GRIP 06

01.06.1993

Stellungnahme des Filmbüro Hessen

zur Anhörung vor dem Hessischen Landtag am 27. April

Von Thomas Mank

Seit seiner Gründung im Jahr 1982 ist das Hessische Filmbüro zu einer der mitgliederstärksten Vertretungen unabhängigen Filmemachens in der Bundesrepublik geworden. Zu den momentan 173 Mitgliedern zählen mehrheitlich produzierende Filmschaffende, d. h. Produzenten und selbständige Filmemacher/-innen. Hier seien Filmemacher wie Rolf Silber, Urs Breitenstein, Thomas Carle, Klaus Gietinger und Lothar Spree genannt, zu den Produzenten gehören Mike Smeaton von der Frankfurter Filmproduktion, Daniel Zuta von Zuta-Filmproduktion, Werner Kließ von Odeon Film und Karl Baumgartner, Mitinhaber des international renommierten Pandora-Filmverleihs, um nur einige zu nennen.
Unter den Mitgliedern des Filmbüros finden sich auch nahezu alle filmtechnischen Berufe, seien das nun Kameramänner und -frauen oder Cutter/-innen. Ebenso namhafte Studiobetriebe sind durch ihre Geschäftsführer im Filmbüro vertreten, zum Beispiel TVT und Cineteam, ebenso wie die ECG Studios aus Frankfurt.
Zu den Mitgliedern des Filmbüros zählen die unabhängigen Kinobetriebe: Das Kino Filmladen Kassel genauso wie das Werkstattkino mal seh'n in Frankfurt oder das Kino Traumstern in Lich.
Das breite Spektrum der Mitgliedschaft macht das film-kulturelle Potential der Region sichtbar. Auf diesem Hintergrund versucht das Filmbüro die Bedingungen für Filmarbeit in Hessen zu stärken, beispielsweise mit einer Filmzeitschrift, die regelmäßig erscheint und vor allem Informationen zugänglich macht und der Frankfurter Filmschau, die alljährlich veranstaltet wird und insbesondere hessischen Filmschaffenden die Gelegenheit bietet, ihre Arbeiten einem breiten Publikum vorzustellen.
Ein Großteil der Arbeit des Filmbüros findet darüber hinaus in Gremien statt. Zu aktuellen filmpolitischen Themen lädt das Filmbüro zu Gesprächen in kleinerem Kreise ein. Zur Zeit beispielsweise wird in einer Arbeitsgruppe, deren Mitglieder sich aus allen Bereichen des regionalen Filmschaffens zusammensetzten, ein neues Modell zum Erhalt einer möglichst vielschichtigen KinokuItur diskutiert.
Leider werden dem Medium Film noch immer Vorurteile entgegen gebracht, insbesondere, wenn damit der Begriff 'kulturell' in Zusammenhang gebracht wird. Das reicht von der Vorstellung, daß es sich dabei um elitäre Experimente handelt, die sowieso für die Schublade produziert würden bis hin zu der Annahme, daß aufgrund der Universalität des Mediums eine regionale Vielfalt ausgeschlossen sei. Solche Vorstellungen basieren in der Regel auf Unkenntnis bzw. Desinteresse. Vor allem wird damit die Tatsache ignoriert, daß Film heute das einflußreichste, weil alltäglich präsente Medium ist.
Die Arbeit des Hessischen Filmbüros ist geprägt von der Idee des kulturellen Films. Das bedeutet nicht die Einschränkung von Ausdrucksmöglichkeiten, sondern meint vielmehr die Hinwendung zur Vielfalt dessen, was das Medium Film sein kann. Das reicht vom engagierten Dokumentarfilm über Lehr- und Schulfilme bis hin in den frei-künstlerischen, experimentellen Bereich und umschließt dabei selbstverständlich die klassischen Spielfilmproduktionen. Der Erfolg einer solchen Haltung wird alljährlich sichtbar: Regelmäßig stammt ein Großteil der zum Bundesfilmpreis vorgeschlagenen Filme aus dem Umfeld des hessischen und anderer Filmbüros, ebenso wie es für viele Mitglieder selbstverständlich ist, mit dem Fernsehen, sei es der HR oder das ZDF, gemeinsam zu arbeiten. Der Film als vielleicht das bedeutendste Medium des 20. Jahrhunderts hat zwei Bedeutungen, eine kulturelle und eine wirtschaftliche. Egal, wie immer ein Film im Einzelnen definiert wird; zur Herstellung ist in der Regel finanzielles Engagement notwendig, von dem ansässige Firmen und Betriebe profitieren. So ist es eine Tatsache, daß der kulturelle Film notwendig auch ein wirtschaftlicher Faktor ist, während die Umkehrung nicht zwangsläufig gegeben ist.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern sehen wir daher für das Land Hessen nicht die Notwendigkeit, eine hochfinanzierte und spezialisierte Filmkultur zu subventionieren, wie es das beispielsweise Nordrhein-Westfalen aus ökonomischen oder Berlin, bzw. München aus historischen Gründen tun. Den Vergleich mit solchen Bundesländern zu ziehen ist nicht immer automatisch im Interesse der hessischen Filmschaffenden, denn in Hessen sind die Voraussetzungen für eine funktionierende Filmkultur andere:
In Frankfurt wurde vor mehr als 20 Jahren der Grundstein gelegt für ein neues Verständnis vom Film als - auch subventionswürdiges -Kulturgut mit der Gründung des ersten deutschen Kommunalen Kinos und später des Deutschen Filmmuseums.

  • In kaum einem Bundesland gibt es so umfassend die Möglichkeit, Film zu studieren. Sei es an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, wo der Filmemacher Helmut Herbst die Filmklasse seit Jahren erfolgreich leitet,
  • die Filmklasse an der Frankfurter Städelschule,
  • das Institut für Neue Medien,
  • das Institut für Theater, Film und Medienwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt
  • oder die Filmklassen an der Gesamthochschule Kassel, deren 25 jähriges Bestehen in diesem Jahr gefeiert wird.

Auch der Unterstützung des Kinoabspiels auf dem Lande kommt in Hessen eine besondere Aufmerksamkeit zu, nicht zuletzt durch die Initiative 'Power in der Provinz' und der Vergabe des hessischen Kinopreises.
Im Zeichen der europäischen Annäherung, die gerade im Bereich des Films eine besondere und vielfache Förderung erhält, stehen nationale Lösungen nicht mehr zur Diskussion; die Stärkung und Hervorhebung der regionalen Eigenheiten ist vielmehr notwendig. Der kulturelle Film bietet hierfür die Voraussetzung. Der Begriff ist vielfältig und hat vor allem auch immer eine gesellschaftliche, respektive soziale Funktion, wie die oben genannten Beispiele auch belegen. Eine der zentralen Forderungen des Filmbüros war es von Anfang an, eine entsprechend konzipierte Filmförderung in Hessen einzurichten und auszubauen.
Tatsächlich spiegelt die Hessische Kulturelle Filmförderung, wie sie durch das Land Hessen beim Filmbüro dann auch eingerichtet wurde, in wesentlichen Punkten diesen Anspruch wider, das Medium Film in all seinen Erscheinungen als ein kulturelles Ereignis wahrzunehmen und zu fördern. Seit Beginn der Arbeit der Hessischen Kulturellen Filmförderung im Jahr 1986 hat das Konzept einer solchen, alle Bereiche umfassenden Förderung immer wieder Nachahmer in der ganzen Bundesrepublik gefunden. Insbesondere die Berücksichtigung der Tatsache, daß nicht nur eine spezielle Form des Films förderungswürdig ist, hat sich als innovatives Merkmal der kulturellen Filmförderung bewährt.
Während das hessische Modell der kulturellen Filmförderung bundesweit Anerkennung findet, was sich auch auf die Reputation einer regionalen Kulturpolitik positiv rückwirkt, sieht die konkrete Umsetzung dieses Konzepts bei näherer Betrachtung allerdings dürftig aus. Anspruch und Wirklichkeit klaffen dabei überraschend weit auseinander.
Deshalb fordern wir hier einen aufrichtigen Umgang mit der Filmkultur, d. h. eine klare Haltung der politischen Verantwortlichen. Das bedeutet auch die Forderung nach mehr Geld für die hessische Filmförderung. Zwar steht ein ideales Modell zur Verfügung, oberes verhungert am langen Arm einer unentschiedenen Politik. Auch wenn in rezessiven Zeiten die Forderung nach mehr Geld verwegen klingen mag, warnen wir vor den Folgen einer halbherzigen Förderungspolitik.
In Hessen begibt man sich langsam aber sicher der Möglichkeit, auf ein zentrales kulturelles Medium Einfluß zu nehmen. Und es widerspräche jedem demokratischen Verständnis, einen so wichtigen Bestandteil des täglichen Erlebens ausschließlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu sehen. Außerdem muß verhindert werden, daß weiterhin finanzielles und kreatives Potential aus Hessen abwandert, was passiert, wenn Projekte wegen der allzu geringen Mittel, die durch die Hessische Förderung vergeben werden können, in anderen Bundesländern zur weiteren Finanzierung eingereicht werden müssen. Anstatt den Effekt der Förderung für die einheimische Filmstruktur zu nutzen, ist so das Gegenteil die Folge. Die Umstände sind in Hessen bei weitem nicht optimal. Schon im Zuge der Einrichtung der Filmförderung wurden erhebliche Konstruktionsfehler begangen. Wie das Verhältnis zwischen Erwartung und Wirklichkeit aussieht, belegen die Berichte und Statistiken, die jetzt seitens der Geschäftsführung der Förderung vorliegen.
Dabei sind die Möglichkeiten des Filmbüros und der ihm angeschlossenen Institutionen bei weitem noch nicht ausgeschöpft, sondern werden zur Zeit lediglich durch die finanziellen Mittel beschränkt.
Aber es muß intensiver daran gearbeitet werden, beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen den Filmschaffenden und den vornehmlich kommerziellen Filmbetrieben weiter auszubauen. Desweiteren ist es dringend notwendig, den Bereich Information und Beratung optimaler einzurichten.
ln diesem Sinne streben Filmbüro Hessen und Filmhaus Frankfurt nach engerer Kooperation in einer gemeinsamen Organisation. Das Filmhaus Frankfurt wurde 1989 Filmbüro Hessen begründet und hat sich in kurzer Zeit als eine der innovativsten Filminstitutionen in Hessen etabliert. Die Aufgaben einer künftigen gemeinsamen Organisation, der dann auch die Filmförderung angehören würde, soll den gesamten unabhängigen film-kulturellen Bereich erfassen, d. h. von der Beratung bis hin zu Seminaren und Workshops. Dieses Zusammengehen würde nicht nur die effiziente Verwendung der vorhandenen Mittel ermöglichen, sondern langfristig den Erhalt und Förderung einer regional geprägten Medienlandschaft auf der Grundlage der kulturellen Film - Förderung, im doppelten Sinne des Wortes, sichern. Dadurch würde nicht nur der künftigen filmkulturellen Arbeit eine solidere Basis gegeben, sondern die Bedeutung des künftigen hessischen Filmbüros im Filmhaus Frankfurt als eine für ganz Hessen verantwortliche und repräsentative Einrichtung garantiert.
Zusammenfassend sei festhalten, daß in Bezug auf die konkrete Fragestellung der Anhörung die Zukunft der Hessischen Filmförderung, also die Zukunft jeder filmkulturellen Arbeit, soll sie denn Sinn machen, auf der Stärkung der regionalen Strukturen und Gegebenheiten basieren wird.
Das Filmbüro und die ihm angehörigen Institutionen planen in diesem Sinne gemeinsam in die Zukunft. Wir nutzen unsere vorhandenen personellen und finanziellen Kapazitäten bis an die Grenze unserer sehr eingeschränkten Möglichkeiten. Aber jede Kraftanstrengung macht nur dann Sinn, wenn auch ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Eine eindeutige Stellungnahme der politisch Verantwortlichen zugunsten der kulturellen Filmarbeit ist dringend geboten und damit auch eine deutliche Erhöhung der finanziellen Mittel, die durch die Hessische Kulturelle Filmförderung vergeben werden. Im Hinblick auf die sich abzeichnende europäische Filmlandschaft ist die Unterstützung regionaler Möglichkeiten und Gegebenheiten eine notwendige und sinnvolle Maßnahme.

Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)

Schlagworte: Institution, Filmförderung, Filmpolitik, Filmkultur

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