich etabliert. Die gemeinsame Internetseite der Open Air-Kinos in Deutschland führt mittlerweile Spielstätten von Alpirsbach bis Zittau auf. Die individuelle Suche nach Sponsoren und Partnern wurde von zentraler Vermarktung der Werbemöglichkeiten abgelöst. »Trotzdem ist es ein risikoreiches Geschäft«, erklärt der heutige Betreiber des Brentano Open Airs Hans Laumann. Laumann kennt sich aus im Geschäft. Er unterhält zwei Arthouse-Kinos in Mannheim, macht Open Air in Mannheim, Heidelberg und Frankfurt. Zwischenzeitlich war er auch für die OpenAirs in Mainz und Wiesbaden verantwortlich. »Wenn der Sommer schlecht ist, macht man natürlich Verlust. Und die Möglichkeiten Ausgaben zu sparen sind gering«, so Laumann, der aber zuversichtlich ist, das Angebot im Brentanobad noch einige Zeit halten zu können.
Statt im Silobad werden die Betreiber des Filmtheaters Valentin in diesem Jahr auf dem Gelände des Waldstadions, genauer in der Tennisanlage, ihr Freiluftkino aufbauen. »Die Anlage«, so Betreiber Werner Rosmaity, »ist für unsere Bedürfnisse optimal ausgestattet. Dank der Lage müssen wir auch wegen der Lautstärke keine Rücksicht mehr auf die Nachbarn nehmen«. Und so wird für den Sommer denn auch ein umfangreiches Angebot geplant. Vom 6. Juli bis Anfang September gibt es täglich Leinwandspektakel. »Zu Wochenende werden wir den Film jeweils mit einem Rahmenprogramm versehen, das thematisch passt, sei es Musik, Akrobatik oder Zauberei«, kündigt Rosmaity die regionalen und überregionalen Künstler an, mit denen zur Zeit noch verhandelt wird. »Und wir geben eine Spielgarantie, denn bei Regen steht uns die benachbarte Tennishalle zu Verfügung«.
Neu in diesem Jahr wird das Angebot von Orfeo’s Erben sein. Mit einer mobilen Projektionsanlage und einer zwölf mal sechs Meter großen, aufblasbaren Leinwand ausgestattet wollen die Betreiber des Bockenheimer Kinos an wechselnden Orten auftreten. »Wir starten voraussichtlich zur Luminale im April auf dem Merianplatz mit Stummfilmklassikern«, kündigt Antje Witte an. »Und natürlich wollen wir auch wieder auf dem Lohrberg spielen, weil es die schönste Location der Stadt ist«. Vorstellen könne sie sich auch, wie bereits im vergangenen Jahr, mit den anderen Sympathiekinos zusammen einen Abend zu gestalten. Und natürlich sollen zwei Events, die im Orfeo’s Erben erfolgreich sind, nach draußen verlagert werden: »Film & Food«, das beliebte kulinarisch abgerundete Filmprogramm und eine Auswahl aus dem jährlich stattfindenden Surfer-Film-Festival. »Die Surfer-Filme wollen wir natürlich am Main zeigen«, so Antje Witte, »aber die Location steht noch nicht ganz, denn am Main ist im Sommer ja einiges los«.
Und nicht nur in Frankfurt bietet sich der Maintals Kulisse für Open Air-Kino an: auch in Offenbach liefen letztes Jahrerstmalig Screenings am Hafen. »Nach den guten Erfahrungen bieten wir bestimmt auch im kommenden Sommer wieder ein Programm«, so Organisator Enrico Corsano. Zu sehen waren im Vorjahr Klassiker und Arthouse-Filme, jeweils ergänzt durch kurze Vorfilme, und so soll das Programm auch in diesem Jahr gestaltet werden.
Einen ähnlichen programmatischen Ansatz verfolgt auch die Initiative Kinosommer Hessen des Film- und Kinobüros. Mit mobiler Technik touren hier Spielfilme, jeweils begleitet von einem hessischen Kurzfilm durch die heimischen Lande. »Wir wollen Kino unterm Sternenhimmel in Orte bringen, die sich solche Veranstaltungen sonst nicht leisten können«, erklärt Erwin Heberling vom Film- und Kinobüro. Rund fünfzig Gemeinden werden auch in diesem Sommer wieder mit dabei sein und da die Tour in Kooperation mit den lokalen Touristikbüros und Kulturämtern entwickelt wurde, sind vor allem Burgen, Schlösser, Marktplätze und alte Industrieanlagen als Spielstätten vorgesehen.
Ebenfalls einen Schwerpunkt auf attraktive Locations legen die dem Kurzfilm gewidmeten »Shorts at Moonlight«. »Die Schlösser, Burgen, Parks und Anlagen im ganzen Rhein-Main-Gebiet sind bewusst als Veranstaltungsorte gewählt«, so Gudrun Winter, künstlerische Leiterin des Festivals, »denn wir wollen Kurzfilme in einem Rahmen aufführen, der die Werke und ihre Regisseure würdigt, um ein Publikum zu erreichen, das bisher von der Existenz dieses Genres vielleicht noch ncht einmal wusste«. Der Efolg gibt den Veranstaltern Recht. »Selbst schlechtes Wetter hat die Zuschauer nicht abgehalten«, freut sich Gudrun Winter, die Kurzfilme »made in Germany« für das beste hält, das die deutsche Filmlandschaft zu bieten habe. »Es vergeht kein Jahr, in dem nicht ein deutscher Kurzfilm für den Oscar nominiert ist. Aber Kurzfilme waren bisher fast nirgends zu sehen. Das wollten wir mit »Shorts at Moonlight« ändern«.
Die »Shorts at Moonlight« erreichen denn sicherlich auch ein anderes Publikum als das Filmfestival Weiterstadt. Kurzfilme standen bei dem beliebten Festival, das 1977 erstmalig im Braunshardter Tännchen an den Start ging, schon immer im Mittelpunkt. Dieses Jahr wird es vom 10 bis 14. August stattfinden. Bis auf das »Best-of-Programm« sind die Veranstaltungen bei freiem Eintritt zu genießen.
Ob also Kurz- oder Langfilm, ob Blockbuster oder Arthouse: was die Versorgung mit Kino unter freiem Himmel angeht: Der Sommer kann kommen!
Termine, Spielstätten und alle weiteren Infos zu Open Air-Kinos finden sich unter folgenden Internetadressen:
Open Air-Kino Brentanobad
www.openairkinos.de/web/main
Open Air-Kino im Stadion
www.filmtheater-valentin.de/header+buttons.htm
Open Air-Kino Bad Vilbel
http://www.kultur-bad-vilbel.de/open_air_kino
Open Air Kino Orfeo’s Erben
www.orfeos.de
Open Air Kino im Offenbacher Hafen
http://www.3of.de/filmfest.html
Filmfest Weiterstadt
http://www.filmfest-weiterstadt.de
Shorts at Moonlight
http://www.shortsatmoonlight.de
Kinosommer Hessen
www.kinosommer-hessen.de
Kategorie: Hintergrundbericht (GRIP FORUM)
Schlagworte: Kino, Festival, Filmkultur
