GRIP 11
01.07.1995
Der offene Kanal kommt nach Offenbach
Offene Kanäle im Fernsehen, eine Chance für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit.
Von Detlef Ruffert
Die Landesanstalt für den privaten Rundfunk in Kassel hat nun die Entscheidung über den dritten offenen Kanal in Hessen getroffen. Ausgewählt wurde der Standort Rhein/Main und konkret soll der offene Kanal in Offenbach angesiedelt werden. Z. Zt. steht noch nicht fest, wann mit den Sendungen im offenen Kanal begonnen werden kann.
Mit dieser Entscheidung wurde vielen Forderungen aus Frankfurt und Offenbach nach einem offenen Kanal Rechnung getragen.
Das Filmhaus hatte das Thema „Offene Kanäle im Fernsehen“ aktuell in der jour-fixe Reihe am 22. 05. 95 aufgegriffen.
Es referierte der Leiter des Landesfilmdienstes Hessen e. V. - Institut für Medienpädagogik und Kommunikation -, Dipl. Päd. Detlef Ruffert aus Frankfurt.
Wir veröffentlichen nachfolgend einige Passagen aus seinem Referat:
- Landesfilmdienst Hessen und offene Kanäle
Der Landesfilmdienst Hessen als Institut für Medienpädagogik und Kommunikation beschäftigt sich intensiv mit den offenen Kanälen und die durch sie mögliche aktive Medienarbeit. Häufig werden offene Kanäle allerdings abwertend bewertet, als Dilletantenkram oder als medienpolitisches Feigenblatt.
Der Landesfilmdienst Hessen mit seiner produktorientierten Medienpädagogik in Seminaren, Kursen, Lehrgängen, nutzt den offenen Kanal als ein Forum, in dem es möglich ist Videoproduktionen auch zu verbreiten.
Keinesfalls redet der Landesfilmdienst einer pädagogisch motivierten Vereinnahmung der offenen Kanäle das Wort. Vielmehr muß es darum gehen, diese auf aktive Beteiligung angelegte Möglichkeit sinnvoll mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu nutzen.
- Geschichte der offenen Kanäle
Die Geschichte der offenen Kanäle begann mit der Einrichtung des privaten Rundfunks und hier vor allem der Kabelpilotprojekte wie z. B. Dortmund, Ludwigshafen oder Berlin. Die Möglichkeit, ohne zensierende Kontrolle Medienproduktionen in offenen Kanäle einzuspeisen und zu senden, wurde unter dem Stichwort gehandelt, es müsse so etwas wie einen Hyde-Park im privaten Rundfunkangebot geben um den Konsumenten die Möglichkeit zu geben aktiv Prozenten zu sein.
Das Hessische Privatrundfunkgesetz (1988) sah ursprünglich die Einrichtung offener Kanäle nur als Kann-Bestimmung vor. Dennoch wurde unter der Leitung der Landesanstalt für den privaten Rundfunk in Kassel ein erster Offener Kanal eingerichtet, der nun im dritten Jahr erfolgreich arbeitet.
Die Novellierung des Privatrundfunkgesetzes wurde am 10. 10. 1994, in der letzten Legislaturperiode, beschlossen. Danach richtet „die Landesanstalt... “in mehreren Landesteilen in Kabelanlagen lokal begrenzt offene Kanäle in Hörfunk und Fernsehen ein;... (§ 38)
Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen, daß nunmehr auch flächendeckend offene Kanäle in den nächsten Jahren entstehen können.
Die Landesanstalt beschloß bereits im vergangenen Jahr den zweiten offenen Kanal in Gießen, nunmehr folgt die Rhein/Main Region mit dem Standort Offenbach.
- Ziel des offenen Kanals
Für die offenen Kanäle im Fernsehen gilt nach dem Hessischen Privatrundfunkgesetz folgender Grundsatz (§ 38) „Der offene Kanal soll gesellschaftlichen Gruppen, Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen in diesen Landesgebieten Gelegenheit geben, eigene Beiträge zu verbreiten. “
Damit schafft der Offene Kanal die Voraussetzung, daß Kommunikation von unten über elektronische Medien möglich wird. Wichtig ist, gesellschaftliche Gruppen, Organisationen, Institutionen und Privatpersonen können unentgeltlich den offenen Kanal benutzen.
Die Beiträge werden nicht zensiert. Sie müssen den Programmgrundsätzen der Vielfaltsanforderung und den . Jugendschutzbestimmungen des Privatrundfunkgesetzes entsprechen. Werbung und Sponsoring sind unzulässig. Für die Beiträge sind die Nutzungsberechtigten selbst verantwortlich, d. h. sie können u. U. bei Verstößen gegen diese Vorschriften, das Urheberrecht oder die Jugendschutzbestimmungen haftbar gemacht werden.
Beiträge dürfen nur abgelehnt werden wenn die Antragsteller gegen die Pflichten verstoßen oder allgemeinen Rechtsvorschriften zuwiderhandeln.
Der Bedeutung des freien Zugangs zu offenen Kanälen wird auch in der Koalitionsvereinbarung von SPD und Grünen für die laufende Legislaturperiode entsprochen. Im Kapitel Medienpolitik wird zum Thema ausgesagt: „Bereits gesammelte Erfahrungen belegen, daß nichtkommerzieller lokaler Hörfunk und offene Kanäle gute Möglichkeiten bieten die Meinungsvielfalt im lokalen Bereich zu erhöhen.... Die Landesregierung wird einen jährlichen Preis für die beste Sendung im Offenen Kanal stiften. Offene Kanäle können auch in medienpädagogischer Hinsicht eingesetzt werden. “
- Organisation und Technik
Die offenen Kanäle werden von der Landesanstalt für den privaten Rundfunk eingerichtet und von ihr betrieben, d. h. es wird das erforderliche Personal eingestellt und die notwendige Technik vorgehalten (Studio, Kameras, Schnittpulte, portable Sets usw. ) Die Mitarbeiter der offenen Kanäle bieten technische Einführungen an, damit mit S-VHS oder auch High-8-Kameras und Schnitteinrichtungen sachgerecht gearbeitet werden kann. Die Nutzung der Geräte muß angemeldet werden und ist kostenlos.
Die produzierten Sendungen werden in der Reihenfolge des Eingangs gesendet. Der Offene Kanal zeigt im täglichen Lauftitel welche Sendungen plaziert sind. Außerdem wird das Programm in der Tagespresse veröffentlicht.
- Offene Kanäle - eine Aufgabe für medienpädagogische Einrichtungen.
Offene Kanäle dürfen nicht verwechselt werden mit der immer wieder aufkommenden Forderung nach regionalen, privat zu betreibenden Fernsehsendern. Offene Kanäle sind für alle da, wobei insbesondere die medienpädagogischen Einrichtungen aufgerufen sind, Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu befähigen im offenen Kanal aktiv zu werden. Entscheidend ist die lokale Bedeutung der Beiträge und der besondere Charme des Nichtprofessionellen. Ausserdem können sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene medial so ausdrücken wie sie es möchten.
In der Praxis der offenen Kanäle zeigt sich, daß vor allem gesellschaftliche Gruppen, die in dem Main-Stream-Fern-sehen nicht vorkommen, einen besonderen Zugang gesucht und gefunden haben. Es beteiligen sich z. B. in Kassel insbesondere Gruppierungen Ausländer, religiöse Gruppen außerhalb der etablierten Kirchen.
Die Chance in den Medien Gehör zu finden und gesehen zu werden, ist ein wichtiger Anreiz. Deshalb sollten die 17 medienpädagogischen Einrichtungen in Frankfurt und Offenbach Kurse, Seminare und Lehrgänge anbieten, die technisch und auch inhaltlich Interesse am offenen Kanal wecken und fördern. ■
Detlef Ruffert
Landesfilmdienst Hessen, Institut für Medienpädagogik und Kommunikation
Kategorie: Gastbeitrag (ehemals Selbstdarstellungen von institutioneneigenen Mitarbeitern / ab GRIP 63)
Schlagworte: TV/Rundfunk, Institution
