GRIP 11
01.07.1995
Mit eigenen Ideen
Die Taunus Film in Wiesbaden hat sich inzwischen als feste Größe in der deutschen Produktionslandschaft etabliert.
Von Dieter Brockmeyer
"Um fremde Ideen zu verstehen, muß man eigene haben. “ Dieses Zitat von Heinrich Heine hat sich der Wiesbadener Studiobetrieb zueigen gemacht. Denn der Anspruch ist hoch, und inzwischen können die Macher dort von sich behaupten, diesem ein gutes Stück näher gekommen zu sein. Das Gelände „Unter den Eichen“ hat sicherlich schon einmal bessere Zeiten gesehen - in der Zeit des Wirtschaftswunders. Als ein Unterhaltungsfilm nach dem anderen deutsche Studiohallen verließ, waren auch die Faszilitäten in Wiesbaden bestens ausgelastet, und die Kinostars jener Tage gaben sich die Klinke in die Hand. Doch dann kam das Fernsehen, und die Anteile, die dem Kino noch blieben, wurden zunehmend von Hollywood geschluckt.
Aber anderen ging es wesentlich schlechter! Von Göttingen spricht man heute nur noch als Universitätsstadt oder als Bundeswehrstandort. Im Ernst, wer weiß heute noch, daß die Heinz Ehrhard-Filme dort auf die Spulen gedreht wurden. Die Taunus Film hatte also noch Glück, daß das ZDF nach Mainz kam und, bis man den eigenen Studiokomplex einweihte, im benachbarten Wiesbaden produzierte. Der Glamour war weg, und man hatte bisher überlebt, doch wie sollte es weitergehen? Der Hessische Rundfunk in Frankfurt kaufte sich in das verwaisende Anwesen ein. Dort fluchte man bald ob der Belastung, die die Taunus Film darstellte. Denn als Wolfgang Graß die Geschäftsführung übernahm, strukturierte er erst einmal um - und investierte vor allem in eine neue technische Ausstattung.
Heute erweist sich dieser Weg als richtig. Mit der Bavaria in München oder Studio Hamburg will - und kann - man sich nicht vergleichen, aber man hat sich einen Namen gemacht, der gehört wird in der Republik. Und das trotz aller Nachteile, die der Standort mit sich bringt. Denn wie stellte die hessische CDU am Rande der letzten Landtagswahl allzu nüchtern fest: „Hessen ist kein Medienstandort - und wird nie einer sein! “ Trotz allem, Unter den Eichen pulst wieder das Leben. Natürlich ist es das Fernsehen und nicht das Kino, daß diese Wunder vollbrachte. Die Elstner-Show „Aber Hallo“ für RTL wird genauso auf dem Gelände produziert, wie auch eigene Projekte. Das reicht von dem eher biederen Gesundheitsmagazin „Hallo, wie geht’s“, bis hin zu aufwendigen TV-Serien und -Filmen wie etwa der „Kurklinik Rosenau“ oder „Nathalie - Endstation Babystrich“. Und weitere Projekte sind in Vorbereitung.
Doch damit ist dem Expansionsdrang noch keinesfalls genüge getan. Mit dem werktäglichen Lokalfenster „RTL Hessen Live“, das in Frankfurt produziert wird, fährt die Taunus Film seit neuestem eine Traumquote nach der anderen ein. In der Spitze sehen das Magazin über 200. 000 Zuschauer, der Konkurrent „Hessenschau“ muß sich mit mageren 60. 000 zufrieden geben. Die Ironie dabei: Der HR jagt sich selbst die Quote ab. Natürlich lebt man Unter den Eichen von seiner Infrastruktur. Neben drei großen Studios stellt man alles bereit, vom Dekobau bis zum modernen Kopierwerk - vom Ü-Wagen bis hin zur Postproduktion.
Um diesen großen Posten an Infrastruktur noch besser auszunutzen, hat man einen weiteren Geschäftsbereich entdeckt: Das Event. Denn viele Unternehmen träumen von der kreativen Filmathmosphäre. Jetzt kann man das seinem Kunden wenigsten einmal bieten - etwa bei der Präsentation eines neuen Autos. „Und da haben wir einen großen Vorteil“, erklärt Achim Apell, der für das Marketing der Taunus Filmer zuständig ist, „denn für Events ist unsere Lage im Rhein/Main-Gebiet einfach ideal.“
Kategorie: Firmenportrait (GRIP FACE)
Schlagworte: Filmproduktion, TV/Rundfunk
