GRIP 11
01.07.1995
Weniger Licht
Von Angela Schmitt-Gläser
Unser Licht, sagt der echte Frankfurter, brauchen wir nicht unter den Scheffel zu stellen. Haben wir nicht vor Jahrhunderten schon (für unsere Angestellten) den Wäldchestag erfunden? Ließen wir nicht, anno 1896, die Kameramänner der Brüder Lumière in unsere Prachtstadl kommen, damit sie den Besuch Kaiser Wilhelm II. ablichteten?
Und später, als vieles nicht mehr ganz so prächtig war, haben uns die Filmemacher nicht trotzdem die Treue gehalten? Alexander Kluge und Rainer Werner Fassbinder lebten hier. Rosa von Praunheim, Doris Dörrie und Sönke Wortmann fanden in unseren schmucklosen Straßen, was sie woanders vergeblich suchten. Wir konnten immer stolz auf unsere kleine, filmische Infrastruktur sein, die sich, fernab von den großen deutschen Kino-Metropolen, wie eine zarte, aber widerstandsfähige Pflanze über Wasser hielt.
Christine Hohmann-Dennhardt, die neue Ministerin für Wissenschaft und Kunst, hat für die Botanik der bewegten Bilder leider wenig übrig, sonst hätte sie nicht ausgerechnet jetzt, wo alle Welt den 100sten Geburtstag des Kinos feiert, der hessischen Filmwirtschaft das Wasser abgegraben. 1995 belief sich die Projektförderung immerhin noch auf 900.000 DM, mit 700.000 DM mußten die Filmemacher ein Jahr später auskommen und schlappe 500.000 DM lagen 1995, so jedenfalls lautete die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und den Grünen vom April, für die regionale Filmprojekt-Förderung bereit.
Ein Witz, bedenkt man, daß der Etat eben mal für ein Fünftel eines knapp kalkulierten deutschen Kinofilms reichen würde. Als die Koalitionsrunde vorige Woche noch einmal die Finanzierungsprobleme des regionalen Filmschaffens debattierte, fehlte der für die Filmförderung zuständige Abgeordnete Dörr. Er habe von der Streichung nichts gewußt und sei der Meinung gewesen, daß der Haushalt über ausreichende Mittel verfüge, entschuldigte der SPD-Mann seine Abstinenz.
Das glaubten auch die Filmemacher, die vom einschneidenden Ministeriumsbeschluß erst Ende April erfuhren, obwohl die Nachricht von der drastischen Sparmaßnahme bereits Tage vor dem offiziellen Abgabetermin am 15. April inoffiziell durchgesickert war.
Skandalös an den Vorgängen ist nicht die Erklärung des Ministeriums, mit den vorgesehenen 500.000 DM müßten Ansprüche aus den vergangenen Jahren beglichen werden. Skandalös dagegen ist die Tatsache, daß den hessischen Regisseuren die Chancengleichheit genommen wird - ohne die Zusage der hessischen Förderung können sie in keinem anderen Bundesland Gelder beantragen. Der eigentliche, politisch wie menschlich untragbare Skandal ist das Prozedere selbst. Fahrlässig und demütigend wird hier mit der cineastischen Off-Mainstream-Manpower der Region umgesprungen.
Eine Doris Dörrie tangiert es kaum, wenn sie ihren nächsten Film ohne die hessischen 50.000 DM auf die Beine stellen muß, aber der Filmemacher Wilhelm Rösing beispielsweise, der mit hessischer Filmförderung einen Dokumentarfilm gedreht hat, wird ohne die beantragten 5.000 DM Verleihförderung nicht einmal eine Kinokopie ziehen lassen, geschweige denn, den Film in irgendein Kino bringen können.
Der September-Termin, so hieß es übrigens inoffiziell aus dem Ministerium, müsse wegen Geldmangel wahrscheinlich ebenfalls entfallen. Frankfurter Filmemacher, sucht Euch einen neuen Job! Oder besser noch: Wandert aus! Euer Licht will hier niemand sehen.
Kategorie: Hintergrundbericht (GRIP FORUM)
Schlagworte: Filmförderung, Filmpolitik, Kulturförderung
