GRIP 13
01.11.1995
Die Geschichte eines Traums
GRIP Kritik Hans Borgelt's Buch: Die Ufa ein Traum
Von Dieter Brockmeyer
Der Film kommt langsam in die Jahre, wo es schwer wird, noch Zeitzeugen zu finden, zumindest solche, die seine Geschichte von Anbeginn an erinnern. Hans Borgelt, Jahrgang 1914, gehört zu ihnen. Drei Jahre war er, als es zur Gründung der legendären Ufa kam. Sein Leben lang an dem Medium interessiert und damit beschäftigt, sammelte er doch zumindest da, wo er etwas nicht selbst erleben konnte, einen reichen Schatz an Anekdoten von Leuten, die heute nicht mehr in der Lage sind, sie selbst weiterzugeben.
Allein das macht das Buch „Die Ufa ein Traum“ lesenswert und mehr noch der fast schon eigenwillige Aufbau: Ein Geschichtsbuch ist es nicht, aber auch nicht ein subjektiver Erzählband von biographischen Skizzen der Zeitzeugen. Es ist vielmehr beides und gerade aus dieser Verschmelzung von historischen Daten und subjektiv Erlebtem bezieht das Buch seinen besonderen Beiz. Auch große und elende Momente der Geschichte setzt er einträchtig Seit an Seit, harte historische Fakten an Subjektives und erreicht damit ein seltsam dichtes Bild, wie es anders nur schwer zu erreichen gewesen wäre.
Es muß wohl nicht besonders erwähnt werden, daß leider auch dieser Verlag dem eher kontraproduktiven Trend entspricht und das schon 1993 erschiene Buch auch dem 100 jährigen Filmjubiläum anhängt. So ist die Gefahr doch recht groß, daß es in der Masse häufig auch minderwertiger Publikationen untergeht. Dabei ist gerade die Ufa in ihrer Bedeutung noch heute prägend für den Traum einer Industrie, die für Deutschland wohl immer mehr verloren geht. In dem Gewirr föderaler Fördergremien von staatlicher Seite könnte die Geschichte der Ufa fast schon beispielgebend sein: Denn die Ufa war eine Gründung von oben. Per Dekret wurden die Filmfirmen unter einem Dach vereint mitten im Propagandanotstand des ersten Weltkriegs. Also wohl doch kein so gutes Beispiel.
So ist der Optimismus Borgelts auch sehr verhalten, wenn er am Ende einen Ausblick auf die Zukunft des alten Ufa- später Defa-Geländes in Potsdam-Babelsberg wagt: „Oder ist doch etwas Wahres an dem Flüsterpessimismus der Filmbranche, der Volker Schlöndorff nicht mehr lange in der Position eines Geschäftsführers (Der Mann wird ja wieder Filme machen wollen und Opern inszenieren) und alle Macht von Babelsberg in französische Hände übergehen sieht (Die werden sich doch hier keine Konkurrenz für Paris aufbauen! ), was gleichbedeutend wäre mit dem Ende aller Potsdamer Medien-Illusionen. “ Der Text stammt von 1993, inzwischen hat sich tatsächlich Aufbruchstimmung in Babelsberg breitgemacht. Ist der Traum also noch nicht ausgeträumt?
Hans Borgelt
Die Ufa ein Traum; 100 Jahre deutscher Film edition q Verlags-GmbH 1993
Kategorie: Rezensionen (Bücher und Film bzw. GRIP Kritik)
Schlagworte: Filmtheorie/Filmwissenschaft
