GRIP 11

01.07.1995

Bild Werk ist das Werk

Aber das ist nicht das einzige, was sich in Frankfurt tut. Die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung mausern sich.

Von Dieter Brockmeyer

Schon vor einem dreiviertel Jahr konnte man Erstaunliches aus Frankfurt berichten. Diese Diaspora des deutschen Marktes für Filmproduktionen brachte fast unbemerkt erstaunliche Pflänzchen hervor. Motor ist eindeutig die Werbewirtschaft, die am Main einen traditionell starken Stellenwert hat. Und digitale Postproduktion ist der Dung, der die unerwarteten Pflänzchen gar wohl gedeihen läßt. Das Bild Werk schaffte es in nur zwei Jahren mit digitaler Bildbearbeitungstechnik auf eine Spitzenposition unter den europäischen Postproduktionsanbietern. Jetzt hat der Babyboomer den Namen gewechselt. Gleichzeitig machte man einen weiteren Sprung in den Möglichkeiten der Postproduktion.

Die Räumlichkeiten gleichen noch immer einer Baustelle, denn die 350 m2, die man Ende letzten Jahres dazugenommen hat, wollen sinnvoll in den bestehenden Raumplan integriert werden. Die räumliche Expansion war notwendig geworden, mußte man doch zwei weitere Henry-Editsuiten aus dem Hause Quantel unterbringen sowie Platz für neue Rechner der Firma Silicon Graphics und für eine zusätzliche Mirage schaffen. In der Tat, nicht nur was die Hardware angeht, die Frankfurter haben in Europa die Nase vorn. „Mit den zusätzlichen Softwarepaketen, die wir gekauft haben, haben wir jetzt auch die letzten Lücken in unserem Bearbeitungsangebot geschlossen“, freut sich Christian Leonhardt, einer der vier Partner. Von virtuellen Bühnenbildern, Verfremdungen, Morphen oder Filtereffekte, nichts, was die vier Macher mit ihren jetzt etwa 30 Mitarbeitern nicht anbieten können.

Freilich, eine solche Angebotsbreite hat ihren Preis. Besonders hier setzen Kritiker immer wieder an. Doch Leonhardt lassen solche Angriffe kalt: „Wer so etwas behauptet, weiß nicht, was da alles an Kosten drumherum anfällt. Wenn hier jemand auf Beta schneidet und irgend etwas klappt nicht, dann gehen wir eben mal kurz an den Henry und machen das dort. Außerdem kann der reine Schnitt ja auf einem Avid gemacht werden, so daß wir nur die Effekte einarbeiten müssen. Das senkt die Kosten ganz enorm. “ Trotzdem, DAS WERK kann sich nicht jeder leisten. Durchschnittlich werden etwa 50. 000 D-Mark für einen Videoclip bei einer Popproduktion aufgewendet. Da ist der Etat, der speziell für die Nachbearbeitung zur Verfügung steht, entsprechend gering.

Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Der Popkünstler „Angel“ etwa, der mit seinen Techno-Formationen wie „Snap“ größte Erfolge in den Hitparaden erziehlt, legt auf das Ambiente seiner Clips besonderen Wert. Der rechnergenerierte Comicstrip, der im Hintergrund zu dem aktuellen SnapHit „Eternity“ abläuft, läßt sich von der Kostenseite nicht kalkulieren. Wochen intensiver Arbeit stecken hinter solchen Videowelten, die der Offenbacher Angel sich nur leisten kann, weil er sich einen eigenen Silicon-Graphic- Rechner angeschafft hat und nicht mehr auf die externe Diensleistung angewiesen ist. Im Werk werden solche Streifen jedenfalls so schnell nicht realisiert werden. Dort gehört nach wie vor die Werbung zu den Hauptkunden, aber auch Vorspänne zu TV- Produktionen oder TV-Trailer runden das Portfolio zunehmend ab.

Zunehmende Bedeutung erhalten auch spezielle Kinospots, die auf 35mm produziert und dann abgetastet werden. Nach der Bearbeitung auf Henry und Co werden die fertigen Spots dann wieder auf Filmmaterial übertragen. Hier freilich klafft noch eine kleine Lücke in der Angebotspalette: Fatzen, also EB auf Film übertragen, können die Werker noch nicht. Hier arbeiten die Frankfurter noch mit der Münchner Firma „ScanLine“ zusammen.

Die neuen Millioneninvestitionen, die die Frankfurter ihrem Ziel der Marktführerschaft ein deutliches Stück näher gebracht haben, sind freilich nicht der Grund, warum jetzt der Name geändert wurde. Simpler Grund ist ein anderes Unternehmen, das den Namen schon länger in Beschlag genommen hat. Irgendwo ärgerlich, da hat man mit viel Aufwand Name und Image aufgebaut, da muß man einen Teil verändern. Aber ein geänderter Name zeigt noch lange nicht, was dahinter steckt! Da hat das Unternehmen immer mehr zu bieten. Synergien ausbauen, das ist der nächste Schritt im Entwicklungskonzept des Werkes.

Mit der „ton-Galerie“ hat DAS WERK schon ein komplettes Synchronstudio in der direkten Nachbarschaft. „Das ist in Deutschland meines Wissens einmalig“, betont Jochen Wenke, Geschäftsführer der Tonkünstler. Aber auch die Werker steuern selbst zur Synergiebildung bei. Schon Ende letzten Jahren übernahm man von der ECG TV-Studio GmbH & Co das einzige volltontaugliche Studio in Frankfurt und gründete dafür die „Werk Stadt“. Trotz des auch dort stattgefundenen Umbaus wurde die 300 m2 Halle schon extensiv genutzt. „In der ganzen Zeit, in der das Studio besteht, wurde hier noch nicht so viel gedreht, wie im letzten halben Jahr, seit der Besitzer gewechselt hat“, wundert sich Rolf Schmidt der schon seit etwa 12 Jahren das Studio betreut. Wie im Werk, die Kunden kommen aus ganz Deutschland. Gerade erst drehte eine Hamburger Produktion einen neuen Coca Cola Spot in Frankfurt/Griesheim ab.

Die Schuldenlast die sich die regen Postproducer auf die Schultern geladen haben, ist sicher immens. Aber der Laden brummt. Wenn sich die Geschäftssituation in Deutschland nicht in absehbarer Zeit dreht, dürfte das Risiko überschaubar sein. Zumindest in der Werbung kommt man heute schon nicht mehr an den Frankfurtern vorbei. Schaut man etwa bei Fernsehsendern in die Archive mit den Masterbändern für die Werbespots, das alte Bild Werk Logo auf den Kassettenhüllen füllt schon ganze Regale.

Gerade erst hatte DAS WERK den inzwischen auch in Deutschland bekannt gewordenen amerikanischen Maler Daryush Shokof zu Gast. Der Künstler, der sich jetzt auch dem Medium Film zugewendet hat, schnitt seine Godard Paraphrase „Breathfull“ in der Beta-Editsuit der Frankfurter Agentur. In Zukunft wird wohl auch der Kinofilm eine größere Rolle im Portfolio der Frankfurter Postproducer spielen. Doch dazu mehr, vielleicht schon in der nächsten „grip“-Ausgabe. Den Chefs des Werks müssen die Ohren klingeln, hören sie die Lobeshymnen, zu denen sich ihr amerikanischer Gast hinreißen läßt: Selbst in den USA wäre es sicherlich nicht leicht, einen ähnlich potenten Anbieter zu finden. „In Europe ist Shokof überzeugt, „they’re the best! “ ■

Kategorie: Firmenportrait (GRIP FACE)

Schlagworte: Postproduktion

Artikel im PDF aufrufen